Hamburg. Er ist mehr als nur der Pate des Britpop: Das mit ihm ergraute Publikum bejubelt Paul Weller in der Großen Freiheit.

1995 veröffentlichte Paul Weller den Song „The Changingman“. „Ich bin der Mann, der sich verändert“, heißt es da, „gebaut auf Treibsand.“ Bei seinem Konzert in der Großen Freiheit spielt Weller „The Changingman“ kurz vor Schluss, und vielleicht bringen diese Zeilen ganz gut auf den Punkt, was Weller da macht: Er verändert sich.

Weller mäandert, zwischen den Genres, zwischen den Stimmungen. Die häufige Charakterisierung Wellers als „Godfather of Britpop“ ist nicht ganz falsch, sie greift aber zu kurz. „Gebaut auf Treibsand“, das ist, was den am kommenden Donnerstag seinen 65. Geburtstag feiernden Engländer ausmacht.

Paul Weller in Hamburg: Herzergreifend croonender Griesgram

Für den Britpop sind zunächst Maxwell Farrington & LeSuper Homard zuständig – eine Rockband um den in der Bretagne lebenden Australier Farrington, der mit abgeklärtem Bariton einen voluminös-melancholischen Soundteppich ausbreitet. Um dann die Bühne für Weller zu bereiten, der nach dieser Eröffnung praktisch keine Erwartungen mehr erfüllen muss und von Song zu Song das Genre wechseln kann.

„The Attic“: Janglepop. „More“: sphärische Elemente mit Psych-Gitarren. „Fat Pop“: Elektrobeats. Der neue, bislang unveröffentlichte Song „Take“: Siebzigerjahre-Hardrock. Zwischendurch flicht Weller ein paar Songs seiner Band The Style Council ein, lässigen Sophisti-Pop aus den Achtzigern: „Shout To The Top“, Grandezza, Dekadenz.

Paul Weller in der Großen Freiheit: Stilistische Achterbahnfahrt

Solch eine stilistische Achterbahnfahrt freilich braucht eine Basis, ein Genre, auf das man zurückkommt, bevor man beginnt, zu zerfasern. Beim Auftritt in der Großen Freiheit ist das der Soul, ein Genre, das in Wellers Arbeit eigentlich ständig präsent ist, aber angesichts der Experimentierlust des „Changingman“ manchmal verschüttet wirkt. Hier freilich landet jeder Song nach einer Weile in den Soulharmonien.

Es stimmt ja: Weller ist ein toller Soulsänger, der herzergreifend leidend croonen kann. Und weil er Soul vor allem in seiner nordenglischen Variante versteht, passt das auch gut zu seiner knackig rockenden Band um den Leadgitarristen Steve Cradock.

Paul Weller in Hamburg: Querschnitt durch die britsche Popmusik

Ein Ruf, der Weller allerdings ebenfalls vorauseilt: der des Griesgrams. Der Musiker nimmt es der Menschheit regelmäßig übel, dass sich weder der Sozialismus noch ein halbwegs ordentliches Stilbewusstsein durchsetzen konnten, und manchmal spürt man das auch bei Konzerten.

In Hamburg aber scheint seine Stimmung mehr oder weniger umgänglich: Besonders mitteilsam ist er zwar nicht, meist beschränken sich seine Ansagen im schwer verständlichen Südlondoner Slang auf den Titel des nächsten Songs sowie darauf, dass er sich entschuldigt, nach knapp 50 Jahren im Geschäft immer noch kein Deutsch zu können, aber: Man nimmt, was man kriegen kann.

Und das – gemeinsam mit Weller ergraute – Publikum nimmt gerne. Es weiß ja, was es bekommt, nur eben nicht, in welcher Zusammensetzung: einen Querschnitt durch das, was die britische Popmusik der vergangenen Jahrzehnte ausmacht, mit Geschichtsbewusstsein, aber ohne Retroseligkeit. Großer Jubel.