Hamburg. Am Donnerstag startet die Messe für erschwingliche, zeitgenössische Kunst in Hamburg – und bald auch in Berlin.

Vom 10. bis 13. November verwandelt sich die Halle A3 der Hamburg Messe in ein großes Kunstkaufhaus mit Skulpturen, Gemälden, Fotografien und Druckgrafiken. Bei vielen spannenden Führungen und Künstlergesprächen gibt es die Möglichkeit zum Austausch. Direktor Oliver Lähndorf blickt auf zehn Jahre Affordable Art Fair zurück – und hat schon neue Pläne.

Kunst ist schön, macht aber auch viel Arbeit, fällt mir ein. Gibt es bei Ihnen schon Anzeichen von Erschöpfung?

Oliver Lähndorf: Erst einmal: Wahnsinn, wie die Zeit vergangen ist! Ich habe 2011 mit dem Aufbau der Messe begonnen, bin also streng genommen sogar schon im zwölften Jahr. Aber nein, keine Spur von Erschöpfung, es macht mir immer noch sehr viel Freude.

War die Messe immer schon so groß, oder ist sie kontinuierlich gewachsen?

Ich erinnere mich, dass es am Anfang nicht einfach war, Galerien nach Hamburg zu locken. Der Ruf der Stadt war damals nicht besonders gut, was zeitgenössische Kunst betrifft. Bei der ersten Messe hatten wir 60 Bewerbungen und dementsprechend 60 Messestände. Das hat sich aber im zweiten Jahr schon verbessert, da waren wir bei 75 Ständen und sind seitdem stetig gewachsen.

Seit etwa acht Jahren sind wir in der komfortablen Situation, dass wir 50 Galerien ablehnen können. So kann ich eine gute Auswahl zusammenstellen und eigene Schwerpunkte setzen, etwa Galerien aus Spanien aufnehmen, die bisher unterrepräsentiert waren. So groß wie dieses Jahr war die Affordable Art Fair noch nie. Wir präsentieren 85 Galerien auf 5500 Quadratmetern.

Das Spektrum hat sich mit der Zeit auch geografisch erweitert. Wie ist das Verhältnis von in- und ausländischen Galerien heute?

Rund 20 Prozent der Galerien kommen aus Hamburg, die Hälfte kommt aus anderen deutschen Städten, ein knappes Drittel kommt aus dem Ausland. Insgesamt 17 Länder sind dabei, durch unser Netzwerk sind wir sehr international. Unsere Firma, die der Schotte Will Ramsey vor 23 Jahren gegründet hat, bespielt ja neben der Affordable Art Fair in zehn Metropolen auch die Volta in Basel und New York, somit sind wir auch in einem höheren Preissegment vertreten.

Es kommt vor, dass Galerien, die bei der Affordable Art Fair angefangen und sich entwickelt haben, den nächsten Schritt gehen und sich jetzt bei der Volta präsentieren. Aber ich freue mich, dass uns viele Galerien schon lange treu sind, darunter die Galerie Holthoff, Angela Holzhauer, Ruth Sachse. Daraus sind viele Freundschaften entstanden.

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  • Gab es bei Ihnen trotzdem nicht mal den Wunsch, neues Terrain zu betreten?

    Wir haben in der Firma ein sehr familiäres Zusammenarbeiten. Das ist mir wichtig, sonst wäre ich auch nicht mehr dabei. Ich hatte damals überlegt, als die Volta noch einen Ableger in Miami hatte, diese Messe zu leiten. Sie ist etablierter und arbeitet mit viel Prominenz. Ich habe mich aber, auch aus meiner Liebe zu Hamburg und Norddeutschland, dagegen entschieden.

    Außerdem stehe ich nach wie vor hinter dem Konzept der Affordable: dieser demokratische Ansatz, Kunst zu den Nachwuchssammlerinnen und -sammlern und Menschen zur Kunst zu bringen. Aber innerhalb der Firmenfamilie hat sich eine neue Herausforderung für mich aufgetan: Im April 2024 wird es in der Arena Berlin eine kleine, feine Affordable Art Fair mit 45 Galerien geben. Und die Messe wird sicherlich deutschlandweit auch noch weiterwachsen.

    Oliver Lähndorf
    Oliver Lähndorf © Nicolas Döring | Nicolas Döring

    Sie werben ja damit, dass man auf der Messe viele Kunstwerke unter 500 Euro erwerben kann und dass die Maximalgrenze bei 7500 Euro liegt. Bei den allgemeinen Preissteigerungen – können Sie dieses Versprechen überhaupt noch einhalten?

    Ich fordere die Galerien immer auf, das Konzept mitzutragen und möglichst Kunst unter 1000 Euro mitzubringen. Bei Fotografien mit entsprechend hoher Auflage kann man zum Beispiel immer Arbeiten für 100 Euro erwerben. Ich muss aber auch sagen, dass viele Leute immer auf die großen Arbeiten gucken und sich dann über die Preise wundern. In meiner Führung am Freitag mit dem Thema „Kunst unter 500 Euro“ versuche ich die Besucherinnen und Besucher dafür zu sensibilisieren, Kunst auch in kleineren und somit erschwinglicheren Formaten zu entdecken.

    Wie lange man mit der Obergrenze von 7500 Euro hinkommt, werden wir sehen. Ich bin gerade mit meiner Firma darüber in der Diskussion, weil die Inflation natürlich auch den Kunstmarkt beeinflusst. In diesem Jahr halten wir daran noch fest. Ich muss aber im Sinne der Galeristinnen und Galeristen denken und agieren, denn wir sind seit acht Jahren bei dem Preislimit, und in der Zeit hat sich tatsächlich viel getan. Vermutlich ist eine Obergrenze von 10.000 Euro bald realistischer.

    Andrew Ntshabele: „The Clean Up“, 2019, Mixed Media.
    Andrew Ntshabele: „The Clean Up“, 2019, Mixed Media. © Andrew Ntshabele | Andrew Ntshabele

    Rechnen Sie damit, dass die Kauflaune bei der Kunstmesse angesichts der Preissteigerungen auch getrübt ist?

    Ehrlich gesagt nicht, denn bei der Veranstaltung 2021, mitten in der Pandemie, hatten wir das auch schon befürchtet. Und wurden vom totalen Gegenteil überrascht. Die Leute mit mittlerem oder höherem Einkommen werden auch weiterhin Kunst kaufen.

    Über Geld zu sprechen und die Preise für Kunstwerke konkret zu nennen, damit war die Affordable Art Fair Vorreiterin. Warum ist das so wichtig?

    Ich denke, dass man erst mit der Zeit und nach intensiverer Beschäftigung ein Gespür dafür bekommt, was Kunst kostet. Gerade wenn ich anfange, mich dafür zu interessieren oder zu sammeln, ist es doch entscheidend, ob ein Werk 40.000 oder 3000 Euro kostet. Um den Leuten die Schwellenangst zu nehmen, dafür ist unser Messekonzept genau richtig. Ich mache meine Projekte für die 90 Prozent, die an die Kunst herangeführt werden müssen; die restlichen zehn Prozent sind klassische Kulturgänger, die kommen sowieso von allein.

    Gibt es zum Jubiläum einen besonderen Messe-Schwerpunkt?

    Seit 2012 gibt es das Format „Emerging Artists“, also aufkommende Künstler. Aus den vergangenen zehn Jahren habe ich die für mich zehn spannendsten Künstlerinnen und Künstler ausgewählt und auf 100 Quadratmetern Fläche eine Ausstellung innerhalb der Messe kuratiert.

    Schön ist dabei zu sehen, wie sie sich entwickelt haben: Zum Beispiel Grit Richter, die bei uns im ersten Jahr dabei war, ist aktuell in der Ausstellung „something new, something old, something desired“ in der Galerie der Gegenwart vertreten. Oder Robert Vellekoop, der im Sommer in der Galerie von Evelyn Drewes gezeigt wurde und jetzt gerade aktuelle Arbeiten im Paul Smith Store ausstellt. So haben wir uns auch als kommerzielle Messe einen guten künstlerischen Ruf erarbeitet.

    Gibt es Strömungen, die Sie derzeit im Markt für zeitgenössische Kunst sehen?

    Am Sonnabend wird es einen Collectors Talk mit Anna Graf und Anna Schwan über NFTs (Non-Fungible Tokens) geben: „The next hot thing?“ Auf der Messe sind vielleicht zehn Arbeiten aus diesem Bereich dabei. Ich bin da eher skeptisch, aber es ist ein Trend, um den man nicht herumkommt.

    Es gibt eine Nachfrage bei digitalen Kunstwerken, das beobachte ich im Bekannten- und Freundeskreis. Die Leute kommen meist aus dem IT-Bereich, wollen gar keine Kunst zu Hause haben, sind viel unterwegs. Die durchschnittliche Besitzdauer eines NFT soll angeblich drei Monate sein. Zu 90 Prozent ist das Spekulation, das hat was von Lotteriespielen. Meine Hoffnung ist, dass die Leute über die Faszination von NFTs dazu kommen, sich Bilder an die Wand zu hängen.

    Affordable Art Fair 10.–13.11., Hamburg Messe, Eingang West über Lagerstraße, Halle A3 (U Messehallen, Bus X35 Hamburg Messe, Eingang Mitte), Messeplatz 1, Do 12.00– 22.00, Fr 12.00–20.00, Sa 11.00–20.00, So 11.00–18.00, Zeitfensterkarten 16,-/13,- (erm.), www.affordableartfair.com/fairs/hamburg/