Hamburg. Das Kunstspiel zum Mitmachen – jeden Montag im Abendblatt. Heute: Caspar David Friedrich und „Das Eismeer“.
Dieses Bild dürfte zu den Greatest Hits der Kunsthalle gehören. „Das Eismeer“ von Caspar David Friedrich (1774–1840), auch bekannt unter dem noch dramatischeren Titel „Die gescheiterte Hoffnung“. 1823/24 hat er es gemalt.
Ein eisblauer Himmel erstreckt sich über dieser unwirtlichen Szenerie. Im Vordergrund türmen sich mächtige Eisschollen zu einer pyramidenartigen Konstruktion übereinander. Zwischen ihnen ragen zersplitterte Baumstämme empor. Links im Hintergrund scheint ein Eisberg zu treiben. Erst auf den zweiten Blick entdeckt man ein Schiffswrack, das offenbar von den Eismassen zermalmt wurde.
Kunsthalle Hamburg: Friedrich verwendet Grau- und Brauntöne
Friedrich verwendet für die Eisschollen Grau- und Brauntöne, also andere Farben, als man normalerweise mit Eisschollen assoziieren würde. Er erzielt mit ihnen aber eine enorme Tiefenschärfe, das Bild wirkt nahezu dreidimensional und ist mit großer Präzision gearbeitet. Die Stimmung des Bildes ist eine von beklemmender Trostlosigkeit und von großer Dramaturgie. Die Natur widersetzt sich hier dem Eindringen des Menschen und schafft so etwas wie ein Grabmal.
Man fühlt sich an die Fotos der Expedition des britischen Forschers Ernest Shackleton erinnert, der fast 100 Jahre später versuchte, den Südpol zu erreichen, aber scheiterte, weil das Packeis sein Schiff zerstörte. Das Wrack dieser „Endurance“-Expedition (1914–17) wurde erst Anfang März unter Wasser entdeckt.
Friedrichs Bruder ertrank bei einem Einbruch ins Eis
Friedrich gilt als der Landschaftsmaler der deutschen Romantik. Durch seinen kontemplativen Umgang mit der Natur brachte er eine bis dahin unbekannte nachdenkliche, oft geradezu philosophische Betrachtungsweise zum Ausdruck. Die melancholischen Bilder sind Allegorien auf Einsamkeit, Tod und Hoffnung auf Erlösung. Dafür stehen auch seine bekannten Bilder „Wanderer über dem Nebelmeer“ und „Mönch am Meer“.
Friedrich kam aus einer Handwerkerfamilie aus Greifswald. Sein Vater war Seifensieder. Ein prägendes Ereignis dürfte ein schreckliches Kindheitserlebnis im Teenageralter gewesen sein. Im Jahr 1787 ging er mit seinem Bruder Christoffer Schlittschuh laufen. Caspar brach ins Eis ein, Christoffer versuchte ihn zu retten und ertrank, Caspar konnte gerettet werden. Biografen meinen in diesem tragischen Ereignis den Grund für seine tief sitzende Melancholie erkannt zu haben.
„Nie wurde die Arktis glaubwürdiger dargestellt"
Über Friedrichs Arbeitsweise gibt es Widersprüchliches zu berichten. Einer seiner Schüler sagte, der Maler habe nie Entwürfe oder Farbstudien für seine Bilder gemacht, weil er der Meinung war, das schade der Vorstellungskraft. Aber dann fand man doch Bücher mit Zeichnungen und Entwürfen. So ist der Maler damals an die Elbe, wahrscheinlich nach Dresden, gereist, weil er dort den starken Eisgang beobachten wollte. Solche Kaventsmänner, wie er sie später auf seinem Bild darstellte, hat er bei dieser Gelegenheit aber sicherlich nicht gesehen.
„Nie wurde die Arktis glaubwürdiger dargestellt. Alles ist messerscharf beobachtet und unerbittlich nahgerückt, schiebt sich gleichsam auf den Beschauer zu“, schreibt die Kunsthistorikerin Juliane Roth über dieses Bild. Und: „Man fühlte sich seinen Landschaften geradezu ausgeliefert, ihrer Kahlheit, ihrer Öde, ihrer Melancholie. Kleist sagte es unübertrefflich: ,Es ist, als ob einem die Augenlider weggeschnitten wären.‘ Er malte, was er in sich sah, aber unterließ dabei nicht, zu zeichnen, was er vor sich sah.“
Kunsthalle Hamburg: Friedrich starb in Einsamkeit
Eine eigene Schule hat Friedrich nicht gebildet. Zu seinen Freunden zählte aber der Arzt und Philosoph Carl Gustav Carus und der norwegische Maler Christian Clausen Dahl.
- Wie Wassily Kandinsky Musik und Kunst vereinte
- Der Künstler, der das Leben auf eine Bühne heben wollte
- Von Chill-out-Show bis Technik-Party – die Tipps der Woche
„Das Eismeer“ wurde zu Friedrichs Lebzeiten nicht verkauft. Der Künstler starb in Einsamkeit und Verbitterung. Heute zählt er zusammen mit Albrecht Dürer zu den bekanntesten deutschen Malern überhaupt. Hunderttausende kommen in die Ausstellungen mit seinen Bildern.