Eutin. Ausstellungen, Seerundfahrt, Schwimmen in der Historischen Badeanstalt, viel Gastronomie – ein Tag in der Holsteinischen Schweiz.

Auf die im Internet gestellte Frage „Ist Eutin eine schöne Stadt?“ gibt es auf der Seite der Tourismuszentrale Holsteinische Schweiz eine ganz eindeutige Antwort: Eutin sei sogar mehr als das, heißt es da, nämlich „die perfekte Kleinstadt“. Nicht nur wegen der Ostseenähe und der netten Einkaufsatmosphäre, sondern vor allem wegen der großen Kulturdichte. Und tatsächlich: Die Kreisstadt Ostholsteins hat auf ihren gut 41 Quadratkilometern Fläche einiges zu bieten. Und ist dabei doch so überschaubar, dass sich alles zu Fuß erreichen lässt.

Wo sonst kann man Opern und Operetten auf der Seebühne genießen, am selben Tag mehrere Ausstellungen und ein schmuckes, sehr gut erhaltenes Barockschloss besichtigen, ohne in einen Bus oder eine Bahn zu steigen? Ganz zu schweigen vom Naherholungseffekt durch die umliegende Seen- und Waldlandschaft und die vielseitige Gastronomie. Eutin – die ideale Destination für einen Kunstausflug! Auch die Anreise aus Hamburg ist unschlagbar einfach und günstig: Die Regionalbahn (Deutschlandticket!) ist ab Hauptbahnhof über Lübeck in gut eineinhalb Stunden am Bahnhof Eutin.

Eutin: viel Kultur zwischen Schloss und See

Von dort geht’s zu Fuß in zehn Minuten in die Altstadt. Wer jetzt schon einen Koffeinkick braucht, dem sei ein Abstecher in die Eutiner Kaffeerösterei in der Königstraßenpassage ans Herz gelegt. In schlichtem, modernem Ambiente wird dort feinster Kaffee aus speziellen Röstungen serviert (Tipp: den Espresso 100% Arabica, aus Mexiko probieren!).

Über einen Schlenker zum Großen Eutiner See gelangt man zur Sehenswürdigkeit Nummer eins der Region: das gut 850 Jahre alte Eutiner Schloss mit seiner schönen Gartenanlage und einer beachtlichen Gemäldesammlung. Diese ist vor allem durch den Eutiner Hofmaler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751-1829) mit seinem großformatigen Homer-Zyklus und den Porträts der großherzoglichen Familie geprägt (Tischbeins berühmtestes Gemälde ist übrigens „Goethe in der Campagna“ von 1786/87, das den Dichter während einer Italien-Reise zeigt).

Ausstellung „Symptom: Barock“ sucht die Auseinandersetzung

Aus einem bescheidenen Verwaltungshof der Lübecker Bischöfe im 12. Jahrhundert über eine mittelalterliche Burganlage hat sich das repräsentative Schloss der Fürstbischöfe von Lübeck aus dem Hause Schleswig-Holstein-Gottorf und Herzöge von Oldenburg zu einer barocken Schlossresidenz entwickelt. Salons, Gobelinzimmer, Rittersaal und Russlandkabinett sind mit prachtvollen Stuckaturen, Deckenmalereien, Öfen, Fliesen und originalen Möbeln, Gobelins, Leuchtern und Gemälden dekoriert. Schön anzusehen – doch ist dieser zur Schau getragene Prunk heute überhaupt noch so unreflektiert hinnehmbar?

Die beiden Skulpturen „Dreamers“ (2018) von Rebecca Stevenson im Europazimmer von Schloss Eutin sind Teil der Ausstellung „Symptom: Barock“.
Die beiden Skulpturen „Dreamers“ (2018) von Rebecca Stevenson im Europazimmer von Schloss Eutin sind Teil der Ausstellung „Symptom: Barock“. © Stiftung Schloss Eutin / Catrin-Anja Eichinger

Fragte sich Sophie Borges, Kuratorin der Sonderausstellung „Symptom: Barock“, auch und beauftragte vier junge Künstlerinnen, sich mit der Sammlung zeitkritisch auseinanderzusetzen und ihre eigenen Arbeiten in die Dauerausstellung zu integrieren. So hat Myriam Thyes ein Deckengemälde des Künstlers Giovanni Battista Tiepolo entfremdet. In ihrer Videoarbeit „After Tiepolo“ wird der Götterhimmel nach und nach durch Galaxien und Planeten verdeckt, das barocke Weltbild verschwindet, die moderne Zivilisation sieht nur noch sich selbst. Sehr wirkungsvoll wird der Film an die Decke der kleinen Kapelle im Schloss projiziert.

Mehr als 100 legendäre „Hörzu“-Titel im Ostholstein-Museum

Rebecca Stevenson bezieht sich in ihrer Arbeit „Dreamers“ auf die Entdeckungsreisen und den weltweiten Handel, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts florierten und zu Begegnungen mit nicht europäischen Kulturen führten. Das Fremde regte die Fantasie an, wurde aber auch als minderwertig betrachtet. Anhand einer weißen und einer schwarzen Frauenbüste, die Modellen aus dem „Vogue“-Magazin nachempfunden wurden, fragt die Künstlerin, ob es diese „Exotik“ in der globalisierten Welt noch gibt. „Die alte Kunst kommt in unserer Welt an, und die neue Kunst wird beflügelt durch überlieferte, zeitlose Themen und Techniken“, so die Kuratorin.

„Hörzu“-Cover „Eine kitzelige Angelegenheit“ aus dem Jahr 1970 von Illustrator Kurt Ard. Das Ostholstein-Museum widmet ihm eine eigene Schau.
„Hörzu“-Cover „Eine kitzelige Angelegenheit“ aus dem Jahr 1970 von Illustrator Kurt Ard. Das Ostholstein-Museum widmet ihm eine eigene Schau. © Kurt Ard

Nur einen Steinwurf entfernt liegt das Ostholstein-Museum im ehemaligen Marstallgebäude des Schlosses. Dort gibt es gleich zwei flockige Sommerausstellungen zu entdecken: Fast jeder wird eins seiner Titelbilder erinnern, aber den Schöpfer doch nicht kennen. In den 1950er- bis 1970er-Jahren schuf der dänische Illustrator, Maler und Grafiker Kurt Ard mehr als 260 Cover mit humorigen Alltagsszenen für skandinavische Magazine und die Fernsehzeitschrift „Hörzu“. Die Ausstellung „Kurt Ard – so gesehen ...“ präsentiert 100 seiner Gouache-Arbeiten, die durch großes handwerkliches Können und fotorealistische Wirkung bestechen.

Im Angebot: die Historische Badeanstalt, eine Seerundfahrt und ein Sundowner

Um die besondere Verpackung geht es auch in der Schau „Die drei ??? und die Queen of Covers“, die Erwachsene wie auch jüngere Besucherinnen und Besucher interessieren dürfte. Die Stuttgarter Illustratorin, Grafikerin und Malerin Aiga Rasch schuf das erste prägnante Titel-Layout – schwarzer Rahmen, plakativ-farbstarkes Bild und drei Fragezeichen in Weiß-Rot-Blau – , das zum Kennzeichen der Bücher sowie der Hörspiele wurde. Die Ausstellung zeigt Originalzeichnungen und Alternativentwürfe, Erstauflagen und Vorlagen zu den zahlreichen Geschichten der drei ??? Justus, Peter und Bob aus dem Nachlass der 2009 verstorbenen Künstlerin. An der Museumskasse sind Unterlagen für eine Rätsel-Rallye erhältlich.

Nach den Ausstellungsbesuchen sollte man unbedingt noch ein bisschen Zeit zum Durchatmen und Entspannen einplanen. Am Wochenende lädt das Carl Maria von Weber Café an der Lübecker Straße (zehn Minuten zu Fuß vom Schloss) zu hausgemachtem Kuchen und Erfrischungen drinnen und im lauschigen Innenhof. Wer lieber aktiv sein möchte, kann bei gutem Wetter und freiem Eintritt (!) die historische Badeanstalt am Großen Eutiner See besuchen (fünf Minuten vom Schloss zu Fuß; ob geöffnet ist, ist an der gehissten Schleswig-Holstein-Flagge zu erkennen).

Ein Klassiker ist auch die Eutiner Seerundfahrt. Diese dauert rund eine Stunde und führt unter anderem vorbei am Schloss, der Badeanstalt und der Seebühne der Eutiner Festspiele, die in diesem Jahr wegen Umbau pausieren (das beim Publikum beliebte Eutiner Bier gibt es aber nach wie vor in der Brauerei am Markt und schmeckt auch dort – ohne musikalische Begleitung – sehr gut). Wer mag, steigt an einer der Anlegestellen der Rundfahrt aus und spaziert weiter um den See oder fährt zur Seepromenade zurück und lässt sich auf der Sonnenterrasse der SeeLoge nieder. Das in nordischem Design gebaute Hotel ist ein Inklusionsbetrieb mit direktem Seeblick – und einer Bar, die bis 23 Uhr geöffnet hat. Passt: Der letzte Zug nach Hamburg (über Lübeck) verlässt Eutin um 22.30 Uhr.

„Symptom: Barock“ bis 8.10., Schloss Eutin, Schlossplatz 5, 23701 Eutin, täglich 10.00–18.00, Eintritt 10,-/6,- (erm.), schloss-eutin.de; „Kurt Ard – so gesehen ...“ (bis 27.8.) und „Die drei ??? und die Queen of Covers“ (bis 1.10.), Ostholstein-Museum, Schloßplatz 1, 23701 Eutin, Di–So 11.00–17.00, Eintritt 6,-/3,- (erm.), museum.kreis-oh.de