Hamburg. Der Streik am Hamburger Flughafen bringt die Tournee-Planung des Philharmonischen Staatsorchesters durcheinander.
„Ich war noch niemals in New York“, sang Udo Jürgens durchaus vorfreudig, als es über den Großen Teich gehen sollte. Beim Philharmonischen Staatsorchester Hamburg würde diese Schlagerzeile gerade weniger eindeutig klingen. Denn pünktlich zu einem wichtigen Anreisetag für den allerersten Auftritt in der New Yorker Carnegie Hall in der knapp 200-jährigen Geschichte des Orchesters wurde ein lahmlegender Streik für den Hamburger Flughafen angekündigt.
Ein Teil des Orchesters – knapp 20 Personen – sollte eigentlich am morgigen Donnerstag über London in die USA fliegen, während das Gros des Ensembles entweder schon vor Ort sein wird oder plant, halbwegs parallel aus Frankfurt abzureisen. Dort teilt sich die Reisegruppe auch noch: Ein Teil fliegt über London, ein anderer über Helsinki.
Ob das alles gelingt und alle am Donnerstag passend ihre British-Airways-Flieger mit dem Endziel Newark besteigen können? Unklar. Denn neben dem Hamburger Airport werden am Donnerstag auch die Flughäfen in Köln/Bonn und Düsseldorf bestreikt, dazu kommt der für Freitag angekündigte Streik der Bahn. Schlechter könnte das Timing für eine Transatlantikreise kaum sein. Künstlerische Betriebsbüros, die für Opernhäuser und Orchester die Logistik planen, sind zwar diese und ähnliche Last-minute-Katastrophen gewohnt, doch in diesem Fall sind die Herausforderungen besonders knifflig.
Philharmoniker: Wie es das Orchester trotz Streiks nach New York schaffen will
Der Grund für diese Doppelstrategie der Anreise: Vor dem Auftritt in New York hatten die Philharmoniker mehrere Konzerte im Süden Deutschlands im Terminplan. Am Dienstag wurde in der Münchner Isarphilharmonie gespielt, am Mittwoch im Mannheimer Rosengarten – allerdings mit anderem Programm und kleinerer Besetzung. Für die Carnegie Hall jedoch ist an diesem Sonnabend die Uraufführung eines personalintensiven Orchesterwerks des US-Amerikaners Sam Shepard geplant: „An einem klaren Tag – On A Clear Day“ nach einem Gedichtzyklus der Hamburger Autorin Ulla Hahn, mit dem Cellisten Jan Vogler als Solisten und mehreren Chören, darunter die Alsterspatzen, die Audi-Jugendchorakademie sowie Mitglieder des Dresdner Kreuzchors.
Als Umrahmung kommen Werke von Brahms und Beethoven dazu. Die Größenordnung dieser Konzertreise geht schon rein personell über das Ausmaß einer handelsüblichen Klassenfahrt weit hinaus: Unterwegs sind 89 Orchestermitglieder mitsamt Chefdirigent und Solist, 70 Sängerinnen und Sänger der Jugendchorakademie (aus München abreisend), fünf Kreuzianer aus Dresden, fünf Alsterspatzen und 20 Mitglieder vom „Young ClassX Ensemble“ machen sich von Hamburg aus auf den Weg Richtung Big Apple.
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Am 28. April, eine Woche nach diesem Premierentermin, wird Shepards Stück, erneut unter der musikalischen Leitung von Generalmusikdirektor Kent Nagano, in der Elbphilharmonie das diesjährige Musikfest eröffnen, wiederholt wird es dort am 30. April. Dritte Runde: ein Gastspiel am 5. Mai bei den Dresdner Musikfestspielen.
Philharmoniker: Der letzte New-York-Auftritt war 1967
Wie könnte man also jetzt trotzdem pünktlich und vollständig nach New York kommen? Momentan sollte die Reise nicht am Donnerstagnachmittag am Hamburger Flughafen beginnen, sondern mit einer Zugfahrt morgens nach Berlin. Vom BER aus könnte es mit einem anderen Flug nach London gehen, um dort die ursprünglich vorgesehene Maschine nach New York zu erreichen. Viele eher unschöne Konjunktive. Der bislang letzte New-York-Auftritt der Philharmoniker – allerdings in ihrer Funktion als Staatsopern-Orchester – datiert auf das Jahr 1967. Damals hatte Intendant Rolf Liebermann die Metropolitan Opera für zehn Tage gemietet, um sein Hamburger Opernhaus-Erfolgsrezept zu präsentieren.
Ein auch nicht unproblematischer Nebenschauplatz bei solchen Unternehmungen ist der Transport der empfindlichen Instrumente. Nach dem Konzert in Mannheim wird alles transportsicher eingeladen und an eine Fachfirma übergeben; die bringt die Instrumente ins belgische Lüttich, von dort aus werden sie als Fracht in die USA geflogen.
Ausnahme sind einige der besonders wertvollen Streichinstrumente – Teil des Philharmoniker-Bestands sind auch einige Stradivari-Geigen, von denen trennt sich niemand ihrer Bezugspersonen, um sie erst nach dem Flug wiederzusehen, die sind im Passagierraum mit dabei. „Man lernt, dass man nicht mehr die Nerven verliert“, berichtete Orchesterdirektorin Barbara Fasching über die akut aufgetauchten Probleme diese Tournee und ihre Arbeit damit, „Ich gehe davon aus, dass alles morgen glatt über die Bühne gehen wird und dass wir alle fröhlich in New York landen werden.“
Es gehe immer noch schlimmer und schweißtreibender in ihrer Branche. In China habe sie einmal 150 Flüge per SMS umgebucht. Einen Plan B, falls es trotzdem mit der Anreise aus Hamburg via Berlin haken sollte, hat Fasching deswegen sofort als Idee parat: Einen Tag später fliegen, dann würden diese Nachzügler zwar eine Probe vor Ort verpassen, es gebe aber immer noch die Generalprobe am Tag des Konzerts.
Die Choristen seien bereits auf dem Weg, aus Hamburg kommen neben Schlagzeugern vor allem dritte Bläser nachgereist, die erst für die großformatige Uraufführung gebraucht werden und bei den Süddeutschland-Programmen nicht notwendig waren. Und überhaupt, in ihrem Job müsse man immer auch bereit sein für einen Plan C bis Z.