Hollywood/Hamburg. In den USA stehen die Kameras still. Der Chef der Moin Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein schätzt die Lage als dramatisch ein.

Das gab es seit mehr als sechs Jahrzehnten nicht: Nach den Drehbuchautorinnen und -autoren sind in den USA jetzt auch die in der Screen Actors Guild (SAG) organisierten Schauspielerinnen und Schauspieler in einen unbefristeten Streik getreten. Die Film- und Serienproduktion ist damit weitgehend lahmgelegt – was auch Auswirkungen in Deutschland haben dürfte.

Hollywood-Streik: Was bedeutet er für Deutschland?

Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen stehen Vergütungsregelungen und der Einsatz von künstlicher Intelligenz. Von der Schauspielergewerkschaft heißt es dazu, man wolle die Mitglieder vor Einkommensverlusten durch Inflation und sinkende Tantiemen für Wiederholungen bei der Ausstrahlung durch Streamingdienste wie Netflix, Amazon Prime oder Disney+ schützen. Zudem solle der KI-Einsatz geregelt werden, um zu verhindern, dass Produktionsfirmen bereits gedrehtes Material benutzen und damit – ohne Einsatz echter Schauspieler – weitere Szenen am Computer generieren. Vor allem kleinere Rollen, so die Befürchtung, könnten auf diese Weise wegfallen.

Öffentliche Unterstützung gab es für die zunächst allein streikenden Drehbuchschreiber bereits in den vergangenen Wochen durch Stars wie Meryl Streep, Jennifer Lawrence und Ben Stiller, doch nun erreicht die Auseinandersetzung eine neue Dimension: Schauspielerinnen und Schauspieler dürfen nach dem Streikbeschluss fortan weder vor der Kamera arbeiten, noch Werbeauftritte absolvieren oder auch nur Interviews zu ihren Projekten geben.

Filmpremieren werden kurzfristig abgesagt – auch in Deutschland

Das hat bereits jetzt Konsequenzen: Die Hollywoodstars Ryan Gosling und Margot Robbie haben kurzfristig die Teilnahme an der Deutschlandpremiere des „Barbie“-Films in Berlin abgesagt, und bei der Premiere des Films „Oppenheimer“ verließen in London Cillian Murphy, Emily Blunt und Matt Damon die Veranstaltung vorzeitig, um ihre Unterstützung für den Arbeitskampf zu demonstrieren. Die Produktion von beliebten Serien wie „Stranger Things“ ist gestoppt, auch Filmdrehs kommen zum Erliegen.

Matt Damon, Emily Blunt, Cillian Murphy und Florence Pugh (v. l.) bei der „Oppenheimer
Matt Damon, Emily Blunt, Cillian Murphy und Florence Pugh (v. l.) bei der „Oppenheimer"-Premiere in London, die auch schon vom Streik betroffen war. © dpa | Scott Garfitt

Helge Albers, Geschäftsführer der Moin Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, beobachtet die Ereignisse in den USA mit großem Interesse, sagt aber auch, dass ein solcher Arbeitskampf in Deutschland vermutlich nicht möglich wäre, weil der gewerkschaftliche Organisationsgrad hier deutlich schwächer sei als in den Vereinigten Staaten. In den USA kämen Filme in der Regel gar nicht zustande, wenn nicht bestimmte gewerkschaftliche Vorbedingungen erfüllt sind.

„Zudem werden bei uns die Verträge anders verhandelt. In Deutschland gibt es zum Beispiel gesetzgeberische Reglungen und Tarifverträge oder branchenübliche Honorarstandards. Man kann die Verhältnisse ohnehin nur schlecht vergleichen, weil bei uns – im Gegensatz zu den USA – eine Filmförderung existiert, die viele Rahmenbedingungen festlegt.“

Festivals mit hoher Filmpromi-Dichte stehen vor einem echten Problem

Da man selbst einen starken Fokus auf deutsche Produktionen habe, sei die Moin Filmförderung derzeit vom Streik und dessen Auswirkungen eher nicht betroffen. Vor Problemen stünden jedoch die kommenden großen Festivals in Venedig (30.8. bis 9.9.) und Toronto (7.9. bis 17.9.), sollten dort plötzlich keine großen US-Stars mehr über den roten Teppich laufen. „Das macht ja einen wesentlichen Teil ihrer Strahlkraft aus.“

Ansonsten sorgt sich Albers vor allem wegen der längerfristigen Konsequenzen der aktuellen Auseinandersetzung. „Es ist ein dramatischer Vorgang, wenn jetzt so stark auf die Bremse getreten wird“, sagt er. Der Kinomarkt sei derzeit immer noch dabei, sich von der Corona-Krise zu erholen, die zu einem massiven Publikumsschwund führte. „Wenn nun Produktionen gestoppt werden und irgendwann einfach Filme und Serien fehlen, wird die Lage perspektivisch noch schwieriger.“ Heißt: Wenn etwa die Blockbuster ausfallen, mit denen die Kinobetreiber kalkulieren, wird die Lage möglicherweise existenziell bedrohlich.

Hollywood-Streik: Marvel-Superhelden und „Avatar“-Fortsetzung verschoben

Tatsächlich habe einige große Firmen ihre geplanten Starts bereits nach hinten verlegt, unter anderem gilt das für die Marvel-Superheldenfilme „Captain America“ und „Blade“, aber auch für Disneys Realverfilmung des Animationshits „Moana“ und die geplanten „Avatar“-Fortsetzungen. Im Serienbereich sind unter anderem die Arbeiten an „Stranger Things“ (bei Netflix) und „Yellowjackets“ (bei Sky) gestoppt worden. Die in den USA sehr beliebten Late-Night-Shows von Moderatoren wie Jimmy Kimmel und John Oliver fallen wegen des Streiks der Drehbuchautoren bereits seit Anfang Mai komplett aus.

Fran Descher, Präsidentin der mächtigen Schauspiel-Gewerkschaft Screen Actors Guild und ehemaliger Serienstar („Die Nanny“), hat sich zuletzt mit einer klaren Botschaft an die Besitzer der großen Studios und Streamingdienste gewandt, die einzig von der Gier getrieben seien und sich nur für Börsenkurse interessierten: „Wir fordern Respekt und Ehre für unseren Anteil. Teilen Sie den Reichtum, denn ohne uns können Sie nicht existieren!“

Wer in diesem Arbeitskampf den längeren Atem hat, mag Helge Albers nicht prognostizieren, weiß aber: „Irgendwann tritt eine gewisse Ermüdung ein, dann blinzelt einer, und es wird wieder verhandelt.“ Film- und Serienfans in aller Welt hoffen, dass dieser Moment nicht zu lange auf sich warten lässt.