Hamburg. Das französische Ensemble und Bratscher Antoine Tamestit harmonierten perfekt mit Quintetten von Mozart im Kleinen Saal.
Wenn ein Streichquartett mit einem Gast zusammenspielt, läuft das in den meisten Fällen gut bis sehr gut, manchmal auch hervorragend. Und dann gibt es noch die Kategorie Glücksfall: Wenn ein Weltklasse-Ensemble wie das Quatuor Ébène auf einen Bratscher wie Antoine Tamestit trifft, der nicht nur auf demselben Toplevel unterwegs ist, sondern schon lange zu den engsten Vertrauten gehört.
Seit bald 20 Jahren kennen sich die französischen Interpreten. Ihr Auftritt im Kleinen Saal der Elbphilharmonie beim Musikfest mit zwei späten Streichquintetten von Mozart bestärkte den Eindruck vom kürzlich erschienenen Album: dass man diese beiden Werke wahrscheinlich kaum schöner musizieren kann.
Elbphilharmonie Musikfest: Kammermusik auf Weltklasse-Niveau
Wobei, „schön“ trifft es nicht ganz. Da ist noch mehr als das. Es fühle sich an, wie mit guten Freunden über die wichtigen Dinge des Lebens zu sprechen, sagt Tamestit vor der Zugabe. Und genau das macht das Konzert so besonders. Das Gefühl, einem musikalischen Austausch über das Menschsein beizuwohnen.
Der Dialog zwischen erster Geige und Cello im C-Dur-Quintett durchlebt das Auf und Ab von Streit und Versöhnung. Die Instrumente fallen sich ins Wort, artikulieren konträre Gedanken, manchmal mit aggressivem Unterton, gehen dann aber doch aufeinander ein und finden schließlich wieder zusammen. Kammermusik als Schule der Empathie.
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Diese Idee spiegelt sich auch in der Körpersprache der vier Streicher und einer Streicherin. Sie neigen sich einander zu, wenn Mozart ihre Stimmen zusammenführt, halten Blickkontakt, reagieren auf feinste Regungen, bilden Allianzen. Alle fünf atmen gemeinsam, dehnen Spannungspausen oder kosten die Überraschungen des Komponisten aus – etwa, wenn er eine Harmonie abdunkelt, indem er die Bratschenstimme einen Halbton nach unten rückt.
Elbphilharmonie Musikfest: Das Menuett klingt ungewohnt schroff
Das Quatuor Ébène und Antoine Tamestit bleiben nicht sklavisch im Tempo; sie nehmen sich immer genau die Zeit, die nötig ist, um den ganzen Reichtum der Partitur zu genießen. Schon im C-Dur-Quartett ergründen sie eine unterschwellige Wehmut, die einen zu Tränen rühren kann.
Im zweiten Werk, in Mozarts Lieblingsklagetonart g-Moll, dringen sie endgültig in finstere Regionen des Ausdrucks vor. Das Menuett, eigentlich ja ein eleganter höfischer Tanz, klingt ungewohnt schroff. Harte Akzente schlagen dem Dreiertakt seine Schwerpunkte weg. Und das Adagio, mit Dämpfern gespielt, wirkt wie ein schmerzvoller Trauergesang. Ein Motiv der Bratsche klingt, als wäre es aus dem Grab geraunt. Puh.
Von dieser Seelenschwere muss sich die Musik erst mal erholen. Es dauert ein Weilchen, bis das Finale im Anschluss so richtig in Schwung findet. Wie die Ébènes und Tamestit erst nach und nach die Düsternis abstreifen und nicht – wie andere Ensembles – sofort einen heiteren Ton anschlagen: Das ist ein weiterer Beleg für den ganz eigenen Ton, aber auch für die außergewöhnliche Sensibilität dieser Gruppe, die über das Musikalische weit hinausreicht.