Hamburg. Überragendes Konzert des Balthasar-Neumann-Chors und -Orchesters in der Laeiszhalle mit einer ganz besonderen Wohltat.

„Ratsch.“ Erschrockenes Schweigen. Wieder „ratsch“. Noch einmal Stille. Dann beginnt in aller Unschuld das Kopfthema von Beethovens „Eroica“ zu fließen. Dieser Kontrast ist gleichsam die Visitenkarte von Thomas Hengelbrock und seinem Balthasar-Neumann-Orchester.

Wie Gewehrschüsse schlagen die beiden ersten Akkorde in der Laeiszhalle ein, knochentrocken, ohne Atem, ohne klanglichen Hof, als wäre keine Zeit, sich mit Nebensächlichem aufzuhalten. Das kann sich nur trauen, wer weiß, dass ihm zugleich eine betörende Palette an Klangfarben zur Verfügung steht.

Konzert Laeiszhalle: Einblick in Beethovens Seelenleben

Mit jedem Ton glaubt man Einblick in Beethovens Seelenleben zu erhalten. Die Musik macht es sich nie gemütlich in den gesanglichen Idyllen, immer schleicht sich von irgendwo ein trippelndes crescendo an, unmerklich zunächst, und entfaltet eine Spannung bis zum Bersten. Wen der dissonante Tutti-Aufschrei im ersten Satz nicht erschüttert, der hat kein Herz im Leibe.

Zwischenzeitlich lässt Hengelbrock die Arme sinken und überlässt die Koordination seinem hochmotivierten, brillant disponierten Orchester. Da brennt nichts an, trotz der rasanten Tempi ist das Zusammenspiel perfekt bis in die kleinsten Notenwerte. Schon wenn im Untergrund des langsamen Satzes Pauke oder Kontrabässe grummeln, ist das ein Erlebnis. Wunderbare Solopassagen bläst der Hornist Ulrich Hübner. Dass ihm in dem gefürchteten Aufgang im Mittelteil des Scherzo Kiekser unterlaufen – geschenkt. Berufsrisiko.

Das Zusammenspiel ist perfekt bis in die kleinsten Notenwerte

Beethovens Sinfonien sind das Kernrepertoire schlechthin des Klassikbetriebs. Die Interpretation hat sich in den vergangenen Jahrzehnten weit von der sämigen, ausladenden Ästhetik der Karajan-Zeit entfernt; an deren Stelle hat sich weithin ein straffes, lebendiges Spiel durchgesetzt. Aber eine so dramatische, kompakte, bestürzende und dann wieder beglückende „Eroica“ ist noch einmal eine völlig andere Kategorie. Es ist eine Wohltat, wie aufmerksam das Publikum dabei ist. Niemand klatscht dazwischen. Allein der Gedanke wirkt an diesem Abend wie ein schlechter Witz aus einer anderen Galaxie.

Nach einem so aufwühlenden Erlebnis hätte man eigentlich schon genug damit zu tun, hinterherzufühlen und innerlich nachzulauschen. Doch nach der Pause folgen noch der Trauermarsch und das Requiem von Beethovens Zeitgenossen Cherubini. Erlesen gesungen vom Balthasar-Neumann-Chor und ebenso eskortiert, umschmeichelt, kontrastiert vom Orchester. Beethovens Verehrung für Cherubinis Requiem ist überliefert. Dennoch wirkt das Stück im Vergleich zur „Eroica“ trotz seiner feinen Machart und klanglichen Fantasie ein wenig statisch.

Konzert Laeiszhalle: Hengelbrock schickt Besucher mit Mendelssohn nach Hause

„In diesem finsteren c-Moll wollen wir Sie nicht nach Hause schicken“, sagt Hengelbrock und dirigiert als Zugabe das überirdisch Tröstliche „Denn er hat seinen Engeln befohlen“ aus dem „Elias“ von Mendelssohn. Da können Chor und Orchester noch einmal allen Schmelz entfalten. Ganz ohne „ratsch“.