Hamburg. Heaven Can Wait: Populärer Ü-70-Chor zelebriert mit drei Shows im St. Pauli Theater zehnjähriges Bestehen. Ein Kinofilm folgt.

Eigentlich hatte Thomas Collien, findiger Besitzer und Betreiber des St. Pauli Theaters, folgende Idee: Warum nicht einmal frühere Varieté-Stars in einer Revue wieder zusammenbringen? Frei nach dem Motto „Aus Alt mach Neu“.

Als er sich aber über seinen aus den USA mitgebrachten Einfall mit Jan-Christof Scheibe („Zu viel Sex ist gar nicht gesund“, „Play-Boy“) austauschte, in Hamburg als Solo-Entertainer, Musiker, Schauspieler, Comedian, Theater- und Film-Komponist bekannt, kam den beiden eine andere (und wohl auch realistischere) Idee: das Singen von und mit alten Menschen.

St. Pauli Theater: Mit drei Shows feiert Hamburger Chor Geburtstag

Heaven Can Wait,der Name des Chores, war schnell geboren. Mit der in der Hansestadt lebenden Opernsängerin und Musical-Darstellerin Joanne Bell und Scheibes Mutter Evamarie standen die ersten Chormitglieder schon parat. „Die weiteren haben wir dann in einem Casting gefunden, ausgelöst durch einen Aufruf im Abendblatt“, erinnert sich der Gründer und Leiter. „Der Rest ist Geschichte.“

Und weil jene des Chores nun auch schon zehn Jahre alt ist, feiert das Ensemble von „Der Himmel kann warten“ Ende April mit gleich drei Shows im St. Pauli Theater seinen runden Geburtstag.

Heaven-Can-Wait-Chor-Motto: Trau keinem unter 70!

14 Mitglieder der Urbesetzung von 2013 zählen noch heute zu den 36 Frauen und Männern des Chores, hat Scheibe nachgerechnet, auch seine Mutter (87) und Joanne Bell (83) gehören dazu. Damals wie heute gilt: Trau keinem unter 70! Das ist das Mindestalter, um bei Heaven Can Wait einsteigen zu können. „Joanne ist wie ein guter Stürmer und schießt bei uns die Elfmeter“, wählt Scheibe (59) für sie einen Vergleich zum Fußball. „Sie ist jedoch auch ein Teamplayer und arbeitet mit nach hinten.“

Nicht alle haben eine solch fundierte Gesangsausbildung wie die gebürtige US-Amerikanerin Bell für das nach wie vor ungewöhnliche Repertoire eines Senioren-Chores. „Wir wollen Hits singen“, sagte sich Scheibe von Beginn an. Songs aus Pop und Rock, bei denen man das Gefühl habe, dass sie eine gewisse Beständigkeit behielten.

Auch Songs von Deichkind und von Tocotronic gehören zum Repertoire

„Viva La Vida“ von Coldplay ist – auch aufgrund des textlichen Hintergrunds – längst ein junger Klassiker von Heaven Can Wait. Trios vier Jahrzehnte altes schlichtes NDW-Lied „Da Da Da“ ist ebenso wenig totzukriegen, bei dessen Interpretation schlüpfen zwei Chormitglieder nun aber in die Rolle eines alten Ehepaares, erzählt Scheibe.

Dass der Chor nicht wie so viele andere einen Frauenüberschuss hat, darauf legt der Leiter wert. Lieder der Electro-Punk- und Hip-Hop-Combo Deichkind zählten schon vor vier Jahren beim „Still Alive“-Programm zum Repertoire des Chores. Und wie damals wird Heaven Can Wait bei den Geburtstagskonzerten von einer vierköpfigen Band mit Schlagzeug begleitet.

„Das Tolle ist, dass sich unsere Senioren bei vielen Songs selbst auf die Schippe nehmen“, meint Scheibe. Etwa beim neu einstudierten Lied „So schön kaputt“ der Berliner Fun-Punkband SDP. Auch „Ich will Teil einer Jugendbewegung sein“ der Hamburger Indie-Rocker Tocotronic hat der Chorleiter für das Jubiläumsprogramm neu arrangiert.

Chor-Seniorin Ruth Rupp gibt zum Geburtstag ein Comeback – mit 97

Manchmal sei es für seine Schäfchen schwieriger zu den Proben zu kommen, als die Proben selber zu absolvieren, so Scheibe. Er hat mit den Mitgliedern im Januar und Februar intensiv fürs Jubiläumsprogramm geübt. Und wenn beim Konzert die Scheinwerfer angehen, sei das für viele Mitglieder „wie eine kleine Wunderheilung“, meint Scheibe schmunzelnd.

Gilt auch für die Chor-Seniorin Ruth Rupp. Die 97-Jährige wird für den Chor-Geburtstag noch mal ein Comeback geben und musikalisch „Die perfekte Welle“ reiten. Denn eigentlich hat sich die Künstlerin in den Ruhestand verabschiedet. Wie vor ihr manche Jüngere, die sich mehr um ihre Enkel kümmern wollten oder inzwischen ihren Altersruhesitz im sonnigen Ausland genießen.

Chor-Geschichte ist filmreif: „Heaven Can Wait – Wir leben jetzt“ im Kino

Jan-Christof Scheibe jedoch möchte weiterhin „junge Kultur für ältere Leute“ entwickeln. Aus diesem Grund hat er unlängst die Heaven-Can-Wait-Akademie gegründet für Menschen im „Unruhestand“. In den Räumen der Task-Schauspielschule (über dem Theater Neuen Flora) in Altona-Nord bietet er Kurse in Schauspiel, Bewegung und Schreiben an – Stichwort Poetry-Slam. Nebenbei: Aus seiner Akademie möchte er wiederum „Nachwuchs“ für den Chor gewinnen.

Der hat sich – Peinlichkeiten bei den allerersten Auftritten zum Trotz – längst ein Publikum aus drei Generationen ersungen, erspielt und erobert. Die Geschichte des Chores ist mittlerweile filmreif: Unter dem Titel „Heaven Can Wait – Wir leben jetzt“ wird eine Dokumentation am 7. September bundesweit in den Kinos starten. Regisseur Sven Halfar, der bereits die Geschichte der Ost-Band Silly verfilmt hatte, hat sich in seinem Film auf sechs Persönlichkeiten konzentriert, die die Vielfalt des Chores widerspiegeln sollen.

St. Pauli Theater: Dreitägige Geburtstagsfeier mit den Sängern geplant

Nachdem die Langzeitdreharbeiten erst Ende vorigen Jahres beendet wurden, musste die für Februar bei der Berlinale geplante Weltpremiere noch einmal verschoben werden. Der Film, unter anderem gefördert von der Moin Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein und dem NDR, läuft nun erstmals am 4. Mai beim Dok.fest München auf großer Leinwand. Die dreitägige Geburtstagsfeier aber steigt im St. Pauli Theater mit den leibhaftigen Sängerinnen und Sängern.

Heaven Can Wait: „Best of 10 Jahre & neue Songs“ Do 27.4., Sa 29.4., jew. 19.30, So 30.4., 18.00, St. Pauli Theater (S Reeperbahn), Spielbudenplatz 29/30, Karten zu 37,90 und 46.90 in der Hamburger-Abendblatt-Geschäftsstelle, Gr. Burstah 18–32, Ticket-Hotline T. 30 30 98 98; www.st-pauli-theater.de