Hamburg. „MS Dockville“-Veranstalter Frank Diekmann über Personalmangel, gestiegene Kosten und die Zukunft des Festivals in Wilhelmsburg.

Es herrscht eine gelassene Atmosphäre auf dem Areal an der Alten Schleuse in Wilhelmsburg wenige Tage vor Beginn des „MS Dockville“-Festivals. Aber von Freitag an bis Sonntag wird es wieder laut – und Frank Diekmann, Geschäftsführer der veranstaltenden Agentur Kopf und Steine, versichert, dass das die nächsten Jahre auch so bleiben wird.

175 Bands und DJs, darunter AnnenMayKantereit, Tash Sultana, Faber, Provinz, Alli Neumann, Haiyti und Leoniden tummeln sich auf 13 Bühnen und Dancefloors mitten im Industriegebiet im Hamburger Hafen.

Hamburger Abendblatt: Wie viele Fans werden erwartet, die Karten hängen ja bereits seit zwei Jahren an den Kühlschränken?

Frank Diekmann: Wir hatten im Oktober 2019 mit dem Vorverkauf begonnen und bis März 2020 bereits über 10.000 Tickets verkauft. Was sich inzwischen als Problem herausgestellt hat, weil die zu den alten Preisen verkauft wurden. Seitdem haben sich die Einkaufskonditionen und Produktionskosten exorbitant erhöht, insgesamt zahlen wir 35 Prozent drauf. Wir rechnen an den drei Festivaltagen mit jeweils bis zu 23.000 Besucherinnen und Besuchern. Das sind zehn Prozent weniger als 2019, aber immer noch sehr gut gefüllt und für das Publikum vielleicht auch ganz angenehm.

Rechnen Sie bei den 10.000 durchgeschleppten Tickets mit vielen No-Shows, also Ticketbesitzenden, die aus diversen Gründen nicht zum Festival kommen?

Diekmann: Wir hatten kürzlich bei unseren Veranstaltungen „Spektrum“ und „Vogelball“ auf dem Dockville-Gelände knapp zehn Prozent No-Shows, das ist eigentlich noch im normalen Bereich, besonders im Vergleich mit vielen anderen derzeitigen Veranstaltungen. Aber ein Ticket für 100 Euro und mehr lässt man auch nicht so schnell verfallen. Viele erinnern sich aber auch jetzt erst kurz vor der Veranstaltung daran und melden sich, wenn sie nun Fragen haben oder die Eintrittskarte mittlerweile verloren gegangen ist.

Wie sieht es mit der grassierenden Personalnot aus, haben Sie alle helfenden Hände vom Bierstand bis zur Bändchenausgabe zusammen?

Diekmann: Wir haben das große Glück, dass wir fast alles mit unserem eigenen Personal schaffen. Zugemietete Kräfte sind extrem teuer geworden. Wo wir den Mangel besonders merken, ist in der Gastro. Von den innovativen, kleinen veganen und vegetarischen Foodständen, die auch das „MS Dockville“ besonders machen, haben viele die Corona-Pausen nicht überlebt oder sich umorientiert. Und auch da ist vieles teurer geworden oder schlicht nicht mehr zu bekommen. Wir werden aber bei weitem nicht so teuer wie auf anderen Festivals. Ich habe die Preise bei „Rock am Ring“ gesehen, da zahlt man ja schon drei Euro Becherpfand, das ist wirklich sportlich. Bei uns kostet ein 0.4-Becher Bier 5 Euro, das ist für uns alte Bierhasen sicher viel Geld, aber auch die Einkaufspreise haben sich um 30 Prozent erhöht. Lustigerweise ist der Bierpreis immer noch das Maß aller Dinge, alles andere kann teurer werden, aber beim Bier ist wirklich Feierabend.

Wie steht es um die Zukunft von „MS Dockville“? Das Gebiet mitten im Hafen ist sehr begehrt.

Diekmann: Es gibt eine Menge Interessen, das ist richtig. Aber wir haben mit der Hafenbehörde, die dieses Gelände natürlich industriell und gewerblich entwickeln möchte, die Vereinbarung, dass wir auf jeden Fall bis mindestens einschließlich 2026 auf diesem Gelände bleiben dürfen. Wir haben auch die Zusage, dass wir – falls wir dieses Gelände räumen müssten – anschließend ein neues Gelände in Hamburg bekommen. Es gibt da viele Ideen, aber das ist aber noch Zukunftsmusik, an die ich noch nicht so recht glaube. Wir haben hier 20 Hektar in einer einzigartigen Nutzung: ein Festivalsommer, der Strahlkraft für junge Menschen weit über Hamburg hinaus hat. Ein ähnlich attraktives Gelände zu finden, würde eine große Herausforderung werden.

Glauben Sie, der Stadt ist die Bedeutung des „MS Dockville“ als Kultur- und Wirtschaftsfaktor bewusst?

Diekmann: Die Location und das Festival sind sehr besonders, einzigartig in Deutschland mit toller Musik, Kunst, Innenstadtnähe und Ambiente. Natürlich haben auch wir Vorbilder, aber durch unsere begrenzte Größe und das begrenzte Budget können wir uns keine Foo Fighters oder Red Hot Chili Peppers leisten, sondern setzten auf junge, aufstrebende Künstlerinnen und Künstler wie 2019 - ein genialer Schachzug unserer Bookerin - Billie Eilish. Und der Stadt ist das bewusst. Da muss ich auch ein Dankeschön loswerden, denn die vergangenen zwei Jahre waren für Kulturfirmen wie uns nicht einfach; aber wir sind in dieser Zeit gut unterstützt und gefördert worden, gerade von der Kulturbehörde. Wir haben national und international viele Kontakte, und da kann ich sagen, dass Hamburg da Einzigartiges gestemmt hat. Das wollen wir jetzt mit einem tollen Festival feiern.

„MS Dockville“ Fr 19.8. bis So 21.8., Reiherstieg Hauptdeich, Alte Schleuse (S Wilhelmsburg + Shuttle), Karten ab 80-, (Tagesticket) bis 160,- (Drei-Tages-Ticket exkl. Camping); www.msdockville.de