Hamburg. Nach den internen Streitigkeiten um die Ausrichtung der Bühne war Michael Lang monatelang krank. Nun kündigt er seine Rückkehr an.
„Hallo, ich bin der Neue und gleichzeitig der Alte.“ Als Michael Lang am Donnerstagvormittag auf die Studio-Bühne des Ohnsorg-Theaters tritt und die eingeladenen Journalisten begrüßt, wirkt sein Lächeln gewohnt verschmitzt. Wüsste man nicht um die Geschehnisse der vergangenen Monate, würde man ihm die Anspannung auf den ersten Blick gar nicht ansehen. Aber sie ist dann doch spürbar, die Vorbereitung auffallend akribisch, die Formulierungen besonders wohl überlegt, die Stimme betont fest.
Zweieinhalb Monate war der Intendant der Hamburger Traditionsbühne krankgeschrieben, Wochen, in denen sein Theater durch eine schwere Krise ging, seit auf der Mitgliederversammlung des Vereins Niederdeutsche Bühne Hamburg e. V. mit der Schauspielerin Sandra Keck überraschend eine neue Vereinsvorsitzende und Aufsichtsratsvorsitzende des Ohnsorg-Theaters gewählt wurde, während andere Aufsichtsratsmitglieder umgehend ihre Ämter niederlegten und auch der künstlerische Leiter Murat Yeginer seinen Rücktritt ankündigte. Von einem „Putsch“ war gar die Rede.
Ohnsorg-Intendant: „Ich bin wieder da und nehme meine Arbeit wieder auf“
Michael Lang nennt es lieber „die Turbulenzen“ – und setzt nun, zum Ende einer wahrlich turbulenten Spielzeit, ein unmissverständliches Signal: „Ich bin wieder da und nehme meine Arbeit wieder auf.“ Er habe sich gefreut, die Kolleginnen und Kollegen wiederzusehen, erklärt Lang, „und ich meine, gespürt zu haben, dass es den Allermeisten ebenso erging“. Ganz als „der Alte“ könne und wolle er jedoch nicht zurückkehren – was einerseits versöhnlich klingt, selbstkritisch, vor allem aber entschieden pragmatisch.
Den „Ruf nach Verbesserungen und Veränderungen“ habe er „sehr deutlich wahrgenommen“, sagt Lang, gemeinsam mit der Belegschaft, dem Betriebsrat und auch mit der professionellen Unterstützung unter anderem eines Mediators werde bereits aktiv nach Lösungen gesucht. „Ich glaube, dass ich in weiten Teilen der Belegschaft Vertrauen genieße und Rückhalt habe. Und wo ich das zwischenzeitlich verloren habe, werde ich es mir wieder neu erarbeiten müssen.“
Dass die Vorgänge rund um die aufreibende Mitgliederversammlung Ende April „nicht in Ordnung und nicht hanseatisch“ waren, so viel vorsichtige Wertung lässt Lang dann doch zu, allerdings mit einer entscheidenden, direkten Ergänzung: Darüber nämlich seien er und Sandra Keck sich einig. Lang erinnert an Stücke wie „Extrawurst“ oder „Frau Müller muss weg“, in denen er emotionale Parallelen sieht. Man habe sich inzwischen jedoch „verständigt, dass wir im Sinne des Theaters das Beste aus der Situation machen und unsere jeweiligen Aufgaben zum Wohle des Theaters wahrnehmen.“ Das Gespräch zwischen Sandra Keck und ihm sei „umgänglich und sachbezogen“ gewesen.
Ohnsorg-Theater: Die Ärzte hatten ihm eine sofortige Pause verordnet
Mit seiner eigenen gesundheitlichen Situation geht der Intendant transparent und reflektiert um. Die Ärzte hätten ihm, so Lang, eine sofortige Pause verordnet, nachdem es ihn „körperlich und mental umgehauen“ habe. „Nach drei Jahren Pandemie-bedingtem Daueralarm lief mein persönlicher Akku auf Reserve.“ Immer wieder habe er dennoch – stets in Sorge, dass das Theater ausgebremst werden könnte – sich „selbst überholt“. „Das hat alles wahnsinnige Kraft gekostet. Und möglicherweise habe ich zu oft die Gefahren betont und das Umfeld den Druck, unter dem ich als Verantwortlicher stand, zu stark spüren lassen.“
Es ist ihm sichtlich ein Bedürfnis, sich auch öffentlich zu bedanken, bei jenen, die in seiner Abwesenheit „das Schiff professionell gesteuert haben“, bei seinem Team, bei der Kulturbehörde, namentlich bei ehemaligen Aufsichtsratsmitgliedern wie Christian Breitzke, Eggert Voscherau, Christa Goetsch. „Für mich besonders verstörend war, dass der langjährige Vorsitzende, Dr. Christian Breitzke, einen Tritt erhalten hat, der eigentlich mir galt.“ Auch bei seiner Familie bedankt sich Lang ausdrücklich. Hier wird der Intendant persönlich, sein Sohn hat während der vergangenen Monate sein Abitur gemacht: „Das war für ihn keine ganz einfache Zeit.“
Das Ohnsorg-Theater verdankt seine Popularität den Fernsehaufzeichnungen mit Heidi Kabel
Vermischt wurden in der Diskussion, der öffentlichen wie auch der internen, bisweilen die Rolle des Aufsichtsrats und die inhaltliche, künstlerische Ausrichtung der Bühne. Auf die „Turbulenzen“ Ende April folgte eine Debatte über das Verhältnis zwischen Hochdeutsch und Plattdeutsch am Ohnsorg-Theater. Michael Lang ist diese Auseinandersetzung nicht fremd, sie sei „so alt wie das Theater“, das seine Popularität immerhin den Fernsehaufzeichnungen mit Heidi Kabel verdankt – nicht auf Plattdeutsch, sondern in einem norddeutsch eingefärbten Hochdeutsch.
Das Gespräch darüber wird auch in Zukunft geführt werden. Mit dem Intendanten. Mit dem Ensemble. Mit dem Publikum. Plattdeutsch, betont Lang, werde „immer im Zentrum unserer Arbeit“ stehen, werde „Alleinstellungsmerkmal bleiben“. Gleichzeitig gelte aber auch sein „Masterplan Vermittlung“: „Ich nehme mir die Freiheit, auch Dinge auszuprobieren – auch wenn sie auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen. Theater lebt immer auch von der Fantasie und dem Gestaltungswillen seiner Menschen.“ Wie genau die Zusammenarbeit mit Murat Yeginer künftig aussieht, dem Ohnsorg-Oberspielleiter, der nach der eigenen Rücktrittsankündigung seinen Vertrag in der kommenden Saison noch erfüllen will, lässt Michael Lang an diesem Vormittag zunächst offen. Wie sehr er Yeginer schätzt, ist allerdings kein Geheimnis.
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„Das war schon ein einschneidendes Ereignis für dieses Theater“, räumt Michael Lang resümierend ein, erinnert aber zugleich daran, dass in der Geschichte der Bühne immer wieder zum Teil heftig um den richtigen Weg gerungen worden sei. „Selbst Heidi Kabel ist mal abgetreten und wiedergekommen!“
Die erste Ohnsorg-Premiere nach der Sommerpause steht Ende August auf dem Spielplan, „Frau Bachmanns kleine Freuden“, eine Komödie. „Se hebbt sik ok ‘n asig vertracktes Profeschoon utsöcht“, heißt es darin an einer Stelle. Da habe sich einer aber eine ziemlich komplexe Profession ausgesucht.