Der neue Thriller „Die Frau im Nebel“ ist ein moderner Film noir. Er beginnt eher wie eine Krimi-Parodie.

Der neue Film des koreanischen Kultregisseurs Park Chan-wook („Oldboy“) beginnt eher wie eine Krimi-Parodie denn wie ein veritabler Thriller: Man sieht zwei Polizisten beim Schießtraining in der Kabine. Während sie die Zielscheiben zu sich heranrollen, stellt der eine von ihnen lakonisch fest, dass es zurzeit so wenig Morde in der Stadt gäbe, ob es am Wetter liege?

Aber dann fällt ihnen ihr nächster Fall quasi direkt vor die Füße: Ein älterer Hobby-Bergsteiger ist vom Steilhang eines beliebten Kletterfelsens vor den Toren der Stadt gestürzt. Inspektor Hae-joon (Park Hae-il) besichtigt mit seinem Assistenten Soo-wan (Go Kyung-pyo) die Leiche noch am vermeintlichen Tatort. Der ernste Hae-joon ist einer der jüngsten Polizisten in Busan, die es in den Rang eines Inspektors gebracht haben. Sein Vorgehen im Bergsteiger-Fall belegt, wie akribisch er vorgeht: Er lässt es sich nicht nehmen, den Felsen gleich selbst zu erklettern, den von Höhenangst geplagten Klagen seines Assistenten zum Trotz. Fast zu seinem Bedauern deutet alles auf einen Unfall hin.

Kino Hamburg: Ein Inspektor im Banne einer Femme fatale

Aber dann vernehmen sie die erheblich jüngere Ehefrau (Tang Wei) des Verstorbenen, und das Bild und der Ton des Films ändern sich schlagartig. Es reicht ein Blick, den Hae-joon mit der schönen jungen Frau austauscht, und an Krimi-Parodie ist gar nicht mehr zu denken. Statt dessen befinden wir uns tief in einem jener klassischen Film noir, in dem ein Kommissar in die Fänge einer Femme fatale gerät. Oder ist es hier vielleicht sogar die Frau, die sich obsessiv in den Ermittlungen eines Mannes, der ihr sichtlich gut gefällt, verstrickt?

Dabei legt Park Chan-wook seinen Neo-noir nicht als nostalgische Stilübung an, sondern mit großer Freude an den modernen Techniken des Filmemachens und der zwischenmenschlichen Kommunikation. Statt dunkel spiegelndem Asphalt und Macho-Attitüde gibt es eine verspielte
Kameraführung mit oft extremen, überraschenden Perspektiven und einen Polizisten-Helden, der seine Verdächtige liebevoll bekocht und in einer besonders denkwürdigen Szene – er begreift, wie verdächtig sie doch ist! – ihre Hände fürsorglich mit Lotion einreibt.

Die Chinesin Tang Wei verleiht ihrer Femme fatale eine verführerisch-schüchterne, dem Klischee zuwiderlaufende Wärme. Und der Koreaner Park Hae-il findet als Ermittler die richtige Mischung aus Pedanterie und Sensibilität.

„Die Frau im Nebel“ 138 Minuten, ab 16 Jahren, läuft im 3001, Abaton, Studio, Zeise