Berlin. Die „Mission: Impossible“-Filme sind die ganz persönliche Bond-Reihe von Tom Cruise. Damit knackt er jetzt sogar einen 007-Rekord.

Action auf die Spitze getrieben – im wahrsten Sinn des Worts: In einem der wahnwitzigsten Adrenalinstöße des neuen „Mission: Impossible“-Films verfolgt Tom Cruise einen Zug per Motorrad. Aber zwischen ihm und dem Ziel bauen sich die französischen Alpen auf. Also düst er einfach quer die Berge rauf. Bis er auf einer Felsspitze steht. Vor ihm der Abgrund. Unter ihm ein enges Tal, durch das gleich der Zug fährt. Cruise fährt zurück. Aber nur ein Stück. Einer wie er gibt nicht auf. Er nimmt nur Anlauf. Um abzuheben.

Spektakuläre, unglaubliche Action gehört von jeher zu den „Mission: Impossible“- (kurz: m:i-) Filmen. Und wie immer hat Cruise die Stunts selbst gemacht. Nur die Absicherungen sind wegretuschiert. Mit jedem Teil aber treibt der Hollywoodstar, der am 3. Juli immerhin 61 wurde, die Marken in immer neue, schwindelerregende Höhen.

Seinen neuen Film schenkt der Star sich selbst: zu seinem 61. Geburtstag

Den jüngsten, Teil Sieben, „Dead Reckoning Teil 1“ – der eigentlich schon vor zwei Jahren hätte starten sollen, wegen Corona und anderen Produktionsbeschränkungen aber immer wieder verzögert wurde – schenkt er sich nun quasi selbst zum Geburtstag, er startet nur zehn Tage danach. Und auch dann wird er sich nicht zur Ruhe setzen. Teil 2 von Teil 7, also Film Nr. 8, ist bereits in Produktion.

Andere schielen beim Action- und Agentenkino ja gern auf James Bond. Und bringen sich als neuen 007 ins Gespräch. Tom Cruise aber hat vor fast 30 Jahren mit den „Mission: Impossible“-Filmen seine ganz eigene 007-Reihe entwickelt. Als Kinoadaption der berühmten 60er-Jahre-Fernsehserie, die bei uns „Kobra, übernehmen Sie“ hieß. Cruise, übernehmen Sie!

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Peter Graves, der Star der Serie, war 1996 beim ersten „m:i“-Film noch entsetzt. Weil die Serie ganz auf Teamgeist setzte, in der Kinoversion bis auf den von Cruise gespielten Ethan Hunt aber gleich am Anfang fast alle Teammitglieder ausgelöscht wurden – und der Böse ausgerechnet der einst von Graves gespielte Chef war. Das war Verrat am Original. Die ganze Idee wurde geopfert für die Profilierungsneurose eines Hollywoodstars.

Die Solotour ging dann nur einen Film so weiter. Allmählich wurde der Star doch teamfähig, seit Teil Fünf hat er sogar ein festes Team mit denselben Schauspielern: Neben Ving Rhames, Simon Pegg und Rebecca Ferguson kommt diesmal noch Hayley Atwell dazu, als Meisterdiebin, die versehentlich in das Geschehenhineingerät.

Die Serie war Kult: Doch Tom Cruise fand erst nach und nach zu dessen Ensemblegeist

Und in diesem Teil mit dem episch langen Titel „Mission: Impossible – Dead Reconing Teil 1“ versteigt Cruise/Hunt sich sogar zu einer Aussage, die die frühen Solonummern vergessen machen sollen: „Euer Leben“, sagt er seinem Team, „wird immer wichtiger für mich sein als mein eigenes.“ Schade, dass Graves das nicht mehr hören kann – er ist 2010 gestorben.

Anfangs hat Cruise noch mit wechselnden Top-Regisseuren gearbeitet, die sein Star-Image veredeln sollten: Brian De Palma, John Woo, J.J. Abrams. Seit Teil Fünf setzt Cruise aber auch hier auf Team und Kontinuität: mit seinem Leib- und Magenregisseur Christopher McQuarrie, mit dem er auch andere, ganz auf den Star konzipierte Vehikel wie „Operation: Walküre“, „Jack Reacher“ und zuletzt „Top Gun: Maverick“ konzipierte.

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Mit dem Motorrad geht es auf dieser Bergspitze nicht weiter. Es sei denn… Gleich wird Ethan Hunt über den Abgrund jagen.
Mit dem Motorrad geht es auf dieser Bergspitze nicht weiter. Es sei denn… Gleich wird Ethan Hunt über den Abgrund jagen. © Sykdance | Paramount

Mit seiner ganz persönlichen Bond-Reihe knackt Cruise jetzt auch den 007-Rekord. Den halten Roger Moore und Sean Connery, die je sieben Mal den Agenten mimten (Connery nur sechs Mal in der regulären Reihe und einmal als Konkurrenz, aber das ist eine andere Geschichte). Mit dem siebten „m:i“-Abenteuer ist Cruise nun mit ihnen gleichauf. Aber Teil 2 von „Dead Reckoning“ ist ja schon in der Produktion. Er wird sie also überholen.

Und mit seinem nimmermüden Einsatz macht der 61-Jährige auch die Diskussionen vergessen, die Moore & Connery bei ihren letzten Bond-Abenteuern ertragen mussten: dass sie (obwohl damals erst 58 bzw. 55) sichtlich zu alt für ihren Job waren. Cruise aber, der vor einem Jahr erst seinen legendären, 36 Jahre alten Part von „Top Gun“ wieder aufnahm und damit, wie es Steven Spielberg auf der Berlinale nannte, „das Kino gerettet hat“, macht immer weiter mit den selbstauferlegten Maximen: höher, schneller, wahnwitziger.

Adrenal im Stakkato: Action zu Lande, unter Wasser und in der Luft

So jagt auch in „Dead Reckoning“ ein Schauwert den nächsten. Das fängt bei den bildstarken Schauplätzen an: Von der eiskalten Beringsee geht es in Windeseile in die arabische Wüste, nach Norwegen, in die Alpen, nach Venedig und Rom. Dort brach Hunt in „m:i 3“ schon in den Vatikan ein, das wird nun getoppt durch eine spektakuläre Verfolgungsjagd quer durch die ewige Stadt. In einem winzigen Fiat, der sogar über eine der größten Touri-Hotspots, die Spanische Treppe, saust.

Auch Action folgt im Dauerakkord, zu Lande, unter Wasser und in der Luft. Gemäß dem alten „Jump and Run“-Motto der ersten Computerspiele muss Cruise dabei rennen, springen und fallen. Und schüttelt sich maximal Staub vom Anzug, wenn er wieder aufsteht. Nur das Landen auf einem Knie überlässt er den Comic-Kollegen des Marvel-Universums.

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„Euer Leben bedeutet mir mehr als mein eigenes“: Cruise (vorn) mit seinem Team Simon Pegg, Ving Rhames und Rebecca Ferguson (v.l.), hier auf dem Markusplatz von Venedig.
„Euer Leben bedeutet mir mehr als mein eigenes“: Cruise (vorn) mit seinem Team Simon Pegg, Ving Rhames und Rebecca Ferguson (v.l.), hier auf dem Markusplatz von Venedig. © Sykdance | Paramount

Auch was das Böse angeht, ist dieser siebte Film ganz auf der Höhe der Zeit. Denn es ist diesmal kein Superschurke, der die Welt vernichten will. Es ist eine Künstliche Intelligenz, die sich verselbstständigt, ständig neu hinzulernt und die ganze digitale Welt lahmlegen könnte. Entwickelt wurde es von den Russen (sic!), gesichert wird es in einem nicht zu ortenden U-Boot namens Sewastopol (nach der ukrainischen Hafenstadt auf der Krim!).

„Mission: Impossible“ 7 zitiert nicht nur Klassiker, sondern auch das eigene Universum

Aber gleich anfangs beschießt es selbst das U-Boot. Und nun sind alle hinter zwei Schlüsselhälften her, die zusammen allein das außer Kontrolle geratene System stoppen könnten. Dass es zwar jede Menge fiese Handlanger, aber keinen Oberschurken, gibt, ist erst mal gewöhnungsbedürftig. Bei der Angst und den ethischen Bedenken vor KI, die derzeit diskutiert werden, trifft dieser Film aber einen empfindlichen Nerv. Damit ist Cruises Action ganz up-to-date.

Die „m:i“-Filme haben inzwischen einen solchen Kultstatus und eine solche Coolness entwickelt, dass man sich auch ironisch jede Menge Zitate erlaubt. Auf Klassiker wie „Stirb langsam 2“, aber auch auf Bond – mit der Verfolgung im Fiat, das auf die im Citroën im 007-Film „In tödlicher Mission“ erinnert. Aber natürlich wird nicht nur einfach zitiert, sondern immer noch eins draufgesetzt.

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Neu dabei ist Hayley Atwell. Mit ihr wird Tom Cruise quer durch Rom gejagt - in einem kleinen, quietschgelben Fiat.
Neu dabei ist Hayley Atwell. Mit ihr wird Tom Cruise quer durch Rom gejagt - in einem kleinen, quietschgelben Fiat. © Sykdance | Paramount

Und dann zitiert „m:i 7“ vor allem auch sein eigenes Universum. Mit Kittridge (Henry Czerny) kehrt der CIA-Chef des allerersten „Mission: impossible“-Films zurück. Das Finale findet auch wieder in und auf einem Zug statt. Nur ist es diesmal kein Hochgeschwindigkeitsbahn, sondern der nostalgischste aller Züge: der Orientexpress.

Adrenalin pur: „Dead Reckoning Teil 1“ ist der Action-Film des Jahres

Und Cruise, so viel wollen wir doch verraten, wird auch wieder einen tragischen Verlust mittels eines Messers erleiden. Wie in Teil eins. Nur der Stecknadeltest, der Einbruch in eine eigentlich völlig einbruchssichere Anlage, die stets in der Mitte eines jeden „m:i“-Films stand, die fehlt hier. Wird aber garantiert im zweiten Teil nachgeholt.

Auf den aber wird man lange warten müssen. Er soll erst im Juni 2024 starten. Doch wenn der wieder genauso viel Nervenkitzel bietet, ist es ganz gut, wenn erst mal Pause ist. Denn diese atemberaubenden 163 Minuten sind Adrenalin pur. „Dead Reckoning Teil 1“, das dürfen wir jetzt schon prognostizieren, ist der Action-Film des Jahres. Und sein Star hat es längst bewiesen, beweist es aber immer weiter: Tom Cruise ist seine eigene Liga.

Actionfilm USA 2023, 163 min., von Christopher McQuarrie, mit Tom Cruise, Hayley Atwell, Rebecca Ferguson, Ving Rhames, Simon Pegg, Esai Morales, Henry Czerny, Vanessa Kirby