Hamburg. Die Doppelshows von „Harry Potter und das verwunschene Kind“ sind vorbei, jetzt wird am Großmarkt für den Einteiler neu geprobt.
- Aus den Harry Potter-Doppelshows in Hamburg wird eine Vorstellung
- Gekürzte Fassung soll spontane Besuche des Theaterstücks erleichtern
- Einige besonders schöne Szenen fehlen nun aber
Lumos! Und plötzlich waren sie da, hunderte von Glühwürmchen im Parkett und im Rang des Mehr! Theaters, wo das Ensemble gerade den Applaus für die allerletzte Hamburger Doppelvorstellung von „Harry Potter und das verwunschene Kind“ entgegen genommen hatte. 233 Shows nach der Premiere. Nein, Magie war es dann doch nicht, aber absolut zauberhaft: Maik Klokow – noch bis März Hamburger Produzent von „HPUDVK“, wie die Inszenierung intern und in den sozialen Medien abgekürzt wird – bat alle Zuschauerinnen und Zuschauer, an ihren Mobiltelefonen die Lichter einzuschalten, als Hintergrund für ein großes Gruppenfoto des Theaterteams.
Wer am Sonntag zur vorläufigen Dernière des Theaterstücks auf das Großmarktgelände kam, sah von 13 Uhr mittags bis spät am Abend den vorerst letzten Potter-Marathon und damit zwar nicht das Ende der Erfolgsgeschichte, aber doch einen Abschied. Vom 19. Februar an wird „Harry Potter und das verwunschene Kind“ – so wie auch an den Spielorten New York, Melbourne, Tokio und Toronto – in einer neu geprobten einteiligen Fassung laufen. Das Publikum braucht dann statt zwei Tickets nur noch eines, sowohl der finanzielle als auch der zeitliche Aufwand halten sich künftig in überschaubaren Grenzen.
Harry Potter Hamburg: Warum das Theaterstück jetzt radikal gekürzt wird
Wer verstehen will, warum, muss mit ihm sprechen: Colin Callender. Der in New York lebende Brite, der zumindest in der transatlantischen Zoom-Begegnung ein bisschen an den smarten Broadway-Producer Maxfield Sheffield aus der US-Sitcom „Die Nanny“ erinnert, gehört zu den weltweit erfolgreichsten Film- und Bühnenproduzenten und verantwortet gemeinsam mit Sonia Friedman auch die internationalen Bühnenableger des lukrativen Potterversums. 350.000 Besucherinnen und Besucher haben seine Show gesehen – allein in Hamburg. Während des Lockdowns, der in New York deutlich länger andauerte als in Deutschland, sei die Idee einer neuen „Harry Potter“-Fassung zum ersten Mal diskutiert worden, erzählt er: „Wir waren uns nicht sicher, wie die Publikumsmuster nach der langen Abwesenheit sein würden.“ Vor allem am Broadway sei der Tourismus aber entscheidend für den Verkauf von Theaterkarten.
Und tatsächlich hat Callender mittlerweile weltweit ein verändertes Ticket-Kaufverhalten festgestellt, nicht nur für diese Show: „Die Zuschauerinnen und Zuschauer buchen eher kurzfristig. Meine Vermutung ist: Sie wissen nicht, wie die Welt in sechs oder neun Monaten sein wird, also wollen sie vorsichtiger sein.“ Die Kürzung der Aufführung sei darum ein logistischer Vorteil: „Die einteilige Show macht es dem Publikum leichter, sich kurzfristig zu entscheiden.“ Aus kreativen Gründen, das ist Callender wichtig, sei sie nicht beschnitten worden.
- Kino, Comics, Kabarett, Fotokunst – unsere Tipps der Woche
- Positive Bilanz nach einem Jahr „Harry Potter“ in Hamburg
- Hagrid aus "Harry Potter": Robbie Coltrane ist tot
„Wir wollten einerseits das Charakter-Drama beschützen, andererseits sicherstellen, dass wir alle Illusionen des Zweiteilers auch in der einteiligen Show unterbringen.“ Das Kreativteam kam also erneut zusammen, Bestsellerautorin J.K. Rowling musste informiert werden. Und es entstand „eine Version, die ebenso unterhaltend sein soll wie die Doppelvorstellung“. In New York zuerst, nun also auch in Hamburg. Nur London zeigt weiterhin den „Director’s Cut“: „England ist die Heimat von Harry Potter“, stellt Callender klar, „die Show läuft dort sehr gut. Die Idee ist es, das Stück dort so lange wie möglich in beiden Teilen zu zeigen.“
Auf dem Hamburger Großmarktgelände haben währenddessen die Proben für die Neufassung begonnen. Bewusst erst nach der Dernière am vergangenen Wochenende, um während der letzten Shows keine Dialog-Verwirrung zu stiften. Und auch eine „Trauerphase“ sei wichtig, sagt Markus Schöttl. Der Österreicher ist der erste deutschsprachige Harry Potter, auch nach der Veränderung bleibt er in Hamburg an Bord – anders als zum Beispiel die bisherige Hermine-Darstellerin Jillian Anthony. Ein echtes Mitspracherecht habe die Besetzung bei den Dialogkürzungen übrigens nicht gehabt, aber „es liegt natürlich in der Natur von Schauspielern um jedes Wort zu kämpfen“. Er selbst könne sich „nicht beschweren“, sagt Schöttl. „Ich habe bislang 42 Szenen gespielt, jetzt sind es 32. Das ist echt verschmerzbar. Die großen, wichtigen Begegnungen bleiben alle drin.“ Vieles, was vorher verbalisiert wurde, sei jetzt subtiler, erklärt er. „Mehr Magie pro Minute bedeutet für uns auch mehr Energie pro Minute. Es gibt schnellere Umzüge, es werden hinter der Bühne mehr helfende Hände gebraucht. Unser Team wird gerade massiv aufgestockt.“
Harry Potter: Ein Beziehung, die zu Ende geht – „und zwar im Guten“
Das betrifft alle Gewerke, ein Viertel zusätzliches Personal gibt es künftig, für alle Aufgaben auf und hinter der Bühne. Auch weitere Schauspielerinnen und Schauspieler sind Teil des Pools, das Ensemble ist von 35 auf 41 Mitglieder gewachsen. Für Schöttl als Harry Potter gibt es eine Zweit- und sogar eine Drittbesetzung. Brauchte die Gesamtgeschichte bislang zwei Abende oder einen sehr langen Theatertag, um einmal komplett erzählt zu werden, werden in derselben Zeit fortan zwei abgeschlossene Shows zu sehen sein.
Was aber fehlt? Eine Szene ist schon mit dem letzten Castwechsel im Oktober weggefallen: die schön chaotische Drei-Minuten-Sequenz im Altersheim für pensionierte Zauberer. „Das hatte produktionstechnische Gründe“, erklärt Schöttl. „Die Szene war mit vielen Kostümen und Masken sehr aufwendig und wäre mit der jetzigen Kürzung ohnehin weggefallen. Da hat man keinen neuen Kostüme und Perücken für die neuen Darsteller mehr anfertigen wollen.“ Für manche Charaktere gibt es demnächst weniger Auftritte, dazu kommen einige „strategische Striche“, die allerdings – so Callender – „kaum auffallen“. Details möchte der Produzent nicht verraten, nur soviel: „Die Kurzversion gibt der Schlüsselhandlung klarere Konturen. Das ist ein großer Vorteil.“ Ist die gestraffte Version etwa die bessere Inszenierung? So weit wolle er nun nicht gehen, sagt Callender mit diplomatischem Lächeln: „Sie stehen gleichberechtigt Seite an Seite. Es ist eine etwas veränderte Erfahrung.“
Harry Potter Hamburg: Dass die zwei Stunden lange „große Pause“ wegfällt, ist kein Verlust
Dass die zwei Stunden lange „große Pause“ ab Februar wegfällt, ist jedenfalls kein Verlust. Denn noch ist der Einfluss der Kulturstätte auf das direkt umliegende Quartier kaum festzustellen. Für Restaurants muss man sich auf Wanderschaft Richtung HafenCity begeben – faktisch nicht weit, gefühlt schon. Auf der anderen Seite des Theaters liegt die vielbefahrene Amsinckstraße: Tankstellen, Gebrauchtwagenhändler, ein Wohnmobilparkplatz, eine Burgerbraterei. Colin Callender, der Hamburg einst als College-Student zum ersten Mal länger besucht hatte, ist trotzdem noch immer vom Standort begeistert: „Ich liebe den Spielort, ich liebe ihn absolut!“ Die Großmarktarchitektur mit ihren Bögen erinnere ihn an die Londoner Bahnstation King’s Cross, wo Rowlings Romanreihe endet und die Stückhandlung beginnt: „Das Gebäude verkörperte von Beginn an aus Designsicht die Essenz der Show, obwohl es kein traditionelles Theater war“, schwärmt Callender.
Markus Schöttl vergleicht den Übergang mit einer Beziehung, die zu Ende geht – „und zwar im Guten“, betont er und lacht. „Eine Beziehung, für die man wahnsinnig dankbar ist. Eigentlich, wenn man die gesamte Entstehungszeit betrachtet, war es eine fast vierjährige Beziehung unter öffentlicher Beobachtung. Manchmal hat man vielleicht zu viel diskutiert, vielleicht stellenweise auch zu lange gesprochen. Jetzt lernt man einen neuen Partner kennen. Da ist die große Lust an einer frischen Liebe.“ Es sei immer gut, wenn ein Spieler aus seiner Komfortzone heraustrete. „Die Routine fällt weg. Das ist ja immer auch sehr lustvoll.“ Ein Liebeszauber ist da gar nicht mehr nötig.
„Harry Potter und das verwunschene Kind“ Wiederaufnahme im Mehr! Theater am 19. Februar, Informationen und Karten unter: www.harry-potter-theater.de