Lübeck. Der weltweit gefeierte US-Autor kam zur Preisverleihung nach Schleswig-Holstein. Warum ihm die Auszeichnung so viel bedeutet.
„Das schaffst du nie.“ Als Jonathan Franzen sah, wie dichtgepackt sein Zeitplan für Freitag aussah, kamen ihm ernsthafte Zweifel, ob er den würde bewältigen können. Der US-Schriftsteller war nach Lübeck gekommen, um den Thomas-Mann-Preis entgegenzunehmen. Nachmittags las der Erfolgsautor („Die Korrekturen“) im Lübecker Theater aus seinem aktuellen Roman „Crossroads“. „Schade, dass die Zeit so knapp ist, aber es gibt so viel zu tun“, bedauerte der 63-Jährige.
Jonathan Franzen: Roman "Crossroads" Teil einer Trilogie
In „Crossroads“ erzählt Franzen eine Familiengeschichte aus dem Jahr 1971. Es geht um Rivalität, Lügen, Geheimnisse und Geschwisterliebe. Der Roman soll der Auftakt zu einer Trilogie sein, die über Generationen hinweg von dieser Familie aus dem Mittleren Westen erzählt. Natürlich wurde er gefragt, was für ein Verhältnis er zu Thomas Mann habe.
„Da gibt es keine besondere Beziehung, aber er war ein Gigant“, so Franzen, der abwechselnd Englisch und Deutsch sprach. Den „Zauberberg“ habe er als Roman genossen, aber Mann war ihm zu autoritär. „Nach außen wirkte er so majestätisch. Innen drin war er in keinem guten Zustand. Aber vielleicht müssen Schriftsteller so sein.“
Jonathan Franzen: Charaktere stehen im Mittelpunkt beim Schreiben
Trotzdem habe er sich über den Preis gefreut. „Als Amerikaner in Deutschland anerkannt zu werden ist bedeutungsvoll.“ Zu anderen deutschen Autoren hat er ein innigeres Verhältnis: Franz Kafka, Rainer Maria Rilke, Alfred Döblin. Über seine eigene Arbeitstechnik verriet er: „Ich denke beim Schreiben nicht über Konzepte nach, sondern über Charaktere.“ Manchmal verhedderte er sich ein wenig in seinen Antworten und begründete das so: „In Kalifornien ist es jetzt erst drei Uhr früh.“
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Jonathan Franzen hat mal in Deutschlands gelebt
Franzen spricht auch deshalb so gut Deutsch, weil er längere Zeit in Deutschland gelebt hat, in München und Berlin. Dies war jetzt allerdings der erste Besuch hier seit drei Jahren. Vermisst er etwas Deutsches in den USA? Seine Freunde, sagte er. „Und die europäischen Vögel.“ Franzen ist ein leidenschaftlicher „Birdwatcher“. Und umweltpolitisch engagiert.
„Wir müssen unser Bestes tun, um die Kohlendioxid-Emissionen zu senken. Ich kennen Klimawissenschaftler. Die schauen sich, anders als viele Politiker, die Zahlen an. Es gibt bei uns eine Unehrlichkeit im politischen Diskurs, sogar bei den Linken. Und ich gehöre zu den Linken.“
Jonathan Franzen: Kein Familienautor
Als Familienautor sieht er sich übrigens nicht, obwohl die Familie in seinen Büchern stets eine wichtige Rolle spielt. Diese Kategorisierung Label passt seiner Meinung nach besser zu Fjodor Dostojewski und Lew Tolstoi. „Die hatten Familien als Organisationsprinzip.“