Hamburg. 1948 begründete Helmuth Gmelin an der Alster diese Form. Das ausgezeichnete Theater das (!) Zimmer in Horn entwickelt sie heute weiter.

Kein Vorhang, keine Rampe, ganz dicht am Publikum – mit diesem Prinzip kreierte Helmuth Gmelin 1948 eine neue Theaterform: das Zimmertheater. In Hamburg – und in ganz Deutschland. Anfangs ließ er in seiner Wohnung in Harvestehude spielen, von 1952 an dann in der bis heute markanten weißen klassizistischen Villa an der Alsterchaussee, dem Theater im Zimmer. Nach seinem Tod 1959 führte es seine Tochter weiter, die Schauspielerin und Direktorin Gerda Gmelin. Doch seit einem Jahr, nach der Wiederaufnahme von „Die Turing-Maschine“, ruht in der Villa wieder der ohnehin unregelmäßige Spielbetrieb.

Da in dieser März-Woche nun das 75. Jubiläum vom Zimmertheater ansteht, nimmt das Theater das Zimmer in Horn mit Christian Friedrich Hebbels selten aufgeführter „Maria Magdalena“, einem Plädoyer für die Selbstbestimmung der Frau, exakt jenes Stück auf den Spielplan, mit dem Gmelin 1948 begonnen hatte. „Wir führen die klassische Idee von Helmuth Gmelin fort, deshalb haben wir auch diesen Namen bei der Gründung 2014 für uns gewählt. Er ist Programm“, erläutert Lars Ceglecki, Regisseur und Co-Intendant vom Theater das Zimmer, das maximal 40 Plätze bietet.

Damals war das Theater im Zimmer schon ein Jahrzehnt lang geschlossen; es wurde erst 2015 von der Familie Kunicki, Eigentümerin der Villa an der Alster, und dem wenige Monate später verstorbenen ehemaligen Ernst-Deutsch-Theater-Chefdramaturgen Hans-Peter Kurr wiederbelebt.

Das Zimmer plant mit über 100 Vorstellungen

Mit immerhin 134 geplanten Vorstellungen, in der Regel mittwochs bis sonntags. möchten Ceglecki und Partnerin Sandra Kiefer, bei neun Premieren in dieser Spielzeit das Genre Zimmertheater im ehemaligen Ladenlokal in Horn stetig weiterentwickeln. Anfangs hätten er und Kiefer sowie Konstanze Ullmer, Chefin vom Hamburger Sprechwerk, noch die Intendantin Martha Kunicki vom Theater im Zimmer mit Rat und Tat unterstützt, inzwischen gehe jeder seinen eigenen Weg, Verwechslungen beim geneigten und interessierten Bühnenpublikum mit dem inzwischen doppelt ausgezeichneten Theater das Zimmer (Barbara-Kisseler-Preis und Rolf-Mares-Preis 2022), haben inzwischen Seltenheitswert.

Allenfalls für Events oder Hochzeiten steht das Theater im Zimmer laut Website derzeit weiter zur Verfügung. Auf Abendblatt-Nachfrage sagte Martha Kunicki, sie plane für die nächste Spielzeit ein Projekt, das sich mit Theater und Künstlicher Intelligenz beschäftige.

Daneben haben die Feinen Künste mit Leiter Jens Paarmann eine Nische gefunden. Der Regisseur (Rolf-Mares-Preisträger 2006) nennt seinen 2017 eröffneten Kulturbetrieb in einem ehemaligen Barmbeker Friseursalon an der Dehnhaide noch anders. „Vielleicht wäre Atelier-Theater eine treffendere Bezeichnung. Ein-Raum-Theater klingt ein wenig förmlich“, sagt Paarmann. „Bei Zimmertheater denke ich tatsächlich eher an ein ehemals alsternahes Salonzimmer...“

Zur Sommerpause soll ein selbstentwickeltes Stück gespielt werden

In jedem Fall wollen seine Feinen Künste dem Theater das Zimmer den Rang des kleinsten Theaters Hamburgs nicht streitig machen, zumal die Kollegen dort dies ja als Alleinstellungsmerkmal hervorheben, meint Paarmann. „Atelier-Theater“ treffe es insofern, „da viele unserer künstlerischen Produktionen in ihrer Gesamtheit vor Ort entstehen, von der Idee-Entwicklung übers gemeinsame Schreiben und Proben bis zu den Aufführungen.“ Mit zum Team gehört mittlerweile die Schauspielerin und Sängerin Kyra Aleen Kröger.

In der Saison 2022/23 sind es bisher vier Veranstaltungen bei Feine Künste , darunter zwei Theaterproduktionen, zuletzt mit dem auch in Horn gut bekannten Schauspieler Oliver Törner in „Das letzte Band“. Bis zur Sommerpause wollen Paarmann und Co. noch ein selbstentwickeltes Stück präsentieren.

Inzwischen gibt es einige Zimmertheater in ganz Deutschland. Die in Tübingen, Rottweil und Heidelberg zählen, so Kenner der Szene, zu den bekanntesten und erfolgreichsten hierzulande.

75 Jahre Zimmertheater: „Maria Magdalena“ Premiere Mi 22.3., 20.00, bis 2.4., Theater das Zimmer, Washingtonallee 42, Karten zu 22,-/erm. 15,- unter T. 65 99 11 68; www.theater-das-zimmer.de