Der Film „Mit Liebe und Entschlossenheit“ von Claire Denis ist eine preisgekrönte Dreiecksgeschichte. Und wirkt doch prähistorisch.

Ein Film, der in der jüngsten Vergangenheit spielt und doch irgendwie prähistorisch wirkt: Die leidige Coronazeit mit all ihren Hygieneauflagen hat man ja so nachhaltig verdrängt, dass man die Protagonisten dieses Films nun mit Verwunderung in geschlossenen Räumen FFP2-Masken tragen sieht. Hat es das wirklich mal gegeben? Wie seltsam.

Aber ja, das hat es. Und es gab die Berlinale 2022, auf der dieser Film präsentiert wurde und den Silbernen Bären für die beste Regie gewann. Zur Erinnerung: Nach der zerzausten Corona-Berlinale 2021 fanden die Filmfestspiele im Jahr darauf mit reduziertem Programm und vorgezogener Preisverleihung statt, die inzwischen so rückstandslos verschwundene Maske war ein Alltagsutensil, das obsessive Händewaschen für jedermann Routine. Das damals auf der Leinwand zu sehen, belegte einen sehr aufmerksamen Blick auf die Gegenwart. Heute liegt über denselben Bildern schon eine sanfte Patina.

Eben noch Glück im Urlaub, dann kommen die Brüche im Alltag

Aber geht es hier nicht ohnehin um den Blick aufs Gestern, zur Not auch in verklärender Absicht? Was wir sehen, wirkt zunächst so ungebrochen schön und glücklich, dass man sofort nach Rissen Ausschau zu halten beginnt: Sara (Juliette Binoche) und Jean (Vincent Lindon) genießen ihre gemeinsame Zeit im Meer, ihre Blicke und Berührungen verraten eine vitale Lust aufeinander.

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Sie halten Händchen unter Wasser, sie umarmen sich, sie säuseln sich die üblichen Dinge ins Ohr. Die Brüche sind nicht da, sie kommen erst später, als das Paar nach Paris zurückgekehrt ist und die Farben des Urlaubsparadieses einer monochromen Graupalette gewichen sind.

Da nämlich taucht ein alter Bekannter, nein: ein alter Geliebter auf. Vor zehn Jahren war Sara noch mit François (Grégoire Colin) zusammen, Jeans bestem Freund. Der taucht nun wieder in beider Leben auf, weil er Jean einen Job anzubieten hat. Jean verbringt viel Zeit mit ihm, und auch bei Sara werden die alten Gefühle wieder wach. Da ist sie wieder mal, die klassische Dreieckskonstellation, wie man sie aus Frankreich seit Truffauts „Jules und Jim“ (1962) so zuverlässig geliefert bekommt wie Baguette und Rohmilchkäse.

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Für ihren Film gewann die französische Filmemacherin Claire Denis auf der vergangenen Berlinale den Silbernen Bären für die beste Regie.
Für ihren Film gewann die französische Filmemacherin Claire Denis auf der vergangenen Berlinale den Silbernen Bären für die beste Regie. © Getty Images | Andreas Rentz

Als Sara nun auch Zeit mit François zu verbringen beginnt, windet sich Jean in den Feuern einer Zwei-Fronten-Eifersucht, die er mit den Flammen cholerischer Ausbrüche zu lösen versucht. Das hat natürlich seinen schauspielerischen Reiz.

Mit Juliette Binoche und Vincent Lindon stehen ja zwei Urgesteine des französischen Kinos vor der Kamera – und bei letzterem ist man froh, ihn nach seinem Auftritt in Julia Ducournaus Horrorfilm „Titane“ wieder in alltäglichen Zusammenhängen beobachten zu können.

Viel Vertrauen hat auch seine Schattenseiten

Das Ensemble profitiert von der Routine der 77-jährigen Regisseurin Claire Denis, die mit den Hauptakteuren schon lange vertraut ist: Mit Vincent Lindon drehte sie 2002 das Liebesdrama „Vendredi soir“, Juliette Binoche ließ sie in „Meine schöne innere Sonne“ (2017) eine Malerin, in „High Life“ (2018) eine Ärztin an Bord eines Raumschiffs spielen.

So viel Vertrautheit hat wohl ihre Schattenseiten: Ihr neuester Film bleibt überraschungsarm, und Sara wirkt ihn ihrer Schwäche ein wenig wie aus der Zeit gefallen.

Drama, Frankreich 2022, 116 min., von Claire Denis, mit Juliette Binoche, Vincent Lindon, Grégoire Colin, Bulle Ogier