Berlin. Sie war Schauspielerin, Sängerin, Skandalnudel und Stilikone. Nun ist Jane Birkin im Alter von 76 Jahren gestorben.
Sie wurde berühmt mit Liebesgestöhn. Und, das ist ja auch erst mal nicht gerade feministisch, als Partnerin eines Mannes, der auch wegen seiner Liebschaften berühmt war: Serge Gainsbourg. Dabei war sie nicht mal erste Wahl als Begleitung für sein Chanson „Je t’aime… moi non plus“ („Ich liebe dich… ich auch nicht). Das Lied hatte Gainsbourg schon mit seiner Verflossenen eingespielt, Brigitte Bardot.
Dieser war das Lied, das kaum Text, aber umso mehr Gestöhn enthielt, aber doch zu anstößig. Sie machte einen Rückzieher, auch aus Rücksicht auf den neuen Mann an ihrer Seite, Gunter Sachs. So nahm der Chansonnier es halt noch mal neu auf, mit seiner neuen Flamme: Jane Birkin. Und mit ihr wurde das Lied nicht nur ein Welthit, sondern die Hymne der sexuellen Revolution.
Jane Birkin - der Gegenentwurf zu Brigitte Bardot
Die Stöhnerei machte Jane Birkin schlagartig berühmt, da war sie gerade mal 22 Jahre alt. Es war der Beginn einer wundersamen Karriere, bei der die Frau ohne Stimme dennoch eine große Chanson-Interpretin wurde. Und auch ein schillernder Filmstar. Aber vor allem eine Frau, die ganz selbstbestimmt war und immer ihren eigenen Weg ging. Nun ist die große Birkin gestorben. Wie aus Insider-Kreisen bekannt wurde, wurde sie am gestrigen Sonntag leblos in ihrem Haus in Paris gefunden. Sie wurde 76 Jahre alt.
Die Britin, am 14. Dezember 1946 in London geboren, war keine klassische Schönheit. Sogar, der Vergleich drängt sich ja förmlich auf, ein echter Gegenwurf zu der von den Franzosen vergötterten Brigitte Bardot. Birkin hatte keine üppigen Rundungen wie diese, sie war so dünn und dürr wie Twiggy, die Mitte der 60er-Jahre aber als Mager-Model ein neues Schönheitsideal setzte. Jane Birkin hatte auch kein wirklich schönes, aber hochinteressantes, spannendes Gesicht. Mit dem kleinen Makel der Lücke zwischen ihren Vorderzähnen, den man immer sah, wenn sie lachte. Und der schon wieder sexy war.
Lesen Sie auch: Der neue „Mission: Impossible“-Film mit Tom Cruise ist der Action-Film des Jahres
Auch wenn sie sich mit „Je t’aime“ jedermann ins Ohr wurmte, ist es doch falsch, dass sie nur dadurch bekannt wurde. Jane Birkin hatte das Künstler-Gen. Ihr Vater David war zwar Lieutenant Commander der Royal Navy, ihre Mutter Judy Campbell aber Schauspielerin, bekannt etwa für eine frühe Jane-Austen-Adaption „Emma“ von 1948, bei der sie auch das Drehbuch schrieb. Zumindest zwei ihrer drei Kinder drängten dann auch in dieses Gewerbe. Das jüngste, Andrew Birkin, sollte Regisseur werden. Die mittlere, Jane, zog es aber vor die Kamera.
Erste kleine Filmauftritte hatte sie schon mit 19. Wirklich entdeckt aber wurde sie von keinem Geringeren als Michelangelo Antonioni, der 1966 mit „Blow-Up“ einen Kultfilm der 68er-Generation drehte. Über einen Fotografen, der Models ablichtete. Birkin war, neben Sarah Miles und Veruschka von Lehnsdorf, eines davon, ihre Filmrolle: „the Blonde“.
Schicksalhafte Begegnung mit Serge Gainsbourg - eine Liebe fast fürs Leben
Drei Jahre später dann war sie in „Der Swimming Pool“ zu sehen – der Film, der das einstige Kino-Traumpaar Romy Schneider und Alain Delon wiedervereinte. Ein Vier-Personen-Drama, bei dem noch Maurice Ronet mitspielte, ein Kumpel Delons, der schon früher mit ihm gedreht hatte, aber dann eben auch die vielversprechende Newcomerin. Die damals noch mit John Barry verheiratet war, dem Komponisten der „James Bond“-Filme.
Dann aber kam die schicksalhafte Begegnung der Britin mit dem Franzosen Serge Gainsbourg. Beide spielten im FIlm „Slogan“ die Hauptrollen. Und lernten sich bei den Dreharbeiten kennen – und lieben. Der für die Ex geschriebene Song wurde nun zum Manifest der neuen Liebe.
Lesen Sie auch: „Barbie“-Premiere in Berlin ohne die Stars - wegen des Schauspieler-Streiks in den USA
Gainsbourg war so genialisch wie skandalumwittert, „Je t’aime… moi non plus“ aber wurde sein provokantestes Lied. Bei dem sich auch prompt nicht wenige Radiosender weigerten, es zu spielen, weil sie es für zu obszön hielten. Was dessen Popularität freilich nur steigerte. In wenigen Monaten hatte sich die Platte bereits eine Million Mal verkauft.
Mit Gainsbourg war Jane Birkin bis 1980 zusammen. In diesen zwölf Jahren nahmen sie viele Lieder gemeinsam auf. Aber Jane Birkin stand auf eigenen Füßen. Produzierte auch solo Alben. Und machte eine große Filmkarriere. Anfangs wurde sie noch auf ein Lolita-Image reduziert, aber das sollte sich bald ändern.
Vom Lolita-Image zur Charakterdarstellerin - und zur geschätzten Chanson-Interpretin
An einem Film lässt sich das exemplarisch ablesen: In „Das Böse unter der Sonne“, eine der vielen Agatha-Christie-Verfilmungen der 70er-Jahre, die nur so strotzen vor Spitzenstars, spielte sie ein vermeintlich graues, verhuschtes, verdrucktes Entlein, wie so oft in ihren frühen Filmen. Am Ende stellt sie sich als die eiskalt berechnende Mörderin heraus. Und hat einen letzten Auftritt in umwerfender Garderobe. Und großem Star-Abgang auf einer langen Treppe.
Ihr neuer Lebenspartner wurde der Regisseur Jacques Doillon. Sie spielte ab den 80er-Jahren auch in dessen Filmen, mit denen ihr der Sprung ins Charakterfach gelang. Gainsbourg aber blieb sie weiterhin eng verbunden. Der widmete ihr 1990 noch sein letztes Album, „Amour des feintes“. Nach seinem Tod ein Jahr später verkündete Jane Birkin zunächst das Ende ihrer musikalischen Karriere. Woran sie sich zur Freude der Fans dann jedoch nicht gehalten hat.
Lesen Sie auch: Harter Sparkurs: Berlinale streicht ein Drittel des Programms - und gleich zwei Sektionen
Jane Birkin drehte 95 Filme, darunter mit so namhaften Regisseuren wie Paul Morrissey, Michel Deville, Herbert Vessely, Alain Resnais, Jacques Rivette („Die schöne Querulantin“), Régis Wargnier oder Agnès Varda. Die widmete ihr schon 1988 einen ganz persönlichen Film: „Jane B. par Agnès V.“. Dem sollte vor zwei Jahren ein noch persönlicherer folgen: „Jane by Charlotte“.
Das persönlichste Birkin-Porträt stammt von ihrer eigenen Tochter, Charlotte Gainsbourg
Ein Dokumentarfilm von Birkins eigenen Tochter Charlotte Gainsbourg, die längst in die Fußstapfen der Mutter geschlüpft ist, als Schauspielerin wie als Sängerin, und ihr auch verblüffend ähnlich sieht. Dabei war die Mutter-Tochter-Beziehung nicht ganz einfach. „Das Ganze startete als eine Suche“, bekannte die Tochter denn auch, „und endete mit einer Liebesgeschichte“.
Erst durch ihre filmische Auseinandersetzung mit ihr habe sie die Mutter zum ersten Mal wirklich sehen können, habe sie überhaupt erst „verstanden, wer meine Mutter ist.“ Das wohl ehrlichste und persönlichste Porträt, das es über Jane Birkin gibt. Und das nun postum wie ein Testament wirkt.
Lesen Sie auch: So hat man ihn noch nie gesehen: Sylvester Stallone als Hahn im Korb mit seinen Frauen
Zuletzt hat Jane Birkin viel unter gesundheitlichen Problemen gelitten. Schon in ihren „Munkey Diaries“, einem Hybrid aus Autobiographie und Tagebüchern, das 2019 erschien, sprach sie offen von ihrem Kampf gegen Leukämie.
2023 wollte sie noch ein Konzert in Berlin geben. Doch das musste abgesagt werden
Im Herbst 2021 erlitt sie einen Hirnschlag, die Tour zu ihrem letzten, 2019 erschienenen Album „Oh Pardon… tu dormais“ musste sie deshalb verschieben. Ein letztes Mal wollte sie noch im März dieses Jahres nach Deutschland kommen, für Konzerte in München, Hamburg und Berlin. Aber auch diese mussten wegen gesundheitlicher Probleme abgesagt werden.
Nun ist sie gestorben. Bei sich zuhause. Aber ganz allein. In ihren Filmen, in ihren Chansons, in unsren Herzen aber wird sie weiter leben. Den Titel ihres berüchtigtsten Chansons müsste man jetzt eigentlich mal umtiteln: „Nous t’aimons… pour toujours“. Wir lieben dich, für immer.