Berlin. Sieben Jahre nach seinem Tod erscheint Teil zwei von Krugs Tagebüchern – inklusive wenig schmeichelhaftem Urteil über einen Kollegen.
Deutschland hat nicht viele Superstars hervorgebracht. Menschen, die keiner Erläuterung bedürfen und Emotionen auslösen. Beckenbauer, Graf, Becker, Schumacher, schon im Sport bleibt es überschaubar. Und in der Schauspielkunst? Viele Große, aber nur wenige, die die Herzen rührten: Curd Jürgens, Romy Schneider, Heinz Rühmann. Und nur einer war sogar in beiden Staaten auf deutschem Boden gleichermaßen erfolgreich: Manfred Krug.
In diesem Februar wäre der 2016 gestorbene Schauspieler („Tatort“, „Spur der Steine“) 86 Jahre alt geworden. Jetzt erscheint der zweite Band seiner Tagebücher. „Ich bin zu zart für diese Welt“, behauptet Krug da von sich. Seine Notizen zeichnen aber ein anderes Bild.
Manfred Krug: Tagebücher zeugen von Ohnmacht
Der im vergangenen Jahr erschienene erste Teil der Tagebücher, „Ich sammle mein Leben zusammen“, war ein Überraschungserfolg. Im Erstling schilderte Krug unter anderem seinen Schlaganfall, der ihn als Tatmenschen und Instinktschauspieler zeitweise seines wichtigsten Instruments, der Stimme, beraubte.
Die neuen Tagebuchnotizen schließen an diese Ohnmachtserfahrungen an. Eine Körperhälfte gehorcht Krug nicht mehr wie vorher. Der Fuß kalt, die Sinne stumpf. Dazu kommen Blutstürze aus der Nase und Vergesslichkeit. Seinen Text als Hamburger „Tatort“-Kommissar „Paul Stoever“ muss er sich groß auf Zetteln aufschreiben, die er dann beim Drehen abliest.
Manfred Krugs hartes Urteil über Peter Lohmeyer
Und das ausgerechnet zu einer Zeit, in der Krug im vereinten Deutschland alles erreicht hat: TV-Popularität, hohe Einschaltquoten, Wohlstand als Werbefigur der Börsengang-Telekom. Er darf ungestraft unverschämt zu Regisseuren, Fernsehredakteuren, Chauffeuren, sogar Freunden sein. Rühmt sich sogar, wenn er daheim Handwerker wegen ruhestörenden Lärms anblafft. „Weil ich ein Prolet bin, kann ich mit Proleten umgehen“, kokettiert der frühere Stahlkocher.
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Mancher bekommt im Tagebuch sein Fett weg. So ergeht es zum Beispiel den in Hamburg ansässigen Schauspieler Peter Lohmeyer (Vater des neuen „Hart, aber fair“-Moderators Louis Klamroth), der Krug in der in dieser Zeit entstehenden ARD-Verfilmung seiner DDR-Autobiografie „Abgehauen“ verkörpert. „Wessi“ und „verkrampft“, das ist keine Empfehlung für höhere Weihen.
Manfred Krug: Schmerzhafte Trennung von der Tochter
Parallel geht Krugs privates Drama weiter. Seine Frau Otti hatte ein Jahr zuvor durch Zufall von Krugs kleiner unehelicher Tochter Marlene erfahren, die er mit einer Schauspielkollegin gezeugt hat. Geliebte und Kind sind in einer kleinen Wohnung im Hinterhaus untergebracht, die Krugs leben vorne. Das geht auf Dauer nicht gut.
Krug schildert seinen Schmerz über den Verlust, als er Marlene nach dem Zerwürfnis mit ihrer Mutter zeitweise nicht mehr sehen darf. Der späte Vater versucht bei ihr nachzuholen, was er bei seinen drei ehelichen Kindern vorher zumindest teilweise versäumt hatte – der Karriere in der DDR und dem Neustart nach der Ausreise in den Westen 1977 wegen.
Beim Fernsehen alle doof außer Manfred Krug?
Krug träumt viel und schlecht oder schildert es zumindest in seinen Aufzeichnungen so. Es geht in diesem Buch nicht nur in seinen Träumen oft um Verlust – von Menschen, Vertrauen oder der Gesundheit. Schließlich gibt er sogar seinen Dauerbrenner „Tatort“ auf.
Der zweite Tagebuch-Band entwickelt durchaus erneut die Kraft, einen in den Lebens-Alltagsroman des Manfred Krug hineinzuziehen. Hat seine Otti eine Affäre? Sind beim Fernsehen alle doof außer ihm? Amüsant zu lesen ist auch, wenn Krug nebenbei die Tagesereignisse referiert. Schröders Wahlsieg 1998, Kohls Parteispendensumpf, Jelzins Ablösung durch das „schmale Jüngelchen“ Putin.
Auf die Dauer aber ermüden die 303 Seiten ein wenig. Manfred Krug, dieser sympathische TV-Raufbold, entwickelt sich in seinen Aufzeichnungen zum Grantel-Opa, keine Spur von „Liebling Kreuzberg“ mehr. Somit ist „Ich bin zu zart für diese Welt“ vor allem für hartnäckige Krug-Fans ein Muss. Den anderen Krug gibt es weiter bei YouTube.