Lübeck. Eine der wichtigsten Sammlungen afrikanischer Kunst hat in Lübeck eine neue Heimat gefunden. Jetzt wird ein Teil in Museen präsentiert.

Am 5. September 2018 erhielt Hans Wißkirchen einen Anruf aus Kiel. Ein Bernd Muhlack wollte der Stadt Lübeck seine Sammlung afrikanischer Kunst vermachen, erzählt der Leiter der Lübecker Museen. So etwas komme häufiger vor, meist seien das für ein Museum wenig ergiebige Angebote, und von Muhlack habe er auch noch nie gehört. Was wenig verwunderlich ist: Muhlack war ein sehr zurückhaltender Sammler, ein Möbel- und Holzhändler, der in der Szene kaum bekannt war.

Muhlacks Sammlung war millionenschwer

Dennoch fuhren Wißkirchen und Lars Frühsorge in die Landeshauptstadt, um den potenziellen Spender zu besuchen. Und waren erschlagen: Die Sammlung, die er in seiner 400-Quadratmeter-Wohnung nahe des Kieler Hauptbahnhofs präsentierte, war millionenschwer, 3655 Kunstwerke, Fetische und Alltagsgegenstände vom 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung bis in die Gegenwart, dazu eine riesige Bibliothek zu afrikanischer Kunst und eine umfassende Fotosammlung.

Nachdem Muhlack 2020 mit 83 Jahren gestorben war, nahmen die Lübecker Museen das Angebot entsprechend gerne an – und können jetzt erstmals zehn Prozent der riesigen Sammlung präsentieren, im Rahmen der Ausstellung „Macht und Magie – Tiere in den afrikanischen Kulturen“ im Museum für Natur und Umwelt sowie „Heilige Zeichen – Brisante Objekte. Religiöse Vielfalt in Afrika“ im St. Annen-Museum.

Muhlack verbrachte aus beruflichen Gründen ab 1959 mehrere Jahre in Kamerun und erlebte dort, wie die ehemalige Kolonie in die Unabhängigkeit entlassen wurde. Seine ab 1960 entstandene Sammlung ist entsprechend eine postkoloniale – im Gegensatz zu vielen ethnografisch orientierten Kollektionen handelt es sich hier nicht um Raubkunst, sondern um Werke, die auf Augenhöhe gehandelt wurden. Gleichwohl erwähnt Frühsorge, dass Muhlack nicht nur Kunstfreund, sondern durchaus auch hart verhandelnder Kaufmann war. Natürlich werde Provenienzforschung betrieben, um etwaige Rückgabeforderungen zu prüfen.

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Bestimmten Skulpturen wurde große Macht zugesprochen

Zudem ist dem Museumsmacher bewusst, dass bestimmte Exponate nicht zur Präsentation gedacht waren, sondern für kultische Zeremonien. Ein Hinweissticker „Diesen Skulpturen wurde vor ihrer Entweihung große Macht zugesprochen. Respektlosigkeit vor ihnen konnte Wahnsinn, Krankheit oder sogar den Tod zur Folge haben“ gibt eine Ahnung davon, dass das jeweilige Objekt auch Subjekt sein kann. Eines der spektakulärsten Ausstellungsstücke, die riesige „Batcham-Maske“ aus dem Kamerun des 19. Jahrhunderts, enthält eine kleine Beschädigung, die womöglich extra angebracht wurde, um die magische Kraft zu brechen.

Tatsächlich scheint Muhlacks Sammlung in Lübeck an einem passenden Ort untergekommen. Einerseits, weil beispielsweise die Dauerausstellung im St. Annen-Museum das Verhältnis der Hansestadt zu Afrika immer schon mitdachte – Lübeck war auch in vorkolonialer Zeit multikulturell geprägt und nahm immer wieder Einflüsse aus anderen Kontinenten auf. Andererseits, weil eine Ausstellung wie „Heilige Zeichen – Brisante Objekte“ durch diese Exponate tatsächlich eine politische Kraft gewinnt: als Präsentation von Weltanschauungen, die zwischen Islam, Christentum, Judentum und Geisterglauben so wenig Unterschiede machte wie zwischen Afrika und Europa.

Macht und Magie bis 24. Juli, Musum für Natur und Umwelt, Musterbahn 8, Lübeck, Heilige Zeichen – Brisante Objekte bis 17. Juli, St. Annen-Museum, St.-Annen-Straße 15, Lübeck, www.afrika-in-luebeck.de