Hamburg. Themen-Abend im Literaturhaus: Warum sind Typen so jämmerlich? Und muss heute nicht jeder Feminist sein? Eine hatte eine klare Meinung.
An drei Abenden will das Literaturhaus derzeit „literarisch-feministische Begegnungen“ ermöglichen. „Aufschlag“ heißt die erstmals stattfindende Reihe, nicht unklug gewählte Herangehensweise: Hier sollen sich Frauen auf der Bühne einfach mal die Bälle zuspielen und etwa über ihre Erfahrungen im, natürlich, männerdominierten Literaturbetrieb berichten. Leiden am Patriarchat also, ein immer aktuelles Thema.
Besser casten können hätte man diesen ersten Abend nicht, an dem zum einen mit der Schweizerin Yael Inokai, Autorin des Romans „Ein simpler Eingriff“, eine vergleichsweise noch eher zurückhaltende Frau auf der Bühne saß. Inokai sprach darüber, dass Wut über patriarchalische Strukturen nicht unbedingt ihr Antrieb sei. Rumena Bužarovska dagegen, Inokais Gegenüber, gestand ohne Umschweife, dass sie sich von der Wut zwar nicht definieren lassen wolle, sich von ihr aber durchaus treiben lasse, „ja, ich genieße sie“.
Im Literaturhaus: Drei zahlende Männer, der Rest Frauen
Das hätte man sich, mit den Erzählungen ihres fulminanten Bandes „Mein Mann“ im Hinterkopf, fast gedacht. Rumena Bužarovska im Literaturhaus, das war durchaus eine Schau. Die Mazedonierin, die amerikanische Literatur an der Staatsuniversität Skopje unterrichtet und am Schwanenwik in geschliffenem Englisch scharf argumentierte, hatte sichtlich Lust am Auftritt in eigener Sache.
Aber muss es eigentlich nur Sache von Frauen sein, auf Machtverhältnisse zu ihren Ungunsten hinzuweisen? Anscheinend schon: Yael und Bužarovska waren im Literaturhaus von Frauen umringt, es waren lediglich drei zahlende Männer da. Die nahmen das im Verlaufe des Abends um sich greifende Amüsement über Bužarovskas Eloquenz unweigerlich wahr und schlossen sich dem, es kann gar nicht anders ein, sicher mit an, als Bužarovska eine ihrer im vergangenen Jahr vielfach gepriesenen Stories las. Kurz zusammengefasst, geht es in „Mein Mann, der Dichter“ um einen oberpeinlichen, von sich selbst besoffenen Poeten, dem die jüngere Freundin seine eigenen schlechten Gedichte vortragen muss, damit er sich besser fühlt.
Das Patriarchat? „Überall, nur in je anderen Ausprägungen“
Eine Karikatur? Keineswegs, „Männer sind einfach so, ich hätte noch viel realistischer sein können“, teilte die 1981 geborene Bužarovska mit. Westeuropäischer Ignoranz (nach dem tatsächlich notorischen Motto: O Gott, wie arm seid ihr dran bei euch da) erteilte sie eine Abfuhr, „das Patriarchat ist überall, es zeigt sich nur in je anderen Ausprägungen“.
- Literaturnobelpreis für eine radikale Autobiografin
- Doris Dörrie: “Einen Shitstorm riskiert man so oder so“
- Politik – zu nah am woken Diskurs, zu weit weg vom Menschen?
Bužarovska stürzte sich mit Leidenschaft und ohne Scheu in weibliche Realitäten, zu denen auch einmal im Monat Unterleibskrämpfe gehören („Frauen reden darüber nicht, um nicht schwach zu wirken“), aber auch die Missgunst gegenüber anderen Frauen. In ihren Texten bricht die sich reichlich Bahn. Auch insofern ist Rumena Bužarovska, so hat es den Anschein, eine realistische Autorin. Eine, die schnell aus der Hüfte schießt: Dem Geständnis eines nicht allzu konfrontativen männlichen Besuchers, sich in feministischen Diskursen manchmal ausgeschlossen zu fühlen, konterte sie mit einem rotzigen „Männer fühlen sich ausgeschlossen? Das ging uns Frauen die ganze Literaturgeschichte so.“
Der laute Feminismus und der leise
Es war ein Abend mit steilen(?) Thesen – Bužarovska: „Als Frau und Feministin versteht man automatisch andere Identitäten“ – und manchen Einsichten. Feminismus kann laut und leise sein. Bužarovska („Ich schreibe keine aktivistischen Bücher und bin trotzdem Aktivistin“) erklärte, brutal sein zu wollen in ihren Texten, „das ist meistens interessanter“; Yael Inokai, die sich mit ihrer Kollegin übrigens bestens verstand, erklärte dagegen auf Nachfrage von Moderatorin Carolin Callies, dass sie im Hinblick auf ihre Arbeit bei einer politischen Zeitschrift auf einen guten zwischenmenschlichen Umgang achte.
Das war dann ein ganz anderes Plädoyer für neue gesellschaftlichen Konzepte: Empathie, Höflichkeit und Kollegialität, besseres Benehmen (denkt hier jetzt etwa einer; „Soft Skills“?), auch das kann Feminismus sein.