Hamburg. Der Kabarettist und Parodist spielt Mittwoch bis Freitag „Richling #2022“ in den Kammerspielen. Was ihn ärgert, sagt er im Interview.

Er ist noch immer so etwas wie der Rast- und Ruhelose unter Deutschlands Satirikern. Schon seit fast fünf Jahrzehnten, seit seinem ersten Soloprogramm „Köpfe u.v.a“ 1974, tourt Mathias Richling im gesamten deutschsprachigen Raum. An seinem 69. Geburtstag hatte der fernsehbekannte Kabarettist und Parodist mal keinen Auftritt, er nahm sich stattdessen Zeit für ein Interview mit dem Abendblatt.

In Hamburg kennt sich Richling auch ohne Stadtplan aus. Hier hat der gebürtige Schwabe im Laufe seine Karriere unzählige Male auf fast allen Bühnen gespielt – angefangen vom längst geschlossenen kleinen Macadam Theater an der Deichstraße über Kampnagel bis zur Laeiszhalle, die er noch immer „Musikhalle“ nennt. Nachdem Richling jahrelang regelmäßig im St. Pauli Theater gastiert hat, kehrt er für drei Abende diese Woche in die Hamburger Kammerspiele zurück.

Hamburger Kammerspiele: Corona noch spürbar

Im St. Pauli-Theater sei es wegen der Eigenproduktionen zu dieser Zeit dort stets nur möglich gewesen, Termine Ende Mai/Anfang Juni zu bekommen. „Das war wegen guten Wetters und des Bedürfnisses der potenziellen Zuschauer, in dieser Jahreszeit lieber Biergärten als ein Theater aufzusuchen, für die Auslastung schwierig“, sagt Richling. Doch nun haben wir ganz andere Zeiten - nicht bloß wegen Corona.

Hamburger Abendblatt: Kollegen von Ihnen klagten zuletzt über ein eher zögerliches Zuschauerverhalten, über die „Klebkraft der Couch“. Spüren Sie beim Publikum nach mehreren Lockdowns und monatelangen Theaterschließungen 2020 und 2021 einen satirischen Nachholbedarf?

Mathias Richling: Den spüre ich. Aber er wird von vielen Zuschauern nicht in die Tat umgesetzt, das stimmt. Wobei immer zu erinnern ist, dass das RKI schon vor über einem Jahr mitteilte, dass die Ansteckungsquote für Corona in Theatern, Gaststätten und Museen bei drei bis fünf Prozent liegt, im privaten Bereich bei bis zu 60 Prozent. Man ist also sicherer im Theater als zu Hause.

Oder hält nach der Corona-Krise jetzt der Ukraine-Krieg die Menschen davon ab, Live-Kabarett richtig zu genießen?

Richling: Das eher nicht, denn die Menschen wollen auch eine Analyse der dramatischen Umstände. Die versuche ich im Programm natürlich zu leisten. Denn Satire muss sich immer auch mit den unangenehmen Tagesereignissen auseinandersetzen. Mich stört hier nur das Wort „genießen“. Zu verdauen wäre richtiger.

Schon vor vier Jahren hatten Sie sich in Ihrem Zukunfts-Programm „Richling und 2084“ außer mit Trump und Erdogan auch mit Putin beschäftigt. Wie gehen Sie jetzt mit diesem Kriegstreiber um – und spielen die anderen beiden machtbesessenen (Ex-)Präsidenten für Sie noch eine Rolle?

Richling: Trump spielt gewiss bei mir momentan keine Rolle mehr. Es hoffen ja alle, dass er vergangen ist. Aber mit Putin beschäftige ich mich selbstverständlich. Ich habe Putin ja schon gespielt, lange bevor er sich selbst parodiert hat. Aber Putin nur als Parodie erscheinen zu lassen wäre wirklich zu verharmlosend. Ich benutze zur Decouvrierung dann schon andere Mittel. Aber ich will hier nichts vorwegnehmen.

Wie oft müssen Sie ihr aktuelles Programm „Richling #2022“ denn derzeit umschreiben - allabendlich? Worum geht es im Kern?

Richling: Es geht um die ständig wechselnden – übrigens auch von Bundesland zu Bundesland – Corona-Maßnahmen, um die neue Regierung mit Scholz, „Baerbockin“ als Außenminister, Lindner als Jugendschreck, den gleichwohl 33 Prozent der Erstwähler ins Amt gehievt haben. Es geht um Diskriminierung, um Missbrauch der Kirche, der Papst kommt vor, Herr Schäuble, Herr Lauterbach, Herr Merz, Söder, Gabalier, Boris Becker, Leonardo da Vinci, Zuckerberg, Steinmeier… Und ich komme übrigens auch vor.

Sie selbst hatten im Vorjahr Neu-Kanzler Olaf Scholz auf der Bühne als „Secondhand-Merkel“ und „sozialdemokratische Ausschussware“ verspottet, vor drei Jahren den jetzigen FDP-Finanzminister Christian Lindner als „Schreckgespenst der Parteienlandschaft“. Hat Sie überhaupt jemand aus der Ampel-Regierung positiv überrascht?

Richling: Nein. Man hätte annehmen können, dass ein Habeck eine gewisse Glaubwürdigkeit einbringt, indem er zum Beispiel klar sagt, was immer wir für das Klima tun – müssen - , werden frühestens unsere Urenkel ernten. Im Gegensatz zu „Baerbockin“, die stets zu verstehen gab: wenn wir morgen keine Inlands-Flüge haben, bekommen wir übermorgen kein Hochwasser mehr. Aber mit seiner tiefen Buckelung vor den Scheichs für neue Energiequellen hat Habeck doch einiges an eigenem Ansehen zerstört.

Was viele demokratisch legitimierte Regierende bewirken respektive nicht bewirken können, sehen wir ja leider aktuell. Mit Verlaub, was können Sie als altgedienter und erfahrener Kabarettist noch erreichen?

Richling: Es wäre überheblich zu sagen, Satire könne primär etwas bewirken. Sie kann im Verbund mit anderen auf etwas hinwirken, vielleicht auslösen. Das Einzige, denke ich, was sie kann, ist den Menschen Formulierungen zu geben für Dinge, die sie umtreiben, von denen sie aber nicht wissen, wie sie sie ausdrücken sollen. Und damit eigene Meinung zu verfestigen. Denn es gilt: Was man nicht gesagt oder ausgesprochen hat, hat man nicht gedacht.

„Richling #2022“ Mi 30.3.-Fr 1.4., jew. 19.30, Kammerspiele (U Hallerstraße), Hartungstr. 9-11, Karten zu 18,- (erm. 10,-) bis 40,- unter T. 413 34 40; www.hamburger-kammerspiele.de