Emma Cline gelang mit „The Girls“ ein Bestseller. Im Nachfolger begleitet sie eine Edelprostituierte in den Hamptons. Tough.
Alex weiß, wie sie durchkommt. Wie sie sich in den besseren Kreisen bewegen muss, um nicht als sehr junge, mittellose Frau identifiziert zu werden. Sondern als sehr junge, stylishe Frau, die auf jeden Fall dazugehört. Die an den Dinners der Bonzen in den Hamptons teilnehmen darf, weil niemand weiß, wer sie wirklich ist.
Ein Mädchen aus Upstate New York, das in New York City, das hier nie namentlich genannt wird, als Escortgirl arbeitet, schlechte Entscheidungen trifft und einem Freier Geld schuldet. Ein Mädchen, das nichts anderes hat als seinen Körper. Alex hat zunächst noch einmal Glück. Sie wird die Geliebte des wohlhabenden, wesentlich älteren Simon. Bewegt sich wie ein Fisch im Wasser seines Pools auf Long Island und wartet jeden Tag darauf, dass er von der Arbeit nach Hause kommt.
Emma Clines neuer Roman „Die Einladung“: Die Kunst, anderen etwas vorzuspielen
Aber dann leistet sie sich einen Fauxpas, fällt aus der ihr zugedachten Rolle. Simon schmeißt sie raus, er weiß nicht, dass Alex quasi obdachlos ist. Und dann ist Alex unterwegs, zurückgeworfen auf ihre Kunst, sich einzuschleichen in die Villen und an die Pools von Menschen, denen sie etwas vorspielt. Der Roman, der dieses Eindringen mit den, tja, Waffen einer Frau schildert, trägt den Titel „Die Einladung“ (im Original noch treffender: „The Guest“) und erscheint nun auf Deutsch. Seine Autorin Emma Cline wurde mit California noir berühmt, mit ihrem Bestseller „The Girls“ zur Sensation für eine Literatursaison.
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Jetzt ist die Kalifornierin literarisch an der Ostküste angekommen. „Die Einladung“ erzählt auch, wie eine Frau sich in einer männerdominierten Welt nimmt, was sie will – und wenn es nur die kostbare Uhr des Lovers ist oder der 50-Dollar-Schein, den sie in der Toilette im Privatclub mitgehen lässt. Über das Innenleben dieser Protagonistin erfahren wir nichts, das macht den Reiz des Romans aus, in dem eine Anti-Heldin den Blick der Lesenden lenkt.
Roman „Die Einladung“: Makellose Prosa, die nicht über die Figuren urteilt
An einem gewissen Punkt fragt man sich gar nicht mehr, warum dieser gesunde, junge Mensch sich durch die Upperclass schmarotzt anstatt ein Leben auf eigenem Tun zu bauen. Alex ist kein It-Girl mit Followern, sondern eine, die ihren Körper hergibt – geht ja irgendwann nicht mehr anders. Sie ist auf dem Weg zurück zu Simon, sie weiß nicht, was sie sonst tun sollte, als bei ihm wieder vorstellig zu werden in der Hoffnung auf ein amouröses Comeback. Und unterwegs treibt sie sich quasi in der Nachbarschaft herum, nächtigt bei Angestellten anderer Sommerrefugien, verführt einen Teenager, schließt Freundschaften, die keine sind.
Emma Cline schreibt szenisch und in einer makellosen, kühlen Prosa, ohne je über ihre Figuren zu urteilen. Dass Alex gleichzeitig frei ist und im Gefängnis ihrer Abhängigkeit von männlichen Projektionen sitzt, erschließt sich allerdings gewissermaßen auf jeder Seite dieses Buchs, das dramaturgisch mit einfachen Methoden zu Werke geht. Der Freier, der ihr auf den Fersen ist, ist der, der sie endgültig aus ihrer traumwandlerischen Existenz reißen könnte.
Emma Cline schafft es, Atmosphäre zu schaffen
Emma Clines Vermögen, Atmosphäre zu schaffen, hebt „Die Einladung“ auf ein gutes Erzählniveau. Drogen sind Clines Vagabundin nicht fremd. Auf ihrer maskierten Tour durch die Schlafzimmer der Vororte, auf der sie den Problemen ihrer Gastgeber unbedingt aus dem Weg gehen will, gönnt sie sich die ein oder andere Pille. Schmerzmittel für ihre belastete Gegenwart als Frau, die für andere das ist, was sie gerne in ihr sehen würden. In der Alex verloren auch da ist, wo sie schwimmend Erlösung oder ein Zuhause sucht.
In der ersten Szene gleich treibt sie bedröhnt vom Ufer ab. Beinah ertrinkt sie.