Hamburg. Der Enkel des weltberühmten Expressionisten, ein Neu-Dessauer, besuchte Hamburg. Eine Schau seines Großvaters führt ihn in die Stadt.

Die Werke des „great man“ hätten überall im Haus gehangen. Sein Vater habe den großen Lyonel Feininger (1871–1956) verehrt, erzählte Conrad Feininger. Aber den Geburtsnamen setzte Theodore Lux (1910–2011) nie als Signatur auf seine eigenen Kunstwerke. Lux, der in Berlin als jüngstes Kind Lyonel Feiningers geboren wurde und ganz jung am berühmten Bauhaus lernte, wollte nie Vergleichen ausgesetzt sein. Er war Kunstlehrer in Boston, Maler, Fotograf. Der Nachkomme eines Künstlergeschlechts, der nicht aus der Art schlug. Conrad Feininger wiederum, Jahrgang 1959, tut das auch nicht. In seiner US-Heimat arbeitete er als Schauspieler, wie sein berühmter Onkel Andreas Feininger ist er auch Fotograf.

Conrad ist nicht berühmt, will es gar nicht sein. Als er an diesem Abend bei Felix Jud gefragt wurde, ob er, vergleichbar mit Lyonel Feininger, der einige Jahre seines Lebens „der Amerikaner in Weimar“ war, nun „der Amerikaner in Dessau“ sei, antwortete Conrad Feininger: „Das bin ich nicht, ich bleibe hier undercover.“

Conrad Feininger: "Hier bleibe ich undercover"

Vielleicht weil er tatsächlich auch nicht an dem VIP der amerikanisch-deutschen Kunstgeschichte, dem legendären Expressionisten und Kubisten Lyonel Feininger, gemessen werden will, auf welche Weise auch immer. Dabei ist es Conrad, der zuletzt die Pointe dieser einzigartigen, zwischen den Polen Europa und Amerika oszillierenden Familien- und Kulturgeschichte setzte. Als er jetzt nach Hamburg zur Eröffnung der Schau „Lyonel Feininger: Fernweh und Heimathafen“ reiste („Ich bin das allererste Mal hier, kenne bislang lediglich den deutschen Osten“), tat der Feininger-Enkel das als deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz Dessau.

Vor zwei Jahren zog Conrad Feininger der Liebe wegen an den Ort, in dem sein Großvater und Vater einst lebten, studierten und wirkten: im Bauhaus, der weltbekannten Kunst- und Ästhetikschule. Was für eine Geschichte. Dessau hat, stellvertretend für das ganze Land, Conrad Feininger gewissermaßen wie einen verlorenen Sohn aufgenommen. Und jenes Land hat ihm dann die Staatsbürgerschaft angeboten. Ihm, dem Nachfahren des Mannes, der Mitte der 1930er-Jahre, jenem Schicksalsjahrzehnt der von der Zivilisation abgefallenen Deutschen, in seine Geburtsstadt New York zurückkehrte. Nachdem sein Werk von nazistischen Reinheitsfanatikern der sogenannten „Entarteten Kunst“ zugeschlagen worden war.

Feiniger und seine extrem interessante Famile

Feininger wurde in eine extrem interessante Familie hineingeboren. Beim kurzen Gespräch mit Annika Sprünker, die die Schau bei Felix Jud – das 2023 satte 100 Jahre alt werdende Traditionshaus verkauft auch Kunst und stellt diese aus – verantwortet, berichtete der Mützenträger in knappen Worten von der Großzügigkeit der deutschen Regierung, die eine historische Schuld beglich. Dass er auf Dauer Sachsen-Anhaltiner bleibt, ist für Feininger ausgemacht: „Ich habe keine Pläne, nach Amerika zurückzugehen.“

Deutsch spricht er nicht. Aber er versteht es, also wird er in den Momenten, in denen bei Felix Jud aus deutschen Briefen seines Großvaters gelesen wurde, nicht komplett verloren gewesen sein. Im obersten Stockwerk des Bücher- und Bilderhauses hängen – die Preise fangen bei knapp 10.000 Euro an und enden bei 85.000 Euro – anderthalb Dutzend kleinformatige Arbeiten des Meisters, Aquarell, Kohle, Tusche, Bleistift auf Papier. Ungefähre Stadtimpressionen, Meerlandschaften, Boote und Loks; Eisenbahnen und Schiffe, wissen Kennerinnen und Kenner, begeisterten Feininger seit dem Kindesalter. Sagen wir mal so: In der Sardinenbüchse Felix Jud, in der sich anlässlich des Besuchs zumindest für die Abmessungen der unvergleichlichen Kulturklause in der Hamburger Innenstadt recht viele Besucherinnen und Besucher drängten, machten die Kleinkunstwerke Feiningers durchaus etwas her. Aber seine farbprotzenden Expressionismuswerke sind, na klar, noch mal ein anderer Schnack.

Die Feininger-Söhne hielten sich an der Elbe auf

Apropos: Hamburgbezüge der Sippe gibt es zuhauf. Die Feininger-Söhne hielten sich an der Elbe auf. Und Lyonel Feininger, dessen deutschstämmige New Yorker Eltern Musiker waren, kam 1888 auf deren Betreiben auf die Kunstgewerbeschule Hamburg. „Lyonels Vater Karl war dann nicht glücklich über die Entscheidung seines Sohnes, Maler statt Violinist zu werden“, erklärte Conrad Feininger, der Lyonel Feiningers Hamburg-Stunt – nämlich die altehrwürdige Schule schon nach einem Jahr zu verlassen, um nach Berlin auf die Königliche Akademie der Künste zu gehen – als „erste große Rebellion“ seines Großvaters bezeichnete.

Die Wege führten also auch Ende des 19. Jahrhunderts von Hamburg nach Berlin. Bevor Conrad Feininger wiederum die Heimreise nach Dessau antrat, stand die Hamburg-Besichtigung an. Er wolle, sagte er dem Publikum, vor allem am Wasser entlang die Stadt erkunden. Das passte gut zu den Motiven der Schau; zum Fernweh und dem maritimen Touch in den kleinen Bildern des großen Lyonel Feininger.