Hamburg. Der Förderkreis der Hamburger Kunsthalle ist der größte für ein Museum mit bildender Kunst in Deutschland – ein Grund zum Feiern.

„In einer Zeit schwerster wirtschaftlicher Erschütterung wollen wir unserer Bevölkerung Stunden der Erbauung, Belehrung und des geistigen Genusses bereiten.“ Ein Satz, der aus dem Krisenjahr der Weimarer Republik 1923 stammt, als Arbeiteraufstände, Ruhrkrise und Hyperinflation herrschten. Der aber ebenso auf Kunst und Kultur gemünzt in unserer von Krieg, Energiekrise und Klimakatastrophen geprägten Zeit höchst aktuell erscheint. Gesagt hat ihn Gustav Pauli vor 100 Jahren, als er eine kleine, feine Gesellschaft engagierter Hamburger in den Vortragssaal der Kunsthalle lud und dort den Grundstein für die „Freunde der Kunsthalle“ legte“. Aus dem elitären Zirkel ist heute mit 18.000 Mitgliedern der größte Förderkreis eines Kunstmuseums in Deutschland geworden. Dieser feiert am Donnerstag mit einem Senatsempfang im Rathaus sein 100. Jubiläum.

„Warum haben Sie nicht 20.000 Mitglieder?“, wurde Ekkehard Nümann 2019 von Alexander Klar gefragt, als dieser sein Amt als Direktor antrat. Manch einer wäre wahrscheinlich beleidigt, wenn ihm „der Neue“, anstatt auf die Schulter zu klopfen, die Messlatte höher legt. Doch nicht Nümann. „Gleich bei unserer ersten Begegnung war klar, wohin die Reise geht“, erzählt der Vorstandsvorsitzende der Freunde mit seiner ihm eigenen verschmitzten Art. „Ich mag diese Energie und das Zupackende von Alexander Klar. Wir haben daraus gleich unsere Kampagne zur Mitgliederwerbung entwickelt: „Freundschaft ist unbezahlbar, wobei das ,un‘ durchgestrichen ist.“ Was es in der Tat ist: Der jährliche Beitrag beläuft sich auf lediglich 75 Euro.

Kunsthalle Hamburg: Der Freundeskreis ist nicht nur teuer, sondern auch finanzkräftig

Der 77 Jahre alte Jurist hat so manchen Direktor erlebt: Seit 1982 ist er im Vorstand der „Freunde“, seit 1989 ist er deren Vorstandsvorsitzender. Natürlich habe es auch ab und an mal Meinungsverschiedenheiten gegeben, diese habe er stets „spaßig genommen“ und sich, statt sich zu ärgern, auf die jeweiligen Stärken des Museumsleiters konzentriert. So schätzte er die großartige Fachkenntnis von Werner Hofmann, die außergewöhnlichen Ausstellungen unter Uwe M. Schneede und Hubertus Gaßner sowie die kultivierte und angenehme Art Christoph Martin Vogtherrs.

Oft hat Ekkehard Nümann wahrscheinlich auch einfach „sein eigenes Süppchen gekocht“. Er weiß um sein Standing. Denn der Freundeskreis ist nicht nur ein sehr treuer, sondern auch ein finanzkräftiger. Allein in den vergangenen zehn Jahren wurde die Kunsthalle mit fast fünf Millionen Euro aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden der „Freunde“ unterstützt. Zahlreiche Ausstellungen wie aktuell „Femme Fatale. Blick – Macht – Gender“ inklusive dazugehöriger Publikationen konnten dadurch gefördert werden.

Neben der Finanzierung von Bestandskatalogen mit bisher mehr als 550.000 Euro und der „Kleinen Reihe“, die sich bisher in 75 Bänden mit Werken oder Werkkomplexen aus der Sammlung der Kunsthalle befasst, fördern die „Freunde“ das „Gustav-Pauli-Volontariat“, eine wissenschaftliche Ausbildung für junge Menschen, die sich mit Fragen des Sammelns, Bewahrens, Erforschens, Ausstellens und Vermittelns, zunehmend aber auch mit Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit, des Fundraisings oder des Museumsmanagements beschäftigt. Außerdem wurden im Laufe der Zeit mehr als 100 Kunstwerke für die Kunsthalle, darunter bedeutende Arbeiten von Georg Baselitz, Sigmar Polke und Anita Rée, erworben. Er selbst habe dafür gesorgt, dass der Verein eine „vernünftige Binnenstruktur inklusive Geschäftsführung erhält“, sagt Nümann.

Heute gibt es die „Young Friends“ sogar in Südamerika

Aus der reinen „Männergesellschaft“ ist mittlerweile „ein paritätisch von Frauen und Männern besetzter Vorstand“ geworden; „mit zwei Töchtern wird man für dieses Thema sensibel“. Ansonsten sei „Kontinuität“ das Erfolgsrezept des Förderkreises: Als das Museum von Juli 2014 bis ­April 2016 wegen umfangreicher Sanierungen teilweise schließen musste, hatte er die Idee, mit dem „Freunde“-Magazin die Mitglieder bei der Stange zu halten. Seine Idee, mit Gründung der Galerie der Gegenwart auch kunstbegeisterte 20- bis 30-Jährige zu umwerben („Bei der ersten Party spielte eine Live-Band, das war revolutionär für die Kunsthalle!“), war so erfolgreich, dass viele europäische Länder sie übernahmen; heute gibt es die „Young Friends“ sogar in Südamerika.

Natürlich hat Nümann auch im Jubiläumsjahr eine besondere Idee verwirklicht: Das liebevoll und hochwertig gestaltete Buch „Freunde der Kunsthalle 1923–2023. 100 Jahre für die Kunst“ vereint Beiträge von befreundeten Institutionen und Direktoren der Hamburger Kunsthalle und legt einen historischen Schwerpunkt auf das Gründungsjahr des Vereins. Die Publikation wird in einem Podiumsgespräch mit den Historikern Volker Ullrich und Franklin Kopitzsch am 2. März im Werner-Otto-Saal der Kunsthalle vorgestellt.

Eine extra zum Jubiläum des Freundeskreises kuratierte Ausstellung blickt ebenfalls auf das Gründungsjahr: Ab dem 28. April konzentriert sich die Galerie Klassische Moderne in „1923: Gesichter einer Zeit“ fünf Monate lang auf Gemälde, Skulpturen und Werke auf Papier, die um diese Zeit entstanden sind, und vermittelt damit einen umfassenden Überblick über das Kunstschaffen, die gesellschaftlichen Strömungen und historischen Ereignisse in Deutschland.

Künftig will Nümann noch viele spannende Projekte realisieren

Weiterhin wird es ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm für Mitglieder und Kunstinteressierte in diesem Jahr geben. Dazu gehören exklusive Freunde-Rundgänge durch das Wohnhaus des Ehepaars Helmut und Loki Schmidt für Fördermitglieder sowie der „Tag der Freunde“, der exklusiv für die Freundinnen und Freunde des Museums geöffnet ist. Die Mitglieder dürfen kostenlos eine Begleitung mitnehmen, der sie „ihre“ Kunsthalle zeigen können. Ein Höhepunkt ist die jährlich stattfindende Verleihung des mit 20.000 Euro dotierten Rosa-Schapire-Kunstpreises. Die bedeutende Kunsthistorikerin attestierte den Freunden 1925, sie seien „eine von breiten Schichten getragene, vorzüglich geführte Vereinigung“.

Das sei ohnehin das Tollste an seinem ehrenamtlichen Job: „Dass man immer wieder auf so viele kunstbegeisterte Menschen trifft“, sagt Nümann, der auch Präsident des Bundesverbandes der Fördervereine deutscher Museen für bildende Kunst ist. Regelmäßig treffen sich die Kunsthallen-Freunde mit anderen Förderkreisen, wobei ein Kreis jeweils als Gastgeber fungiert. Dabei könne man viel voneinander lernen. „Die Worte, die Direktor Pauli bei seiner Eröffnungsrede formuliert hat, treffen auch heute noch den Kern“, sagt Ekkehard Nümann. Aber es gibt ein Credo, das noch viel besser zum Freundeskreis passt: „Wir sind der Fanclub der Hamburger Kunsthalle!“

Für die Zukunft wünscht er sich, noch viele weitere spannende Projekte mit dem Haus und dem Freundeskreis realisieren zu können. Zu den von Alexander Klar unlängst im Jubiläumsbuch geforderten baulichen Expansionsplänen der Kunsthalle sagt er: „Im Moment wohl schwierig zu finanzieren, aber: Nichts ist in dieser Stadt undenkbar.“