Hamburg. Irgendwo zwischen Poesie, Google Translate und Meister Yoda: Jan Bosses Berliner „Sturm“ ist knalliger Shakespeare-Budenzauber.

Sturm? Von wegen. Die Nebelmaschine spuckt nur ein Fürzchen aus, die große Thalia-Bühne ist leer. „Ums Bühnenbild gehts heute wohl nicht“, gniggert ein Zuschauer des Hamburger Theaterfestivals im Parkett flüsternd. Wie sehr er sich da täuscht.

Der aufgeräumte Theaterraum und das spielerische Vorgeplänkel mit Spot-an-Spot-aus-Fingerschnippen zwischen dem Ex-Herzog Prospero und seinem Luftgeist Ariel dienen Bühnenbildner Stéphane Laimé nur dazu, den umso dramatischeren Effekt vorzubereiten: Mit Rumms knallen dicke Seile aus dem Schnürboden, als falle der Schnürboden selbst vom Himmel.

Theaterfestival Hamburg: Jan Bosses Shakespeare-„Sturm“, ein Gastspiel aus Berlin

Mal sind sie Schiffstakelage, mal Wurzelwerk, mal dienen sie als Inselwald, mal als Wrestling-Ring, sie werden zum Irrgarten, zur Schaukel, zur Schlangengrube. Jan Bosses Shakespeare-„Sturm“, ein Gastspiel des Deutschen Theaters aus Berlin, ist Budenzauber galore: Licht, Live-Musik, Drehbühne, ordentlich Nebel, noch mehr Kostüm.

Die Schiffbrüchigen und Insulaner wirken auf ihrer Zauberinsel wie frisch aus einer Bad-Taste-Selbsthilfegruppe entlaufen – schönstes Detail an Kathrin Plaths Kostümen sind die üppig behaarten Beine von Miranda. So schillernd schrullig wie dieser Haufen aussieht, so surreal kauderwelschig spricht er auch.

Shakespeare „Der Sturm“: Das Ensemble könnte ebenso gut Gibberisch sprechen

Neuübersetzer Jakob Nolte hat das alte Shakespeare-Englisch derart wörtlich übertragen, dass eine ganz eigene Kunstsprache dabei heraus kommt. Ein Wortsalat, der irgendwo zwischen Poesie, Google Translate und Meister Yoda flippert, teils faszinierend, teils verwirrend, teils irrsinnig nervig.

Aber eigentlich auch: bisschen egal. Für das Ensemble, das ebenso gut Gibberisch sprechen könnte, ist das Ganze eine Spielwiese, deren Möglichkeiten es ausgelassen ausreizt. Langhaarzottel Wolfram Koch – im regulären Thalia-Spielplan als ein anderer Shakespeare-Bosse-Herrscher, nämlich Lear, unterwegs – ist in dieser Seilschaft das etwas griesgrämige, etwas pathetische, aber souverän charismatische Zentrum.

Theaterfestival Hamburg: Stürmischer Applaus für meist kurzweilige Stunden Shakespeare

Linn Reusse, auf die man sich am Schauspielhaus unbedingt freuen kann, streut als Miranda gewinnbringend hier und da ein „Hä?“ ein und spielt eine gleichermaßen originelle und in ihrer Seltsamkeit wahrhaftige Liebesszene mit Ferdinand (Jeremy Mockridge).

Sowohl Reusse als auch Julia Windischbauer (Caliban) und Lorena Handschin (Ariel) kratzen auch musikalisch ausgesprochen glamourös und stimmstark am Gefühl: „Hell ist empty, all the devils are here...“ Stürmischer Applaus für zweieinhalb ausschweifende, dennoch meist kurzweilige Stunden Shakespeare-Zinnober.