Hamburg. Am Vorabend ihres Geburtstages spielte Barbara Nüsse am St. Pauli Theater, am Sonnabend wird sie am Thalia gefeiert.

Ein bisschen ist es wie auf einem Familientreffen. Auf der Bühne des St. Pauli Theaters – vor allem aber auch davor. Es ist die erste von gleich zwei offiziellen Geburtstagsfeiern, die dieser Tage in Hamburg eine echte Ausnahme-Schauspielerin ehren: Barbara Nüsse wird 80. „Also, erstmal wollnwa uns doch ‘n bisschen amüsieren, guter Gott“, heißt es da gleich zu Beginn an einer Stelle, und das ist nun wirklich keine Schwierigkeit.

Im Publikum sitzen viele Freunde und Weggefährten dieser zierlich-zähen Spielerin, Hannelore Hoger ist da, das halbe Thalia Theater ist an den Spielbudenplatz gekommen, Lisa Hagmeister, Mirko Kreibich, Karin Neuhäuser, natürlich auch Jette Steckel, mit der Barbara Nüsse in den vergangenen Jahren zahlreiche wegweisende Inszenierungen gemacht hat.

Barbara Nüsse: Diese "Pippi Langstrumpf" wird 80

Eine davon – die „Pippi Langstrumpf“, in der die Nüsse am Thalia die Titelrolle spielt – wird an diesem Sonnabend dann am Alstertor auf dem Programm stehen, bevor Barbara Nüsse dort die Ehrenmitgliedschaft ihrer aktuellen Heimatbühne (man muss das so betonen, denn sie hat ja an allen großen und mittelgroßen Hamburger Theatern gespielt) verliehen wird.

Aber zunächst wird auf dem Kiez ausführlich hineingefeiert, und da muss auch Kampnagel im Parkett gut vertreten sein. Schließlich steht Barbara Nüsse auch für eine Zeit und eine Inszenierung, die der Kulturfabrik einst den Start von der Übergangsbühne zur festen Spielstätte der Freien Szene sehr erleichtert hat – weil ihre Auftritte so irrsinnig gut verkauft waren. In Hamburg und europaweit. Barbara Nüsse war Mitte der 1980er-Jahre eine legendäre Molly Bloom in „Penelope“, der James-Joyce-Übersetzer Hans Wollschläger hatte ihr damals nach einer Vorstellung ganz beglückt zugerufen: „Barbara, Sie müssen das spielen, bis Sie 80 sind! Und immer in dem schönen roten Kleid.“

An diesem Abend mischt sich alles

Da steht sie nun also, am Vorabend ihres 80. Geburtstages, in der knallroten Robe und spricht noch einmal diesen Wahnsinnstext und schaut sich selbst beim Sprechen und Spielen zu. Denn Ulrich Waller, der die „Penelope“ 1986 inszeniert hatte, verschränkt den Auftritt in der Neueinrichtung mit der NDR-Aufzeichnung von damals. Und so mischt sich an diesem Abend plötzlich alles: die Hamburger Theatergeschichte, die Verbeugung vor einer hinreißenden Schauspielerin, ein ganzes Leben, das in den gespielten Theaterrollen seinen Widerhall findet und nicht zuletzt die Möglichkeit des Alterns in Schönheit und Witz und Öffentlichkeit.

Thalia Theater: Barbara Nüsse wird 80 – und spielt und spielt und spielt

„Ich hab natürlich auch wieder geheult“, gesteht Ulrich Waller, als er nach der Vorstellung die weiteren Gäste ansagt. Denn es ist ja ihr Geburtstag, da wäre es nun wirklich ungerecht, wenn nur die Jubilarin arbeiten müsste. Wobei sie das mit Kraft und Grandezza und dieser verblüffenden gleichzeitigen Transparenz ganz offensichtlich immer noch ausgesprochen gern tut: Mit sieben laufenden Produktionen steht Ensemblemitglied Barbara Nüsse im aktuellen Thalia-Spielplan, wie der Theaterkritiker Michael Laages in seiner zärtlichen Hommage noch einmal erinnert. Literarische und musikalische Ständchen bekommt sie außerdem von Karin Neuhäuser, Peter Franke, Gerhard Garbers, George Meyer-Goll und (per Video-Botschaft) Burghart Klaußner.

Und wer nun an diesem Wochenende noch einmal die „Pippi Langstrumpf“ am Thalia Theater anschaut, der wird sich an die belebende Wirksamkeit von Pippis berühmten Krummeluspillen erinnern. Wie sonst ist es nur möglich, dass ein 80 Jahre altes Mädchen so ganz und gar kein Widerspruch ist? Es spielt und spielt und spielt.

Wie schön, dass wir dabei zuschauen dürfen.

„Pippi Langstrumpf“ am Thalia Theater, Sa 18.2., 18 Uhr, Sonderpreise für Familien, Karten unter T. 328 14-444 und www.thalia-theater.de