Hamburg. Am zweiten Tag des Sommerfestivals auf Kampnagel gab es sportlich-musikalische Höchstleistungen und eine unglückliche Liebe.
Die Sportkommentatorin brüllt Unverständliches durchs Megafon. Die Fankurve ist bereit zur Ekstase, die Akteure wärmen sich am Bühnenrand auf. Der Sport, der hier gleich stattfindet, kombiniert allerdings physische Höchstleistung mit – Rock ‘n’ Roll. Die allseits gefeierte Performance „One Song – Histoire(s) du Théâtre“ der belgischen Künstlerin Miet Warlop ist beim Internationalen Sommerfestival in Hamburg angekommen.
Sommerfest Kampnagel: Eine Sport-Performance, bei der auch die Zuschauer schwitzen
Und es ist ein großes, wenn auch zugegeben etwas voyeuristisches Vergnügen, den Akteuren bei ihrem Theater-Sport zuzuschauen: der Violinistin, die beim Spiel auf dem Schwebebalken kerzengrade das Bein ausstreckt. Dem Kontrabassisten, der im Liegen spielt und dabei Sit-ups hinlegt. Dem Keyboarder, der per Sprungbrett die oben an einer Sprossenwand angebrachten Tasten erreichen muss. Dem Schlagzeuger, der zwischen mehreren Trommeln hin- und herspringt. Und dem Sänger, der atemlos davon singt, dass wir um unser Leben rennen sollten, bevor wir ohnehin alle sterben, während unter ihm das Laufband rast.
Der Songtext enthüllt, dass es um Verlust und Trauer geht – aber auch um das Aufbegehren gegen den Schmerz. Diese Verausgabungsarbeit funktioniert wie ein kollektiver Exorzismus, bei dem man als Zuschauer mit den Performern mitschwitzt und mitfiebert. Ansteckend in seiner Ekstase, grandios in Präzision und Timing, kathartisch in seiner Wirkung. Außerdem hat „One Song“, an diesem Abend dutzendfach in Endlosschleife wiederholt und variiert, das Zeug zum Ohrwurm.
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Ohrwürmer des Soft-Soul präsentiert in der zweiten Premiere des Abends auf Kampnagel „Heart Of Brick“ eine illustre Kunst-Komplizenschaft aus dem Sänger Serpentwithfeet, der Künstlerin Wu Tsang und dem Choreografen Raja Feather Kelly. Serpentwithfeet betört darin als Besucher eines Schwarzen Schwulen Nachtclubs, der sich in einen Türsteher verliebt.
Der liebt ihn irgendwie zurück, doch geheimnisvolle Kräfte verhindern, dass er seine Gefühle auslebt. Die Macher nehmen das nun zum Anlass, eine mit viel Mystik, Nebel, guten und bösen Blumen gespickte Geschichte zu erzählen. Leider bleibt sie inhaltlich dünn, hält im Grunde nur lose die aufwendigen Tanz- und Gesangsszenen zusammen. Aus dem Stoff hätte man mehr herausholen können.
Internationales Sommerfestival bis 27.8., Kampnagel, www.kampnagel.de