Hamburg. Im Kleinen Saal der Elbphilharmonie gab der russische Pianist beim Musikfest Hamburg ein Konzert voller Momente tiefer Verzweiflung.
Vielseitiger als Alexander Melnikov ist vermutlich kaum ein Pianist. Er spielt auf allen verfügbaren historischen Tasteninstrumenten bis zum modernen Flügel, auf seinem neuen Album „Fantasie“ sind es sieben verschiedene Instrumente.
Bei seinem Musikfest Hamburg-Gastspiel waren es nur zwei, darunter ein Cembalo. Im Fokus: der russisch-deutsche Komponist Alfred Schnittke, anlässlich seines 25. Todestages (3. August 1998). Schnittke lebte ab 1990 in Hamburg.
Alexander Melnikov: Konzert in der Elbphilharmonie kaum aushaltbar
Melinikov eröffnet sein Recital im kleinen Elbphilharmonie-Saal mit einem frühen Stück und drei Werken aus den 1990er-Jahren. Ob Improvisation und Fuge von 1965 oder die 3. Sonate, Fünf Aphorismen oder Drei Fragmente für Cembalo: Schnittkes Musik durchzieht die Spannung von schmerzvollen Dissonanzen sowie oft martialisch gehämmerten Rhythmen zu riesigen dynamischen Steigerungen und leisen, fast verlöschenden Passagen. Nicht selten verschwimmen die Klänge clusterartig.
Aber Alexander Melnikov hat unglaublich klare Vorstellungen über jede Klangabstufung. Er besitzt eine traumhaft facettenreiche Anschlags- und Artikulationspalette. So werden auch in vielschichtigsten Klangballungen melodische Konturen wahrnehmbar. Das Suchende, das Verzweifelte, das Aggressiv-Aufbegehrende vermittelt Melnikov mit kaum aushaltbarer Intensität. Da ist es ein wenig „entspannend“, dass er zu den Fünf Aphorismen ein paar moderierende Worte sagte.
Konzert in der Elbphilharmonie: Alexander Melnikov spielt großartig
Idee des Konzertes ist auch, Schnittkes russische Prägungen zu zeigen. Und zwar mit Werken von Sofia Gubaidulina (Chaconne) und Edison Denisov (Variationen) – beide sind nur wenig älter – sowie von Katia Tchemberdij, geboren 1960 (Kamni 1-7). Auch diese Musik ist extrem vielschichtig und dynamisch kontrastreich.
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Infernalischere Steigerungen als in Gubaidulinas Chaconne (1963) gibt es an diesem Abend nicht. Man hört bei ihr wie bei Schnittke einerseits die Auseinandersetzung mit barocken Formen, aber andererseits genauso mit dem damaligen Zeitgeist der seriellen Musik. Das gilt auch für Denisov. Die jüngere Katia Tchemberdij arbeitet in „Kamni“ dagegen mit präpariertem Klavier, unter anderem mit abgedämpften Saiten.
Großartig wie differenziert und spannungsvoll Melnikov diese komplexe Musik spielt!