Hamburg. Am Wochenende spielt Erobique im Stadtpark. Im Interview erzählt er, warum er sich früher oft nicht an eigene Konzerte erinnerte.
Carsten Meyer gehört zu den produktivsten Künstlern der Hamburger Szene. Der Münsterländer, Jahrgang 1972, tritt seit 1997 unter dem Namen Erobique mit improvisierter Tanzmusik auf. Seit 2000 lebt er in Hamburg, hat hier mit DJ Koze die Band International Pony gegründet, schreibt Film- und Theatermusik, hat die Soundtracks für den „Tatortreiniger“ komponiert und produziert und ist in weiteren Projekten u. a. mit Jacques Palminger kreativ.
Warum hat es 25 Jahre gedauert, bevor Sie wieder ein neues Album herausgebracht haben? Zu viel Produktionsstress?
Erobique: Das stimmt ja nicht ganz. Alle Alben, die ich sonst gemacht habe, also die „Tatortreiniger“-Soundtracks, ein Chanson-Album mit Yvon Jansen und Jacques Palminger oder die Hamburg-Spinners-Platte, die hatten alle eine Idee, und an der konnte man sich abarbeiten. Unter meinem Künstlernamen Erobique improvisiere ich auf der Bühne sehr viel. Vieles entsteht aus dem Dialog mit dem Publikum. Es ist schwierig, im Studio Party-Musik zu machen. Ich habe keinen Drang verspürt, daraus ein Album zu machen. „No.2“ habe ich jetzt gemacht, weil ich während der Corona-Zeit einige Soundtracks produziert und mit vielen Musikern und Musikerinnen zusammengearbeitet habe. Diese positive Erfahrung, mit anderen Leuten für die eigene Musik zu arbeiten, hat mich bewogen, „No. 2“ aufzunehmen.
Erobique: „Ich habe eine große Neugier, was Hintergründe von Musik und Produktion angeht“
Was war der Ausgangspunkt für die Tracks?
Ganz unterschiedlich. Man kann zu jedem Track eine Story erzählen. „Rave Dave“ und „Der Appegiator“ sind zum Beispiel in Berlin beim Elektroproduzenten Siriusmo entstanden. Die Basis sind Loops aus einer alten Heimorgel, die hier steht. Daraus hat er eine Art Techno-Sound gemacht.
Benutzen Sie bei „Springinsfeld“ eine Melodica?
Ja, die ist zu meinem Erkennungsinstrument geworden. Die Melodica ist bei Live-Auftritten der wichtigste Weg zum Publikum. Es ist ein tolles Instrument, eigentlich ein Kinderinstrument, das jeder spielen kann. Klingt manchmal wie Stevie Wonder auf einer Mundharmonika. Es ist eine Art Herzinstrument, das ich unbedingt auf der Platte haben wollte.
Ist Stevie Wonder ein Idol?
Ja, er ist der Beste. Ich habe viele musikalische Helden und Heldinnen in alle Richtungen. Stevie Wonder ist mir so nah, weil er neben seinen musikalischen Qualitäten so viel Liebe und Herzlichkeit ausstrahlt. Er steht für etwas – so wie die Beatles übrigens auch.
Erobique: „Etwas toll zu finden macht mehr Spaß, als etwas nicht gut zu finden“
Mit welcher Musik beschäftigen Sie sich außer Ihrer eigenen?
Ich bin, wie viele andere MusikerInnen auch, ein Nerd und Sammler. Ich komme aus einer Zeit, in der man sich darüber definiert hat, was man nicht mag. Ich gehe jetzt mit sehr viel offeneren Ohren durch die Welt. Etwas toll zu finden macht mehr Spaß, als etwas nicht gut zu finden. Ich habe eine große Neugier, was Hintergründe von Musik und Produktion angeht.
Sehr erfolgreich sind Ihre Konzerte, bei denen Sie zusammen mit dem Schlagzeuger Lucas Kochbeck spielen. Werden Sie im Stadtpark mit einer größeren Band auftreten, weil so viel Musiker auf dem Album dabei sind?
Wenn ich live spiele, möchte ich viel improvisieren, weil es mir sehr viel Freiheit gibt. Beim Stadtpark ist der Bläsersatz von „Verkackt“ dabei, der sonst bei Jan Delay spielt, Luis Baltes von Fünf Sterne Deluxe singt ein Lied, und es kommen noch ein paar andere Leute. Man muss sich verabreden und proben, und das lohnt sich für diese Auftritte. Aber es schränkt mich in meiner Improvisationsfreude auch ein. Und es ist einfach ein großer logistischer und finanzieller Aufwand, mit zehn MusikerInnen auf Tour zu gehen. Es ist toll und anstrengend gleichermaßen, deshalb mache ich das eher punktuell. In Hamburg geht das natürlich.
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Warum spielen Sie im Stadtpark?
Die Bühne dort ist großartig. Man spielt vor 3000 Leuten und sieht von der Bühne seine Nachbarschaft. Es ist dort sehr familiär und gemütlich, das mag ich.
Wie anstrengend sind diese Auftritte?
Das Adrenalin fährt hoch, man wird unmittelbar vor dem Auftritt müde, dann geht man raus und ist in einem anderen Film Ich lege mir ein paar Sachen zurecht, aber vieles passiert erst auf der Bühne. Früher konnte ich mich oft nicht erinnern, was ich gespielt habe. Deshalb schneide ich die Auftritte mit. Das Gehirn steht bei den Auftritten auf Durchzug. Es ist spannend, was Adrenalin mit einem macht.
Erobique Open Air Do 15.6., 19 Uhr, Schröders Garten, Lüneburg, Vor dem Roten Tore 72b; Sa 17.6., 19 Uhr, Stadtpark, Saarlandstraße