Nortorf. Das Abendblatt durfte vorher schon einmal einen Blick in das ehemalige Kesselhaus der Teldec werfen, in das nun ein Museum einzieht.

Udo Lindenberg und die Kühe, da war doch mal was: Der offenbar tierliebe Panikrocker holte sich in den 70er-Jahren gern seine neuen Alben direkt dort ab, wo sie gepresst wurden – bei der Firma Teldec in Nortorf, einem kleinen Städtchen nördlich von Neumünster im heutigen Kreis Rendsburg-Eckernförde.

Udo kam, presste selbst, signierte und illustrierte das Gästebuch (es war noch die Zeit vor den Likörellen) und hatte dann einen ganz speziellen Wunsch: Der Musiker wollte unbedingt mal auf einer Kuh sitzen, und gegenüber vom Werk betrieb damals Bauer Röschmann seinen Hof. Fotos zeigen den Möchtegern-Cowboy Auge in Auge mit den Schwarz- und Rotbunten. Aber ob es wirklich zu einem Kuhstall-Rodeo gekommen ist, erinnert heute keiner mehr genau.

Museum zieht in ehemaliges Kesselhaus der Teldec

Die Teldec ist längst Geschichte, 1989 wurde die Schallplattenproduktion eingestellt. Die Nachfolgefirma OK Media Disc Service meldete 2009 Insolvenz an. 2012 wurden die Produktions- und Lagerflächen abgerissen, die einmal 30.000 Quadratmeter umfassten. Aber die Liebe zu Tonträgern ist den Nortorfern geblieben. Zurzeit bezieht in der Stadtmitte das Deutsche Schallplattenmuseum seine Räume, das Ende September die Türen im ehemaligen Kesselhaus der Teldec für Besucher öffnen möchte.

Das Deutsche Schallplattenmuseum versammelt seine Schätze auf etwa 800 Quadratmetern.
Das Deutsche Schallplattenmuseum versammelt seine Schätze auf etwa 800 Quadratmetern. © Unbekannt | Roland Magunia/Funke Foto Services

Wer die Räume mit der 800 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche in der Niedernstraße betritt, stößt auf jede Menge Kisten. In Karton 192 warten beispielsweise nicht nur LPs von Karel Gott, Tony Marshall, Herman van Veen und ABBA darauf, wiederentdeckt zu werden, sondern auch Alben von Musikern, die heute niemand mehr kennt.

Firma Telefunken stieg in Schallplattenproduktion ein

Die Geschichte der Firma beginnt schon lange vor der des Presswerks in Nortorf. In den 1920er-Jahren beteiligte sich die Firma Telefunken am Aufbau der ersten deutschen Hörfunksender, stellte zugleich Rundfunkgeräte her. In den 1930er-Jahren stieg man in die Schallplattenproduktion ein und wurde zu einem führenden Musikkonzern. Ab 1933 erschienen unter dem Motto „Deutsche Musik“ auch Propagandatitel wie das „Horst-Wessel-Lied“. In dieser Zeit griff man die Idee auf, die Schellackplatten aus brauner (!) Pressmasse anzufertigen. Trotz der NS-Diktatur konnte man auch ein weiter gefächertes Programm anbieten, hatte Jazzmusiker wie Django Reinhardt und Teddy Stauffer an Bord.

Udo Lindenberg liebte die Nortorfer Kühe und wollte gern auf ihnen reiten.
Udo Lindenberg liebte die Nortorfer Kühe und wollte gern auf ihnen reiten. © Unbekannt | Deutsches Schallplattenmuseum

1948 wurde das Werk in Nortorf in einer ehemaligen Lederfabrik eröffnet. Seit 1950 kooperierte die Firma mit der britischen Decca – die Teldec entstand, die kaufmännische Zentrale war in Hamburg. Als erstes Unternehmen wurden von der Firma Vinyl-Singles mit einer Abspielgeschwindigkeit von 45 Umdrehungen pro Minute auf den Markt gebracht.

Einer der größten Arbeitgeber der Region

Mitte der 60er-Jahre waren in Nortorf rund 1000 Mitarbeiter beschäftigt, die Firma war einer der größten Arbeitgeber der Region. Bis zu 133.000 Tonträger wurden hier am Tag produziert. Zu den bekanntesten Interpreten zählten damals ein gewisser Elvis Presley, zunächst irrtümlich Presly geschrieben, und Peter Maffay. Ab 1987 gehörte die Firma zum Time-Warner-Konzern.

Heute kümmert sich der Förderverein Museum Nortorf mit großem Engagement darum, dass Neugierige im Herbst wieder einen Blick – und zwei Ohren – in die dann unter dem Namen Deutsches Schallplattenmuseum firmierende Sammlung werfen können, die derzeit aufgebaut wird. Betritt man die Lobby des zukünftigen Museums, fällt zuerst einmal die kleine Bühne auf – künftig soll es ab und zu Livekonzerte geben. Die Empore ist bis auf drei Jukeboxen, darunter natürlich eine klassische Wurlitzer, noch leer. Hier kommt die ehemalige Kieler Firma Elac ins Spiel, die Plattenspieler und Lautsprecher herstellte.

100.000 Vinyl-Tonträger aus dem NDR-Archiv abgeholt

Die Schatzkiste des Schallplatten­museums ist bisher der Keller, eine Station des geplanten akustisch-historischen Rundgangs. Schon heute füllen dort Schellackplatten, Vinyl-LPs und -Singles etliche Regalmeter. Dafür haben die Nortorfer gerade 25.000 Tonträger aus dem NDR-Schallarchiv in Kiel, sowie 4000 Schellackplatten und weitere 100.000 Vinyl-Tonträger aus dem NDR-Archiv in Hamburg abgeholt.

Herrlich: In Nortorf gibt es Schallplatten so weit das Auge reicht; alle Stilrichtungen sind vertreten.
Herrlich: In Nortorf gibt es Schallplatten so weit das Auge reicht; alle Stilrichtungen sind vertreten. © Unbekannt | Roland Magunia/Funke Foto Services

Viele Scheiben sind nur ein- oder zweimal abgespielt worden, bevor sie auf Band überspielt oder digitalisiert wurden und befinden sich deshalb in einem bemerkenswert guten Zustand. Allein die Schellacks umfassen ein breites Spektrum, das vom Opernsänger Richard Tauber über das NS-Propagandalied „Bomben auf Engeland“ bis zum Jazz reicht.

„Die Technik hat sich nicht durchgesetzt“

Und dann erst die Abspielgeräte! Vom Grammofon bis zum Plattenspieler gibt es viel zu sehen – auch ein Kinder-Grammofon, dessen Platten nur einen Durchmesser von 15 Zentimetern haben. Neben dem possierlichen Gerät mit seinem kleinen Schalltrichter steht eine Metallschachtel mit den Ersatznadeln. „Man braucht für jede Platte eine neue Nadel. Der Verschleiß ist gewaltig“, erklärt Lutz Bertram, der Vorsitzende des Museumsvereins. Auch ein besonders schönes Abspielgerät der Firma Electrola ist zu sehen. „550 Reichsmark hat es damals gekostet“, sagt Bertram. „Einen Opel T4 bekam man für 1400 Reichsmark.“

Vorbei an Platten von Elvis („Muss i denn“) und Catarina Valente mit ihrem Bruder Silvio Francesco („Popocatepetl-Twist“) geht es zu einem Kuriosum, einem Gerät zum Abspielen von Schallbändern namens „Tefifon“. Hier liefen Kunststoffbänder in Endlosschleifen mit eingravierten spiralförmigen Rillen ab. „Die Technik hat sich nicht durchgesetzt“, sagt Bertram achselzuckend und zeigt den Weg zu einem Schaubild, das den Weg einer Tonaufnahme vom Mastertape bis zur Pressmatrize aufzeigt.

„Die Pressen waren Eigenkreationen der Teldec“

Mit 100 Tonnen Druck wurden die Platten am Ende acht Sekunden lang gepresst. „Die Pressen waren Eigenkreationen der Teldec“, erklärt Vorstandsmitglied Thomas Perkuhn. Gepresst wurden nicht nur schwarze, sondern auch bunte Scheiben. Es gab runde Hüllen mit eckigen Scheiben und andersherum. Auch einen Tonträger in Form einer grünen Blume hat das Museum in seiner Sammlung. Die erste CD, die dann in Nortorf hergestellt wurde, stammt aus dem Jahr 1986. Auf ihr ist der Pianist Richard Clayderman zu hören.

Ein Abschnitt des Kellers ist den Singles vorbehalten. Zurzeit sind das etwa 10.000 Stück. Ihr Spektrum reicht von Gilbert Bécaud und Hans Albers bis zum Volksmusikanten Ernst Mosch. Schüler, die schon mal einen Blick auf die Sammlung werfen durften, reagierten erstaunt. „Da ist ja auf beiden Seiten etwas drauf“, waren die Kinder des CD-Zeitalters überrascht.

Museum: Name Teldec ist rechtlich geschützt

Den Namen Teldec hat sich der Museumsverein, der einige Mitglieder hat, die auch in dem Werk gearbeitet haben, übrigens rechtlich schützen lassen, denn die Betreiber haben eine heimliche Hoffnung: „Wir wollen hier irgendwann mal wieder etwas pressen.“

Weitere Infos: museum-nortorf.de