Neukirchen. Das Museums in Seebüll wird wieder eröffnet. Im Zentrum der Ausstellung stehen die Themen Heimat und Kolonialismus.
„Hier ist unser Platz!“ – Als Emil Nolde (1867–1956) und seine Frau Ada 1926 das Fleckchen Erde nahe der dänischen Grenze fanden und es Seebüll nannten, war es wohl genau dieses Gefühl, mit dem sie anfingen, ihr Haus darauf zu bauen, nach eigenen Entwürfen im Bauhaus-Stil, mit einem Garten, einem Bachlauf und diesem besonderen Blick in die Weite, lediglich abgelenkt durch den nahe gelegenen Hof Hülltoft, einen Badesee, ein paar Kühe auf der Weide oder vorbeihuschende Fasanenpärchen.
Ausstellung: Verbundenheit mit der Heimat ist das zentrale Thema
Diese unaufgeregte friesische Marschlandschaft muss man schon mögen, um sich hier eine Zukunft vorstellen zu können. Die Noldes mochten es offensichtlich – den Winter über verbrachten beide in Berlin zum Netzwerken –, und dass man hier außer Himmel und Gras und Wasser und Wegen wenig sieht, mag die Fantasie des Expressionisten, das innerlich Empfundene auf die Leinwand zu bringen, noch mehr befeuert haben. Zudem war Nolde ein Mann des Nordens, er war in der Nähe auf einem Hof aufgewachsen, sah sich trotz früher künstlerischer Ambitionen als Bauer, zusammen mit Ada ging er fischen und Enten schießen, um sich selbst zu versorgen.
Die Verbundenheit mit seiner Heimat ist auch das Thema der neuen Jahresausstellung im Nolde Museum. Mit „Zurück zuhause. Emil Nolde – Welt und Heimat“ feiert das einstige Wohnhaus der Noldes, das per Testament dem Publikum als Museum dienen soll, nach drei Jahren Sanierung nun Wiedereröffnung. Moderne Beleuchtungs, Klima- und Sicherheitstechnik wurde eingebaut. Um besonders die Arbeiten auf Papier vor Feuchtigkeit zu schützen, wurden hochwertige Rahmen dafür angefertigt. Insgesamt acht Millionen Euro hat der Umbau gekostet.
Welche Aktualität hat der Blick des Künstlers für unsere Gegenwart heute?
Im Erdgeschoss ist die ehemalige Werkstatt des Künstlers mit seinem Opus magnum „Das Leben Christi“ von 1911/12 zu besichtigen. Vorbei am gemütlich mit schlichten Holzmöbeln eingerichteten Wohnzimmer des Paares gelangt man über eine Treppe ins Herzstück des Hauses: den dicht gehängten Bildersaal. Neben „Koogsweg“, „Herbstmeer, „Badestrand“ oder „Lichte Dahlien und Sonnenblumen“ sind Noldes Italienbilder sowie seine Eindrücke einer Südseereise zu sehen. Insgesamt 130 Ölgemälde, Aquarelle und Druckgrafiken sind über das Haus verteilt, darunter auch viele Porträts und Selbstbildnisse.
Ein Bild sticht besonders hervor: „Boot im Schilf“ von 1909. Es ist Teil einer großen Schenkung durch Hermann Gerlinger. Während einige Motive Noldes plakativ bis naiv wirken, zeigt das „Boot“ feine Struktur- und Farbgebung auf; „fast spürt man den Wind über den nahe gelegenen Ruttebüller See fegen, das Bild vermittelt ein Gefühl von Freiheit“, sagt Christian Ring, Direktor der Stiftung Ada und Emil Nolde. „Welche Aktualität hat der Blick des Künstlers Emil Nolde für unsere Gegenwart?“ Der Begriff „Zuhause“ habe durch Pandemie, Naturkatastrophen und Kriege in jüngster Zeit eine neue Bedeutung erhalten.
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Ausstellung zeigt Noldes Porträts aus aller Welt
Auch die Südsee-Darstellungen des Expressionismus stehen im Fokus; sie werden seit Langem auf kolonialistische Aspekte und den möglichen rassistischen Charakter der Porträts beleuchtet. „Nolde kritisiert die Folgen des Kolonialismus für die indigenen Völker deutlich, ohne den Kolonialismus selbst infrage zu stellen“, so Ring. „Wir zeigen seine Porträts aus aller Welt. Die Besucherinnen und Besucher sollen sich beim Betrachten fragen: Gibt es Unterschiede in der Darstellung der Menschen aus Spanien, Japan und Papua-Neuguinea im Vergleich zu der Darstellung von Menschen seiner Heimat? Aus welcher Perspektive betrachten wir die Kunst und die Dargestellten?“
Hartnäckigkeit zu Aufklärung und Transparenz bewies der Direktor schon bei einem anderen heiklen Thema: Als klar wurde, dass Emil Nolde seine Biografie dahingehend „umgeformt“ hatte, wie Ring es nennt, dass er Opfer des Nationalsozialismus inklusive Berufsverbots gewesen sei, öffnete er das bis dahin streng bewachte Archiv und ließ zwei Wissenschaftler dazu recherchieren. Dass Nolde sich sogar dem Regime anbiederte, andere denunzierte und so erwirkte, dass seine Werke aus der Ausstellung „Entartete Kunst“ gestrichen wurden, ist auf einer biografischen Tafel im Besucherforum und auf der Website beschrieben.
Damals hieß es, man werde den populären Maler des Nordens nie wieder so unbefangen betrachten können wie vor 2013. Zehn Jahre später ist es schon wieder ein anderes Thema, das unsere Sichtweise herausfordert. Das private Haus von Emil Nolde, es war noch nie so politisch.
„Zurück zuhause. Emil Nolde – Welt und Heimat“ bis 31.10., Nolde Museum, Seebüll 31, 25927 Neukirchen, täglich 10.00–18.00, Eintritt 12,-/8,- (erm.), weitere Infos: www.nolde-stiftung.de