Hamburg. Intendant Daniel Kühnel stellt Programm für die Saison 2022/2023 vor. Spannung verspricht eine Gastdirigentin.

„Wir sind ein Orchester, das etwas will“, sagt Daniel Kühnel. Und was er meint, ist: Es geht um mehr als darum, einfach nur Konzerte zu geben, ein langjähriges Abopublikum zufriedenzustellen, nach zwei Jahren Pandemie irgendwie zur Normalität zurückzukehren.

Der Intendant der Symphoniker Hamburg weiß sich in der Stadt großer Konkurrenz gegenüber, nicht nur durch das NDR Elbphilharmonie Orchester und das Philharmonische Staatsorchester, auch durch die strahlkräftigen Klangkörper aus aller Welt, die regelmäßig in die Elbphilharmonie kommen. Umso wichtiger ist es ihm, die Alleinstellungsmerkmale seiner Symphoniker zu betonen, die nicht nur mit ihrer Spielstätte, der weithin beliebten Laeiszhalle, punkten, sondern auch mit einem Spielzeit-Motto, unter dem jeweils das Programm subsumiert wird. In der Saison 2022/2023, die Kühnel im Brahms-Foyer vorstellt, lautet es „Flügelschlag“, in Anlehnung an Goethes „Urworte. Orphisch“.

Wie die Symphoniker Hamburg neu durchstarten wollen

Die Spielzeit sei „eine Einladung zum kollektiven Flügelschlag“, sagt der Intendant, denn ein „gemeinsamer Flug der hoffnungsfrohen Fantasie“ erscheine in Zeiten von Pandemie und Krieg nötiger denn je. Ein Flug in der Sprache der Musik, die sich nur erschließe, wenn man sie live erlebe, denn: „Man kann Beethovens 5. Sinfonie nicht in einem Satz zusammenfassen, man muss dabei sein.“

Dass möglichst viele trotz langer, coronabedingter Entwöhnung wieder live in der Laeiszhalle (und bei zwei Sonderkonzerten in der Elbphilharmonie) dabei sind, darauf hofft auch Chefdirigent Sylvain Cambreling, der insgesamt 15 Konzerte dirigiert, darunter nach 45 Jahren zum ersten Mal wieder Igor Strawinskys Orchestersuite „Der Feuervogel“, die am 8. Januar 2023 in der Laeisz­halle mit Werken von Enescu und Mozart kombiniert wird.

Nicht die einzige eher ungewöhnliche Zusammenstellung: Auch Avantgardistisches wie Sciarrinos „Autoritratto nella notte“ und Berios „Solo“ für Posaune und Orchester mit Beethovens Achter zu verbinden zeugt von der Lust an der Horizonterweiterung – nicht nur in Richtung Publikum, sondern auch in Richtung Orchester. „Das sind Programme, die vielleicht nur wir uns trauen“, sagt Daniel Kühnel. Und auch wenn das etwas hoch gegriffen scheint: Interessant und mutig ist es allemal.

Symphoniker Hamburg: Intendant Daniel Kühnel stellt Programm vor

Ansonsten gibt es unter Cambreling noch mehr Strawinsky (u. a. „Le Sacre du Printemps“), Faurés „Requiem“, Bruckners und Mahlers Vierte, Beethovens Fünfte und Neunte, Haydns „Schöpfung“, Tschaikowskys „Pathetique“ und zum Saisonabschluss im Juni 2023 endlich, nach zwei vergeblichen Anläufen (Corona ...), Berlioz’ „Symphonie fantastique“. Als Gastdirigent ist neben Jacek Kaspszyk, Harry Ogg, Finnegan Downie Dear, Kwamé Ryan, Alexander Liebreich, Stefanos Tsialis und Olari Elts auch eine Legende angekündigt: Charles Dutoit (85) dirigiert am 20. November unter anderem Ravels Klavierkonzert für die linke Hand (Solist: Nelson Goerner) und Dvořáks Symphonie „Aus der Neuen Welt“.

Dirigentin Chang Han-na begann ihre Karriere als Cellistin.
Dirigentin Chang Han-na begann ihre Karriere als Cellistin. © Ole Wuttudal | Ole Wuttudal

Bei der Programmpressekonferenz extra per Video zugeschaltet wird aber nicht er, sondern eine Frau, auf die sich künftig sehr viele Augen (und Ohren) richten dürften: Dirigentin Chang Han-na, seit 2017 Chefin beim Trondheim Symfoniorkester und ab der kommenden Saison Erste Gastdirigentin bei den Symphonikern Hamburg. Im Oktober 2021 gab sie hier als kurzfristige Einspringerin ihr Debüt und hinterließ einen solch bleibenden Eindruck, dass Daniel Kühnel, der von ihrer enormen Energie schwärmt, sie nun für Jahre an sein Orchester gebunden hat.

Dirigentin Chang Han-na ab der kommenden Saison Erste Gastdirigentin

Tatsächlich machen bereits ihre kurzen Statements per Videoschalte Eindruck: Da sind Leidenschaft und Entdeckergeist ebenso zu spüren wie die große Vorfreude auf die kommende Arbeit mit den Symphonikern, darauf, gemeinsam mit ihnen „den perfekten Klang“ zu finden. Wenn die 39-Jährige, die bereits als Cellistin ein Star war, gestenreich davon berichtet, wie das Studium einer Beethoven-Partitur einst in ihr den unbedingten Wunsch entfachte, Dirigentin zu werden, dann lässt sich erahnen, welchen zusätzlichen Energiestoß sie dem Orchester geben dürfte.

Wegen ihres prall gefüllten Terminkalenders kann sie in der Saison 2022/2023 nur zweimal in Hamburg dirigieren, am 4. Dezember (u. a. Beethovens Siebte) und am 26. März (u. a. Schostakowitschs Fünfte), aber für die kommenden Jahre sind deutlich mehr Dirigate vorgesehen.

Acht aus dem Orchester heraus besetzte Kammerkonzerte und ein breites Educationprogramm, bei dem etwa Briefpatenschaften und Probenbesuche für Grundschulklassen geplant sind, runden ein Angebot ab, für das der Aboverkauf am 17. Mai beginnt. Einzelkarten sind ab dem 8. Juni erhältlich.