Hamburg. Lautstarke Proteste vor der Elbphilharmonie, wo Anna Netrebko am Mittwochabend ein Konzert im Großen Saal gab.
Ein Kästchen, um Konzertkarten zu entsorgen – statt sie zu benutzen. Das hat es an der Elbphilharmonie noch nie gegeben. „Don’t support Netrebko“, rufen etwa drei Dutzend Demonstrantinnen und Demonstranten vor dem Konzerthaus am Mittwochabend, eine Stunde bevor die russische Star-Sopranistin im Großen Saal auftreten soll. Viele von ihnen haben ukrainische Fahnen dabei, einige halten Pappschilder in die Höhe mit Slogans wie „Diese Konzertkarten finanzieren den Tod unserer Kinder“, „Netrebko ist Unterstützerin von Putins Politik“ oder „Z-Kunst“, wobei das „Z“ das Symbol für den russischen Angriffskrieg ist. Die Protestierenden sind friedlich, aber sie sind laut und lassen keinen Zweifel an ihrer Haltung.
Protest vor der Elbphilharmonie gegen das Netrebko-Konzert
Elbphilharmonie: Besuchende wollen Kunst und Politik voneinander trennen
Manche der zu diesem Zeitpunkt ankommenden Besucherinnen und Besucher sind irritiert, manche reagieren mit Abwehr, viele haben es sehr eilig an den Demonstrierenden vorbei in die Tube und damit außer Hör- und Sehweite zu gelangen. „Es wird nicht die Kunst sein, es wird nicht Anna Netrebko sein, die diesen Krieg entscheidet“, sagt ein Karteninhaber-Paar aus Bamberg. Kunst und Politik wolle man voneinander trennen. Hartwig Königsberg aus Berlin erklärt, klar auf der Seite der Ukraine zu stehen, doch habe Anna Netrebko sich seiner Ansicht nach deutlich positioniert. Dass Künstler in Russland grundsätzlich eine gewisse Nähe zum System haben, sei in einer Autokratie nicht zu vermeiden.
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Elbphilharmonie: Netrebko war eine Nähe zu Wladimir Putin vorgeworfen worden
Ob Anna Netrebko die Proteste direkt mitbekommt, ist unklar, ihre Vorfreude auf das Konzert war aber offensichtlich groß.: Auf Instagram postete sie schon Mittwochmittag ein Foto, das sie und ihre Mezzosopran-Kollegin Elena Zhidkova an der Binnenalster zeigt, im Hintergrund das Hamburger Rathaus. Sie freue sich auf das anstehende Konzert in der Elbphilharmonie, schrieb sie dazu – umrahmt von Sternchen-in-den-Augen-Emoji und blauem Herz.
Bereits am Tag zuvor hatte Netrebkos Ehemann Yusif Eyvazov auf seinem Instagram-Kanal einen Hamburg-Schnappschuss mit Gattin abgesetzt. Ein ganz normales Konzert also, wenn auch zu nicht ganz normalen Preisen (bis zu 440 Euro wurden verlangt)? Angesichts des Kriegs gegen die Ukraine natürlich nicht, war Anna Netrebko doch in den vergangenen Monaten eine Nähe zu Wladimir Putin vorgeworfen worden und überzeugte ihre erst verhältnismäßig spät deutlich geäußerte Ablehnung des Krieges nicht jeden.
Elbphilharmonie: Auch Kultursenator Brosda kritisiert Netrebko
Auch Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda hatte im März im Abendblatt-Interview erklärt: „Ich glaube nicht, dass es gut wäre, wenn dieses Konzert stattfindet“, Elbphilharmonie-Intendant Christoph Lieben-Seutter gab zu Protokoll, er werde an diesem Abend „eher nicht“ im Saal sitzen.