Hamburg. Das Altonaer Museum zeigt bis zum 9. Oktober international preisgekrönte Fotos – mit Aufnahmen, die in Herz und Kopf bleiben.

Butter bei die Fische: Wie viele Fotos haben Sie mittlerweile auf ihrem Handy? Mehr als 1000, vielleicht sogar 6000? Es gibt Fotos, die an Familienurlaube erinnern, die das bunte Sushi im Lieblingsrestaurant ablichten, die in Selfie-Format die missglückte Frisur festhalten.

Und dann gibt es Fotos, die ins Herz gehen – die unerwartet eine Tür zur Burg der Emotionen öffnen, vielleicht sogar eine Träne heraufbeschwören, zumindest aber die Gehirnzellen zum Arbeiten bringen. Eine preisgekrönte Auswahl dieser Art von Fotos sind in der diesjährigen „World Press Photo“-Ausstellung im Altonaer Museum zu sehen.

Museum Hamburg: „World Press Photo“-Ausstellung in Altona ab 13. September

Vom 13. September bis zum 9. Oktober können Interessierte die besten internationalen Pressefotografien betrachten. Die in Amsterdam lokalisierte World Press Foundation vergibt die renommierten Auszeichnungen seit 1955 – im Fokus stehen Fotografien, die weltpolitisch von hoher Relevanz sind – wie Auswirkungen der Klimakrise, Kriege und Fluchtbewegungen.

So auch das Foto, das von der Jury zum Siegerbild erklärt wurde. Ein Foto, das die betrachtende Person sofort alle mickrigen Alltagssorgen vergessen lässt und auf eine gewaltsame, aber wichtige Weise vor Augen führt, wie grausam Mensch und Leben sein kann – von (einem nicht begonnenen) Anfang bis Ende.

World Press Photo: Gewinnerfoto ist vom ukrainischen Fotografen Evgeniy Maloletka

Die Fotografie vom Ukrainer Evgeniy Maloletka zeigt eine verletzte, mit Blut verschmierte Schwangere, die auf einer Trage von Hilfskräften befördert wird, vor einer zerstörten Kulisse. Es ist die Momentaufnahme der 32-jähigen Iryna Kalinina, die bei einem russischen Luftangriff auf Mariupol aus einem beschädigten Entbindungskrankenhaus getragen wird.

Miron sollte das Kind heißen, was auf Ukrainisch Frieden bedeutet – doch es wurde tot geboren, eine halbe Stunde später starb auch Iryna. Das Leben der beiden ist zu Ende, während der russische Angriffskrieg in der Ukraine anhält und weitere Tote fordert. Die Fotografie schafft es, das Unvorstellbare fassbar zu machen.

World-Press-Photo-Ausstellung findet zum zweiten Mal im Altonaer Museum statt

„Bilder formen unser zeithistorisches Gedächtnis“, erläutert Carla Rosorius, Bildredakteurin beim Magazin „Geo“ vor den offiziellen Eröffnung der Ausstellung am Dienstag. Die Magazine „Geo“ und „Stern“ präsentieren die „World Press Photo 2023“-Ausstellung seit mehr als 25 Jahren – bis vor der Pandemie waren die preisgekrönten Fotos jährlich im Gruner+Jahr-Pressehaus am Baumwall zu sehen. Seit dem vorigen Jahr ist die Ausstellung im Altonaer Museum.

„Ein Rundgang durch eine Welt, die besser sein könnte“, so beschreibt Anja Dauschek, Direktorin des Altonaer Museums, die Fotoausstellung. Die internationale Jury der World Press Foundation musste sich durch die Masse von 60.000 eingereichten Beiträgen wühlen, von 3752 Teilnehmenden aus 127 Ländern. 24 Preisträgerinnen und Preisträger wurden ausgewählt.

Gewinnen konnten die Fotos in den vier Kategorien Single, Serie, Story und Long-Term. Außerdem gibt es Jurys in sechs verschiedenen Regionen, um die Auszeichnungen möglichst divers zu gestalten.

Wanderausstellung: Die Fotos sind in mehr als 100 Städten zu sehen

Die besten Fotografien werden in mehr als 100 Städten in fast 50 Ländern zu sehen sein: Die Ausstellung wandert von Ort zu Ort, in Deutschland war sie in diesem Jahr bereits in Berlin zu Gast. In Hamburg fällt der Start der Ausstellung passenderweise in die Woche der Pressefreiheit – eine „wunderbare Koinzidenz“, wie Matthias Seeberg meint, der Sprecher der Stiftung Historische Museen Hamburg.

Der mobile Aspekt ist wohl auch der Grund, weshalb die Fotos etwas lieblos und ohne Rahmen auf silbernen Metallständern ausgestellt sind. Jedoch verlieren die Fotos dadurch keineswegs an Wucht.

Fotograf Jonas Kakó dokumentiert das Austrocknen des Colorado Rivers

Auch Jonas Kakó, einer der Fotografen, deren Bild es in die Ausstellung geschafft haben, ist vor Ort: Für seine Fotografie reiste er sieben Wochen lang in Nordamerika, um das langsame Austrocknen des Colorado River zu dokumentieren.

Während Golfplätze in der amerikanischen Wüste gewässert werden, verlieren indigene Völker und andere Menschen ihre Lebensgrundlage: eine fatale Auswirkung der Klimakrise, die der Hannoveraner mit seiner Kamera festgehalten hat.

Museum Hamburg: Die „World Press Photo 2023“-Ausstellung lohnt sich

Preisgekrönt wurde jedoch nicht die ganze Fotoserie von Kakó, sondern ein einzelnes Bild: Es zeigt drei Männer in Schutzanzügen auf trockenem Land. Fast könne man meinen, hier haben sich Astronauten in der Wüste verloren. Aber nein: Es sind drei Männer, die sich um Bienen in der Wüste kümmern – und sie mit Wasser versorgen müssen. Seitdem das Klima sich wandelt, können sie dies dort nicht mehr selbst.

Alfredo Fierro (l.) und seine Mitarbeiter Ubaldo und José der Honig-Manufaktur Eagle Eye Honey bei der Pflege von Bienen in der Wüste Arizonas. Seit mehreren Jahren müssen die Männer Wasser für die Bienen in Tränken bereitstellen, da die Völker sonst nicht überleben können.
Alfredo Fierro (l.) und seine Mitarbeiter Ubaldo und José der Honig-Manufaktur Eagle Eye Honey bei der Pflege von Bienen in der Wüste Arizonas. Seit mehreren Jahren müssen die Männer Wasser für die Bienen in Tränken bereitstellen, da die Völker sonst nicht überleben können. © JONAS KAKO

Die „World Press Photo 2023“ ist eine empfehlenswerte Ausstellung, aus der wohl niemand fröhlich und beschwingt herausgeht. Aber so muss es auch nicht sein: Das Leben ist es ja auch nicht.

„World Press Photo 2023“ 13.9.–9.10., Mo + Mi, Fr–So, 10.00–19.00, Do 10.00–21.00, Altonaer Museum (S Altona), Museumstr. 23, Eintritt 8,50/erm. 5,-; www.shmh.de/altonaer-museum/