Harburg . Ausstellung: „Kalon“ ist die Auseinandersetzung mit Vergangenheit und Vergänglichkeit. Das hat einen ernsten Grund
Vom Harburger Maler „Toro“ hat man jahrelang nichts mehr gehört. Jetzt meldet sich der Künstler zurück. Heute eröffnet in seinem Rönneburger Atelier die Ausstellung „Kalon“. Mit für seine Verhältnisse kleinen Formaten beschäftigt sich Toro in dieser Bilderschau mit Vergangenheit und Vergänglichkeit. Das hat einen Grund: Mentor A. „Toro“ Ejupi ist dem Tod von der Schippe gesprungen und kämpft sich seit drei Jahren zurück ins Leben. Dazu gehört auch die Kunst.
Als Toro bei der Vorbereitung seiner letzten großen Ausstellung „In Excess“ im Frühjahr 2019 mehrmals entkräftet zusammenbrach, dachte er noch, er hätte sich im Malrausch überbeansprucht und müsse sich nur erholen. Toro verlegte sein Atelier vom Marktkauf-Center nach Rönneburg, wo ihm der Besitzer einer Druckerei das ehemalige Litho-Belichtungsstudio als Arbeitsraum überließ. Doch mit Erholung und Wechsel an einen ruhigeren Ort war es nicht getan: In Toro wuchs ein Tumor und bedrohte sein Leben. Operationen und Chemotherapien folgten. Ganz gewonnen ist der Kampf noch nicht, aber Toro liegt wieder in Führung.
Mehr als die Hälfte dieses Lebens hat Toro in Harburg verbracht
„Es klingt, wie ein Klischee, aber als ich für die OP vorbereitet wurde, zog mein Leben an mir vorbei“, sagt Toro, „die Helden meiner Jugend, meine künstlerischen Vorbilder, meine Liebsten, mein Arbeiten. Und ich wusste, dass ich das irgendwie künstlerisch umsetzen muss.“
Mehr als die Hälfte dieses Lebens hat Toro in Harburg verbracht, obwohl er nur zufällig hier hängen blieb. Eigentlich war er auf dem Weg aus seiner Heimatstadt Pristina im Kosovo, wo Künstler wegen des Bürgerkriegs keine Perspektive hatten, nach Utrecht, wo er einen Job antreten wollte. Unterwegs besuchte er Verwandte in Harburg und blieb. Lange verdiente der in Pristina und London ausgebildete Maler seinen Lebensunterhalt in der Gastronomie, machte als Konzeptkünstler auf sich aufmerksam, beispielsweise, als er die Elbe selbst Bilder mit ihrem Flutsaum malen ließ. Als das Harburger Bezirksamt sich daran machte, den Gloria-Tunnel zu beleben, wurden die Räume darin Toro als Galerie und Atelier zur Verfügung gestellt. Finanzieren sollte er den Kunstbetrieb mit dem Betrieb eines Cafés in den Nachbarräumen. In der Tat brachte Toro aufregende Ausstellungen und auch eigene Werke in den Tunnel. Das Café hingegen rechnete sich nicht. Das Experiment wurde eingestellt.
Toro ist für großformatige Gemälde bekannt. Wegen der Krankheit fehlte ihm dafür allerdings zunächst die Kraft. „Aber ich hatte so viele Bilder in mir, die herauswollten. Also habe ich angefangen, zu zeichnen“, sagt er. „Das hat den Vorteil, dass ich auch zu Hause arbeiten kann. Denn auch das habe ich festgestellt: In der Vergangenheit habe ich oft 14 bis 16 Stunden am Tag im Atelier verbracht und kein Ende gefunden. Meine Familie hatte nicht viel von mir. Das war egoistisch.“
Ins Zeichnen musste sich der Maler zunächst wieder hineinfuchsen
Ins Zeichnen musste sich der Maler zunächst wieder hineinfuchsen. „Ich habe diese Techniken alle gelernt, aber lange nicht angewandt“, sagt er.
100 Werke sind entstanden, 80 davon stellt Toro ab heute aus. Es sind Stationen seines Lebenswegs aber auch seiner künstlerischen Entwicklung. „Kubismus, Surrealismus und Pop-Art haben mich beeinflusst“, sagt er. „Einige Werke tragen Züge von allem. Und je mehr ich zeichnete, desto detailverliebter wurde ich. Einige der Zeichnungen haben mich so viel Zeit gekostet, wie einige große Gemälde!“
„Kalon“ heißt die Ausstellung. Das ist albanisch für „Es geht vorüber!“ Das könne man für die Krankheit sehen, aber auch für das Leben, sagt Toro. Es ist eine Redensart, die er zuletzt häufig gebrauchte. Seine Tochter schlug ihm vor dies als Ausstellungstitel zu nehmen. Sie ist Grafikdesignerin und gestaltete das Ausstellungsplakat gemeinsam mit ihrem Vater.