Hamburg. Eine monumentale Ausstellung im Bucerius Kunst Forum thematisiert die Bilderflut zur Machtmanifestation des ersten römischen Kaisers.
Der erste Eindruck beim Betreten des Ausstellungsraumes ist: Wow! Ein langer schmaler Gang mit dunkelgrauen Wänden, an denen marmorne Büsten imposant von ihren Sockeln strahlen, mündet in einer Gruppe lebensgroßer Statuen; ihr Blick geht majestätisch, göttlich-enthoben über das Publikum hinweg.
Nach den zuletzt modernen und zeitgenössischen Ausstellungen wie David Hockney, Minimal Art oder Herbert List taucht man in diesem Herbst im Bucerius Kunst Forum in eine ganz andere Welt ein: ins römische Reich des Augustus, der von 27 v. Chr. bis 14 n. Chr. regierte und die Republik ins Kaiserreich verwandelte.
Archäologen-Ehepaar plant die Ausstellung
Die größtenteils sehr gut erhaltenen beziehungsweise restaurierten Exponate, die hier ausgestellt werden, sind also an die 2000 Jahre alt. Das allein jagt einem einen Schauer über den Rücken. Und dafür muss man kein begeisterter Archäologe sein wie Andreas Hoffmann. Der Geschäftsführer des Bucerius Kunst Forums ist Kurator der Ausstellung.
Zusammen mit seiner Frau Annette Haug, ebenfalls eine Archäologin, schrieb er schon 2018 das umfassende Konzept dafür, tauschte sich mit italienischen Fachleuten aus, lud im Herbst 2021 zu einem internationalen Symposium nach Hamburg ein und trug die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse in dem nun vorliegenden Katalog zusammen.
Image eines tatkräftigen, siegreichen Herrschers
„Seit der letzten deutschen Augustus-Schau vor 34 Jahren im Berliner Gropius-Bau ist unheimlich viel in der Forschung zu dem Thema passiert“, so Hoffmann. „Unser Ansatz fokussiert sich auf die neuen Kommunikationsstrategien, mit denen der Kaiser seine Macht manifestierte und wichtige Errungenschaften im Volk verbreitete.“ Mehr als 10.000 Bilder seien aus der augusteischen Zeit überliefert: Wandgemälde, Statuen, Reliefs, Büsten, Münzen, Keramiken, die Geschichten über die Stadt Rom, die göttliche Herkunft der Familie des Augustus sowie dessen Erfolge erzählten.
„All dies führte dazu, dass der erste Kaiser omnipräsent war. Wobei dieser Personenkult nicht unbedingt nur vom ihm selbst ausging, sondern vom römischen Senat angetragen wurde, um das noch sehr junge politische System zu stabilieren und einen tatkräftigen, siegreichen Herrscher zu präsentieren.“ Die Bilderflut, mit der bis heute die Mächtigen und Erfolgreichen dieser Welt verehrt und populär gemacht werden, hat damals ihren Ursprung genommen.
Kraftakt: Eine Statue wiegt um die 500 Kilogramm
In „Die neuen Bilder des Augustus. Macht und Medien im antiken Rom“ veranschaulichen mehr als 200 Objekte aus dem Pariser Louvre, den Uffizien in Florenz, den Kapitolinischen und Vatikanischen Museen in Rom, dem Archäologischen Nationalmuseum in Neapel und weiteren bedeutenden Leihgebern die Bilder und Monumente dieser Zeit. Das wichtigste Ausstellungsstück, das auch das Plakat ziert, wurde erst eine Woche vor der Eröffnung aus der Staatlichen Antikensammlung in München angeliefert: Es ist der marmorne Kopf des Augustus mit Bürgerkrone im Primaporta-Typus, das den Kaiser zu seinem Amtsantritt zeigt.
Zwei Mann brauchte es, um den kostbaren, etwa 60 Kilogramm schweren Schädel aus seiner hölzernen Transportkiste zu hieven, mehrere Stunden, bis der entsprechende Sockel angefertigt und mit einer präzisen Bohrung versehen war, damit der Kaiser neben seine Gattin, Kaiserin Livia, platziert werden kann. „Hohes Gefahrenpotenzial“, sagt Andreas Hoffmann und verweist auf die vorausgehende Statikprüfung für den kompletten Ausstellungsbereich. Denn eine Statue wie die des Mars Ultor (rächender Mars), mit der ein Teil des Augustusforums dargestellt wird, wiegt circa 500 Kilogramm.
Rom wurde zu einer prächtigen Stadt aus Marmor
Mit eben diesem repräsentativen Säulentempel mitten in der römischen Hauptstadt, von dem die Soldaten in die Schlachten zogen und bestenfalls siegreich wieder zurückkehrten, leitete Augustus auch eine neue Ära in der Stadtgeschichte ein: Rom wurde unter ihm zu einer Stadt aus Marmor und schloss zu den hellenistischen Weltstädten wie Alexandria oder Pergamon auf. Der Kaiser ließ breite Straßen mit Geschäften und Prunkbauten zum Flanieren und Einkaufen sowie einen Platz für öffentliche Gerichtsverhandlungen errichten.
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Die neue Lust am Bild machte sich auch im Stadtbild bemerkbar: So wurden an prominenten Bauten, Brunnen oder dem Eingängen zu Markthallen aufwendig gestaltete Terrakotten und Reliefs angebracht, die einfache ländliche Szenen wie etwa ein Mutterschaf mit dem Lamm oder eine Löwin und eine Wildsau mit ihren Jungen, zeigten. Drei dieser wertvollen Reliefs haben das Kunsthistorische Museum in Wien und das Archäologische Nationalmuseum von Pelestrina zur Ausstellung beigesteuert.
Relikte des privaten Lebens stammen aus Pompeii
Auch in den Wohnungen und Häusern schmückten und dekorierten die Menschen über alle Gesellschaftsschichten hinweg ihre Räume mit großformatigen Wandmalereien, Bildergalerien und Pinakotheken. Dreifüße aus Bronze oder Marmor und Kandelaber stellten Wohlstand dar, und sogar das Tafelgeschirr diente als vorzeigbarer Bildträger, wobei auch die Tischbeine besonders gestaltet wurden wie ein berühmtes Modell mit einem Sphinx-Profil zeigt. Es stammt aus der Casa del Fauno in Pompeii.
Dadurch, dass die Stadt von Lava überzogen und somit „eingeschmolzen“ wurde, konnten zahlreiche Relikte auch des privaten Lebens für die Nachwelt bewahrt werden. Viele wunderschöne Exponate in der Hamburger Ausstellung wie Wind- und Wasserspiele, erotische Skulpturen oder auch eine Venus im Bikini erzählen von eben diesem Leben vor der Katastrophe.
„Die neuen Bilder des Augustus. Macht und Medien im antiken Rom“ bis 15.1.2023, Bucerius Kunst Forum (U Rathaus), Alter Wall , täglich 11.00–19.00, Do 11.00–21.00, Eintritt 9,-/6,- (erm.), buceriuskunstforum.de. Führungen: 17.10., 15.11., 14.12..
Leser-Veranstaltung des Hamburger Abendblatts: Di 11.10., 19.30 exklusive Führung mit Andreas Hoffmann, Karte zu 29,- inkl. 1 Begleitperson, erhältlich über Hamburger Abendblatt Geschäftsstelle, Großer Burstah 18–32, Mo–Fr 9.00–18.00, Sa 10.00–16.00, www.abendblatt.de/leserevents, T. 040/30 30 98 98 | Mo.–Fr. 9–16 Uhr, Sa 9–13 Uhr (zzgl. Gebühren und Versandkosten)