Hamburg. Die Szene ist vielgestaltig, aber es gibt zu wenig Aufführungsplätze. Am Sonntag wird der Hamburger Kindertheaterpreis verliehen.
Dem Kinder- und Jugendtheater in der Hansestadt geht es gut. Die Szene ist lebendig, regelmäßig entstehen ästhetisch fordernde Arbeiten. Und gleichzeitig leidet das Kinder- und Jugendtheater in der Hansestadt. Die Fördersituation ist verbesserungswürdig, es gibt zu wenig Auftrittsorte. Wer nicht leidet: Kai Fischer. Der Theatermacher ist gut beschäftigt, sei es mit seinem Stammensemble Die Azubis, sei es in anderen Kontexten. Und wenn am Sonntag die Hamburgische Kulturstiftung den Hamburger Kindertheaterpreis verleiht, wird Fischer gleich doppelt geehrt: mit dem ersten Preis für „Achtung! Bau:Stille“ vom Theater Kormoran und mit dem dritten Preis für „Fritzi hat kein Ende“ von Die Wunderwollen.
Kinder- und Jugendtheater in Hamburg: Nicht nur „Räuber Hotzenplotz“ auf der Bühne
Treffen mit Fischer und der Dramaturgin Caroline Heinemann im Probenraum des Dachverbands Darstellende Künste an der Wartenau. Gerade proben Die Azubis hier „Petra Pan, Oma Hook und Wendy“, die erste Auseinandersetzung Fischers mit dem Genre „Weihnachtsmärchen“, die im November am Fundus Theater Premiere feiern wird. Und? Wie steht es um die Kunst?
Fischer lobt die Vielgestaltigkeit der Szene. „Es gibt hier sehr viele Kindertheatermacherinnen und -macher“, beschreibt er seine Kollegen. „Aber aktuell werden nur acht Stücke für Kinder gefördert, davon drei Tanzproduktionen. Und da muss ich mich als Theatermacher natürlich entscheiden: Woher bekomme ich das Geld, um mein Stück aufzuführen?“ Fischer als erfolgreicher Regisseur hat da weniger Probleme, aber ein Großteil der Gruppen muss sich darauf verlassen, dass die Veranstalter – meist Schulen und Kitas – sie einladen. „Da hilft ein populärer Name, da hilft auch ein Stück, das die Multiplikatoren von einer Einladung überzeugt.“
Fischer interessiert das Märchen oder das dramatisierte Kinderbuch nur am Rande
Als Folge entstehen dann oft Stücke wie das etablierte Märchentheater oder Adaptionen von erfolgreichen Kinderbüchern – „Der Räuber Hotzenplotz“ bringt einen Lehrer eher dazu, die Produktion an seinen Schule zu holen, als ein prozesshaftes Stück an der Grenze zwischen Performance und bildender Kunst wie „Achtung! Bau:Stille“. Fischer aber interessiert das Märchen oder das dramatisierte Kinderbuch nur am Rande: „Es ist so schön, dass man etwas Eigenständiges im Theater erfinden kann.“
Dieses Neuerfinden wird in Hamburg in erster Linie vom Fundus Theater abgebildet, Gruppen, die nicht mit dem Haus an der Burgstraße in Verbindung stehen, tun sich schwer. Heinemann will das nicht nur negativ sehen, sondern als Ausweis der Diversität innerhalb der Szene: „Ich würde das eher als Vielfalt der Formen beschreiben, die auch für sich einen Wert darstellt“, meint die Dramaturgin.
In Hamburg gibt es zu wenig Aufführungsorte für Kinder- und Jugendtheater
Dass das Fundus Theater in seinem Selbstverständnis als Forschungstheater da eine Sonderstellung einnimmt, sei auch ein Entwicklungsprozess gewesen, problematisch sei eher, dass es kaum weitere Aufführungsorte gebe – neben dem Fundus Theater hat man das Hamburger Puppentheater, das Hoheluftschiff, auf K3 wird regelmäßig Tanz für junges Publikum entwickelt, dann wird es schon eng. Und ebenso sieht es mit Fördergeldern aus: „Wir arbeiten sehr gut mit der Kulturbehörde zusammen“, beschreibt Heinemann die Situation. „Aber da es immer mehr Gruppen gibt, die sich für Kinder- und Jugendtheater interessieren – was ja per se erst mal toll ist –, gibt es auch eine immer größere Konkurrenz um die Fördertöpfe.“
Zudem existiert auch noch eine staatliche Bühne: das Junge Schauspielhaus, seit Kurzem auch mit festem Haus am Wiesendamm. Gegründet wurde das Ensemble in den Nullerjahren vom damaligen Schauspielhaus-Intendanten Friedrich Schirmer, auch, um dem Kinder- und Jugendtheater in Hamburg größere Sichtbarkeit zu verschaffen. Einerseits ist das Haus für die Schulen ein wichtiger Ansprechpartner, andererseits deckt die hier gepflegte, eher konventionelle Ästhetik nur einen Teil des Kinder- und Jugendtheaters ab. Wobei Fischer und Heinemann hier keine eindeutige Abgrenzung vornehmen wollen – sie empfinden sich als Teil und damit auch als Experten der freien Szene; was am Staatstheater passiert, ist nicht wirklich ihr Thema.
Kinder- und Jugendtheater: Am Sonntag gehört Kai Fischer zu den Preisträgern
Wobei die stärkere Sichtbarkeit des Kinder- und Jugendtheaters zweifellos wichtig ist, da ist das Junge Schauspielhaus mit seiner Außenwirkung ein Segen für den gesamten Bereich. Fischer und Heinemann wünschen sich eine größere Präsenz ihrer Kunst nicht zuletzt in den Medien, nicht nur als Wertschätzung, sondern auch, damit Lehrer, Erzieher, Veranstalter wissen, mit wem sie es zu tun haben.
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Aktuell werden prominente Regisseure wie Fischer eingeladen oder Gruppen, bei denen man schon am Stücktitel absehen kann, was einen erwartet, die Avantgarde aber bleibt außen vor. Eine Chance, das zu ändern, ist sicher eine Preisverleihung wie am Sonntag – auch wenn jemand wie Fischer die Preise im Grunde gar nicht nötig hätte. Gleichwohl: Dafür, dass man erkennt, was es für Kinder- und Jugendtheater jenseits vom „Räuber Hotzenplotz“ gibt, ist der Preis auf jeden Fall gut.
Hamburger Kindertheaterpreis Verleihung am Sonntag, 27. August, 11 Uhr, Fundus Theater, Sievekingdamm 3 – Platz der Kinderrechte