Hamburg. Musikplattform Qobuz ermittelt: In der Schweiz sind Tickets um 40 Prozent teurer als im Schnitt. Wo Karten besonders preiswert sind.
„Kommst du aus Hamburg oder aus Berlin? Kommst du aus Zürich oder kommst du aus Wien? Kommst du aus Bielefeld, aus Dresden, aus Heilbronn? Egal, irgendwie haben wir dein Herz gewonnen“, singen Die Ärzte in „Ein Lied für Dich“, um dann so zu enden: „Danke sehr, danke schön, morgen kauf ich mir ‘nen goldenen Föhn.“ Aber die Gegenleistung stimmte bei der letzten Tour: Für je nach Auftrittsort 66 Euro bis 73 Euro gab es zweieinhalb Stunden elektrische Gitarren und alberne Ansagen.
Konzertkarten sind teuer geworden. Post-Pandemie, Fachkräftemangel, Produktions-, Energie- und Transportkosten, Livemusik als wichtigste Einnahmequelle im Streaming-Zeitalter, da heißt es Hinblättern für den Fan. Und das tut er tatsächlich, zumindest im Superstar-Segment, immer noch gern.
Wo Konzertkarten günstig sind – und wo besonders teuer
Gab es noch einen veritablen Aufschrei, als Neil Young vor 20 Jahren freche 77 bis 92 Euro für ein Solo-Konzert (!) im trutschigen CCH verlangte (und zwei Tage vor der Show die Preise mangels Nachfrage halbierte), so sind derartige Preise mittlerweile Normalität – und das nicht in der ersten Reihe eines Arena-Auftritts, sondern mit Pech sogar in der letzten Reihe im Oberrang, wo das Publikum in der Höhenluft schon Nasenbluten bekommt.
Europaweit siedeln sich die Kartenpreise von Konzerten in Deutschland im Mittelfeld an, wie kürzlich eine Analyse der Musikplattform Qobuz ergeben hat. Dafür wurden die länderspezifischen Mittelwerte der für 2023 angesetzten Europatourneen von Rammstein, Peter Gabriel, Arctic Monkeys, Electric Callboy, Depeche Mode, Macklemore, Avril Lavigne, Ozzy Osbourne (der seine Tour mittlerweile gesundheitsbedingt abgesagt hat), Elton John und Hans Zimmer verglichen.
Regionale Unterschiede gibt es in Deutschland kaum
Zumindest im internationalen Vergleich am günstigsten kommen dabei die Konzertfans in Ungarn weg: Dort bewegen sich die Ticketkosten 39,61 Prozent unter dem europäischen Preisdurchschnitt, gefolgt von Portugal, Slowenien, Spanien und Polen, wo Tickets knapp ein Drittel billiger sind als im europäischen Durchschnitt, im Fall von Rammstein wären das beispielsweise in Polen 27 Euro weniger.
Die Hand aufgehalten wird hingegen in der Schweiz: 40 Prozent mehr als im europäischen Raum blättern die Eidgenossinnen und -genossen hin. Erst mit weitem Abstand dahinter folgt Irland, wo Tickets 19 Prozent teurer sind. In Deutschland bewegen sich die Kartenpreise knapp zwölf Prozent über dem Schnitt.
Regionale Unterschiede innerhalb von Deutschland scheint es bei ähnlich konfigurierten Hallen und Arenen nicht zu geben, wie einige Stichproben zeigen. So werden für den kanadischen Pop-Entertainer Michael Bublé am 17. März in der Hamburger Barclays Arena Kartenpreise ab 80,15 Euro bis 298,65 Euro aufgerufen. In den beiden anderen großen Pop-Metropolen Köln und Berlin kosten entsprechende Tickets zwischen 73,25 und 73,50 Euro bis 297,50 Euro und 297,75 Euro.
- Gilbert eröffnet Visions-Festival: eine randvolle Wundertüte
- Robbie Williams in Hamburg: Nimm das, Harry Styles!
- Ozzy Osbourne sagt Hamburg-Konzert endgültig ab
Der Einstiegspreis ist etwas geringer als in Hamburg, allerdings sind die Kölner Lanxess-Arena und die Berliner Mercedes-Benz-Arena mit 17.000 und mehr Plätzen bei Konzerten auch größer als die Barclays Arena mit maximal 12.000 Konzertplätzen. Die günstigsten Plätze sind weiter weg in Köln und Berlin. Vorne, in den ersten Reihen, in den „Golden Circles“, zahlen die treusten oder wohlhabendsten Fans dasselbe.
„Dynamische Preisanpassung“ schraubt Summen für Live-Musik hoch
Nicht anders ist es bei Helene Fischers kommender Hallen-Tournee: Egal, ob man in Hamburg, Köln oder Berlin „Atemlos“ mitsingen möchte: Ganz vorne kostet der Spaß 281 Euro und 50 Cent. Ganz oben sind zwischen 59,90 Euro (Köln) und 64,90 Euro (Hamburg und Berlin) zu bezahlen.
Und auch im Osten Deutschlands mit seinen im Durchschnitt geringeren Reallöhnen kann nicht gespart werden. In der Leipziger Quarterback Immobilien Arena (8000 bis 12.000 Plätze bei Konzerten) kostet der beste Platz 281,50 Euro, der günstigste 74,90. Bei Max Giesinger geht es, egal ob in der Hamburger Barclays Arena oder in kleineren Sälen in Fürth, Aurich, Bielefeld, Erfurt oder Karlsruhe mit 44,50 Euro los.
Auch bei Clubkonzerten fallen generell keine großen Unterschiede auf. Die ausverkauften Konzerte der Pixies Ende Februar in Hamburg, Köln und München kosten zwischen 56 und 57 Euro, auch die Preise für Yo La Tengo im April sind in Hamburg, Berlin und Köln bis auf wenige Cent Abweichung mit 36 Euro gleich, unabhängig von den völlig verschiedenen Clubs Uebel & Gefährlich, Huxleys und Gloria-Theater. Natürlich wird es Ausreißer geben, aber anders als im Klassikbereich (und seinen verschiedensten Subventionsmodellen) sind keine großen regionalen Gefälle feststellbar.
Was die Zukunft bringen – und durcheinanderbringen – könnte, zeigt das noch junge Prinzip der „dynamischen Preisanpassung“, das der Ticketing-Konzern Ticketmaster in den USA und in Großbritannien für Superstar-Shows von Harry Styles, Coldplay, Blackpink und in Deutschland bereits für Bruce Springsteen eingeführt hat: Wie an der Börse werden Tickets im Vorverkauf ähnlich wie Flug- und Hotelbuchungen teurer und teurer, je höher die Nachfrage ist – und umgekehrt. Ähnlich wie bei Neil Young 2003 im CCH sozusagen.
Tickets werden beim „Boss“ wie an der Börse hochgehandelt
Im Extremfall kostete durch die dynamische Preisanpassung eine herkömmliche Stehplatzkarte für Bruce Springsteens US-Tour 5000 US-Dollar. Zwar sollen laut Ticketmaster 88 Prozent der Boss-Karten sofort zum Festpreis abgesetzt worden sein und der Durchschnittspreis trotz dynamischer Preisanpassung „nur“ 262 US-Dollar betragen haben, aber die Fans waren trotzdem auf den Barrikaden.
Begründet wird dieses System damit, Schwarzhändlern, die begehrte Tickets auf Wiederverkaufsportalen zu Mondpreisen anbieten, das Wasser abzugraben. Trotzdem kann der Nebeneffekt, dass sich Künstlerinnen, Künstler und Konzertagenturen damit so richtig die Taschen füllen, kaum versteckt werden. Und Die Ärzte singen: „Danke schön, danke sehr, und so wird man Millionär.“