Vor ein paar Jahren ließ Benjamin Biolay sich noch dazu hinreißen, den französischen Chanson schnoddrig als „diesen Dreck à la Jacques Brel“ zu diskreditieren. Auf seiner aktuellen Platte zeigt sich der Sänger, Multiinstrumentalist und maßgebliche Neuerer des Chansons als Traditionalist. Biolay hat sich der Lieder von Charles Trenet (1913–2001) angenommen. „Ich war immer ein großer Fan von Trenet“, gibt er zu. „Er ist ein großer Dichter. Bei den Aufnahmen habe ich gemerkt, wie viel Ähnlichkeit sein Stil und seine Wortfelder mit meinen eigenen haben.“ Bis heute gilt Trenet als der wichtigste Vertreter des zeitgenössischen französischen Liedes. Seine Nummer „La Mer“ ist zum Welthit geworden, in Frankreich wurde er dafür zum Nationalheiligen. Die Nummer ist durch Robbie Williams’ Version als „Beyond The Sea“ auch einem großen Pop-Publikum bekannt geworden.

Vor seinen Konzerten spielte Benjamin Biolay sich am Klavier oft mit Chansons von Trenet warm. Daraus entstand dann die Idee, ein Album mit dessen Liedern aufzunehmen. Seine Hommage an „Fou chantant“, den „verrückten Sänger“ hat Biolay mit seinem Trio eingespielt, zu dem der Gitarrist Nicolas Fiszman und der Schlagzeuger Denis Benarrosh gehören. Biolay selbst spielt Klavier, Trompete, Posaune und Geige. Für einige Nummern hat er ein 26köpfiges Orchester ins Studio geholt, die Nummer „J’ai Ta Main“ singt er im Duett mit seiner Muse Vanessa Paradis. Zwölf Lieder hat Biolay aus den etwa 1000 Chansons ausgewählt, die Trenet während seiner langen Karriere geschrieben hat. Um „La Mer“ und Klassiker wie „Douce France“ macht er jedoch einen Bogen. „Sie sind perfekt“, sagt er.

Biolay hat sich vor allem der Balladen Trenets angenommen und sie in melancholische Jazz-Arrangements gesteckt. Die Fröhlichkeit Trenets ist dabei auf der Strecke geblieben, Biolay verschleppt das Tempo, wie man es von vielen seiner eigenen Songs gewohnt ist. Wenn er die Trompete bläst, erinnert sein Spiel an den sanften, etwas brüchigen Ton von Chet Baker. Andere Nummern erinnern durch Fiszmans exquisites Gitarrespiel an den Gypsy-Swing von Django Reinhardt, der in den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts in den Pariser Cafés aufgespielt hat, zu einer Zeit also, in der auch Trenet schon in Paris gelebt hat.

Für Trenet war die französische Hauptstadt der Nabel der Welt. Ihr setzte er mit Liedern wie „Revoir Paris“, „Le Grand Café“ und „La Romance de Paris“ musikalische Denkmäler. Seine Chansons sind das musikalische Pendant zu den berühmten Schwarz-Weiß-Fotos von Henri Cartier-Besson und Robert Doisneau.

Auch Benjamin Biolay hat in einem Interview geäußert, dass er gern in dieser Zeit gelebt hätte. Mit seinem Album „Trenet“ hat er dem Chansonnier eine gefühlvolle Hommage gewidmet. Diese Platte ist der ideale Soundtrack für einen Rotweinabend im eigenen Wohnzimmer oder für einen Bummel durch die Bistros, Bars und Boulevards von Paris.