Die Doku „Fck 2020“ begleitet die Techno-Band Scooter durch die heiße Corona-Phase– und zeigt H.P. Baxxter als Spaßvogel mit Allüren.
Von der Techno-Band Scooter, auf die in den 1990er-Jahren viele herabblickten und als Kirmes- oder Ballermann-Raver einsortierten, stammen einige Songtextzeilen, die sich in ein Kompendium dadaistischer Lyrik geradezu zwingend einfügen würden. Gemeint ist nicht nur das notorische „Hyper Hyper“, sondern auch die kuriose Frage „How Much Is The Fish?“ oder die zum Kopfkratzen Anlass gebende Aussage „The Question Is: What Is The Question?“.
In Cordula Kablitz-Posts Dokumentarfilm „Fck 2020 – Zweieinhalb Jahre mit Scooter“ lässt sich nachvollziehen, welch diebische Freude die Combo um Frontmann H.P. Baxxter am Ersinnen solch aberwitziger Lyrics hat. Und schon löst sich einiges an Antipathie in Luft auf – und damit auch an Dünkel, den mancher gegenüber dieser Band mit sich herumgetragen haben mag.
Scooter-Frontmann mit Allüren: Backstage herrscht Partypflicht nach Auftritten
H.P. Baxxter, bürgerlich der aus dem ostfriesischen Leer stammende Hans Peter Geerdes und inzwischen auch schon hart auf die 60 zusteuernd, erweist sich darin als einigermaßen sympathischer Spaßvogel – auch wenn er sich durch die Jahrzehnte auf Tournee ein paar Star-Allüren zugelegt hat, etwa bei der Ausstattung seines Backstage-Bereichs.
Nach den Auftritten müssen beispielsweise Tee, Räucherstäbchen, Eis und – ganz wichtig – ein 0,3-Liter-Glas bereitstehen. Im Anschluss gilt der „Bar-Zwang“, wie es H.P. Baxxter nennt: Alle Band- und Crew-Mitglieder sind dazu verpflichtet, feuchtfröhlich mitzufeiern. Wer die Stimmung runterzieht, fliegt raus.
H.P. Baxxter wohnt wie ein englischer Landlord
Nachdem er Kablitz-Posts Langzeitbeobachtung über die Toten Hosen gesehen hatte, ließ er die langfristige Nähe einer Kamera erstmals zu – und so können die Zuschauer einen der erfolgreichsten Gegenwartsmusiker (Scooter hat weltweit mehr als 30 Millionen Tonträger verkauft) auch mal mit seiner Mutter erleben.
Er wohnt übrigens nicht im Techno-Industrial-Ambiente, sondern in Hamburg-Duvenstedt wie ein englischer Landlord mit Schaukelstuhl, alten Teppichen und waldgrünen Wänden, an denen allerlei Ölgemälde hängen.
Doku sollte ursprünglich große Scooter-Tour begleiten
Als 2020 die Pandemie ausbrach, konnte man den Lockdown für Kulturschaffende aus der Nähe verfolgen, wie er für so kreative wie hilflose Lösungen sorgte. Das Streamingkonzert mit null Zuschauern im Saal oder der Auftritt in einem Autokino vor Menschen im Gefährt: Auch das war Corona. „Ich dachte, die ganze Doku ist kaputt, weil wir gar nicht mehr auf die Bühne kommen“, erzählte H.P. Baxxter bei seiner Filmpremiere auf dem Hamburger Filmfest.
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„Durch Corona brauchten wir auf einmal ein ganz anderes Drehkonzept. Wir waren eigentlich angetreten, um die Scooter-Tour zu begleiten“, ergänzte Cordula Kablitz-Post, die von der Offenheit des Superstars begeistert war: „Es ist etwas ganz Besonderes, wenn dich ein Künstler so nah an sich heranlässt.“
Warum der junge H.P. Baxxter geschminkt über den Schulhof lief
Am Ende der Dreharbeiten hätten sie fast 150 Stunden Material gehabt. Gezeigt werden auch Aufnahmen aus Geerdes’ Kindheit und Jugend: der junge H.P. Baxxter mit längeren Haaren, auffälligem Schmuck und stark geschminkt. „Wahrscheinlich erkennen mich viele gar nicht“, sagte der 58-Jährige. Ihm sei es in erster Linie um die Mode, aber auch um die Provokation gegangen. „Ich bin in der Kleinstadt komplett geschminkt über den Schulhof gelaufen. Alle haben geguckt, ich fand das immer gut.“
Doch der Film zeigt nicht nur eine heile Welt. Zu sehen ist unter anderem Geerdes’ Freundin Lysann, von der er sich während der Dreharbeiten trennte. Und auch, wenn es Streit in der Band gibt, ist die Kamera dabei. H.P. Baxxter scheint kein einfacher Charakter zu sein. „Es war manchmal ganz schön anstrengend, zusammenzuarbeiten“, sagte Kablitz-Post. Ende 2022 haben die Keyboarder Sebastian Schilde und Michael Simon Scooter verlassen. Aber auch personelle Wechsel gehören seit jeher zum Konzept – ausgenommen ist natürlich der Frontmann.
„Fck 2020 – Zweieinhalb Jahre mit Scooter“ 113 Minuten, ab 12 Jahren, läuft im Astor, Cinemaxx Dammtor, UCI Mundsburg/Othmarschen Park/Wandsbek, Blankeneser Kino, Koralle