Hamburg. Veranstalter Daniel Dombrowe über den Neustart des Musik-Festivals nach zwei Jahren Coronapause – mit einem Headliner aus Hamburg.
Vor 15 Jahren veranstaltete der Hamburger Daniel Dombrowe den ersten „Baltic Soul Weekender“ in der Ferienanlage Weissenhäuser Strand an der Ostsee – und schuf einen Festivaltrend, der bis heute anhält. Nach zwei Jahren Corona-Pause sollen vom 29. April bis zum 1. Mai wieder alte Soul-Heldinnen und -Helden wie Gloria Scott und The Blackbyrds sowie ungezählte DJs von Mousse T. bis Miss Kelly Marie zusammen mit 4500 Fans an der Ostsee feiern.
Neben einem neuen Mitveranstalter, der Hamburger Karsten Jahnke Konzertdirektion, freut sich Dombrowe auf einen weiteren frisch bestätigten Gaststar: Jan Delay & Disko No.1.
Hamburger Abendblatt: Der Baltic Soul Weekender gibt traditionell abgetauchten Funk- und Soulstars der 60er und 70er eine Bühne. Wie passt „der Headliner, der Chefstyler“ Jan Delay mit seiner Band Disko No.1, die sonst auf deutlich größeren Bühnen spielen, zu diesem Festival?
Daniel Dombrowe: Der Baltic Soul Weekender ist natürlich nur mit der Unterstützung von bekannten Acts möglich, die freundlicherweise auf große Teile ihrer regulären Gage verzichten, um eben diesen verschollenen Legenden die Möglichkeit zu geben, beim Baltic Soul Weekender aufzutreten. Dafür sind wir natürlich sehr dankbar. Vor allem im Namen der Künstlerinnen und Künstler, die zum Teil am Existenzminimum oder sogar obdachlos Leben. Künstler unterstützen Künstler, und Jan Delay begleitet das Baltic Soul Projekt seit Jahren – und nur durch die Unterstützung aus der deutschen Populärmusik ist es überhaupt möglich, diesen legendären Namen noch einmal einen gebührenden Auftritt zu ermöglichen.
Wie hat sich der Baltic Soul Weekender über die vergangenen 15 Jahre entwickelt? Schließlich war er im Prinzip das erste Indoor-Festival in Deutschland und hat mittlerweile zahlreiche Nachahmer gefunden.
Dombrowe: Am Anfang waren wir nur zu viert und haben uns wortwörtlich die Füße blutig gelaufen. Es gab keine Erfahrungswerte, da es ein völlig neues Festivalkonzept war. Auch war es anfangs schwer, passende Künstlerinnen und Künstler zu finden. Aber mittlerweile sind wir hervorragend eingespielt, haben uns in unserer musikalischen Nische international einen Namen gemacht und wurden 2011 und 2016 als bestes Festival Deutschlands nominiert, was angesichts der schieren Anzahl an Festivals wirklich überraschend war.
Was macht Konzerte in Ferienanlagen attraktiv gegenüber Open-Air-Festivals?
Dombrowe: Alle Gäste schlafen in eigenen Apartments und die Übernachtungen sind bereits im Ticketpreis enthalten. Das gab es vorher nicht in Deutschland. Es ist ein Komfort-Festival, wenn man so will. Es gibt viele Angebote für Kinder, Wellness, Gastronomie, Freizeitsport, Schwimmbäder und natürlich Ostseestrand und Meer. Musikalisch ist unser Programm völlig anders aufgebaut als bei vielen anderen Veranstaltungen. Bei vielen Festivals treten die üblichen Verdächtigen auf, da Bands, die gerade auf Tournee sind, verständlicherweise für Veranstalter wirtschaftlich lukrativer sind. Bei uns treten viele der Künstlerinnen und Künstler zum ersten Mal seit 30 oder 40 Jahren auf, oder zum allerersten oder letzten Mal.
Umweltschutz und Nachhaltigkeit spielen bei Festivals eine immer größere Rolle.
Dombrowe: Bei einem normalen Festival wird eine Infrastruktur mitten in die Natur gebaut. Das ist mit vielen Eingriffen in die örtlichen Gegebenheiten verbunden. Hinzu kommt, dass zehntausende Menschen versorgenwerden müssen und dadurch anfallender Müll oder Abwässer geländeunabhängig entsorgt werden müssen. Beim Baltic Soul Weekender können wir auf die Infrastruktur des Weissenhäuser Strandes zurückgreifen. Die sind mit 800.000 Übernachtungen im Jahr auf Verpflegung, Müll und Abwässer bestens ausgelegt.
Sie sind nicht nur Veranstalter des Festivals, sondern legen als DJ Dan D. auch Platten auf, dabei sind sicher auch Songs von Künstlerinnen und Künstlern, die bei ihrem Festival auftreten. Sind Sie eher Veranstalter oder Fan?
Dombrowe: Ich bin eindeutig ein Fan. Ich bin seit über 30 Jahren international als DJ unterwegs und habe jede mögliche Art von Party gesehen. Laute Partys, leise Partys, im Hellen, im Dunkeln, morgens, mittags abends. Ich wollte immer auch eine Veranstaltung kreieren, auf die ich selbst gern gehen würde. Mein Anspruch ist hoch und ich versuche dem so gut es geht gerecht zu werden.
Nach den vergangenen zwei Jahren dürfte das Bedürfnis nach Tanzen zu Soul, Funk, Disco und HipHop hoch sein. Oder wie Jan Delay singt: „Lauter Sound und bunte Lichter lassen uns von innen glitzern.“
Dombrowe: Ja, die letzten zwei Jahre waren hart für alle Beteiligten, Musikbegeisterte, Musiker und Mitstreiter. Wenn man, obwohl man alles richtig gemacht hat, nach über 30 Jahren plötzlich als nicht relevant und als Seitenprodukt vom Staat links liegen gelassen wird, dann sagt das viel über die Lage im Land der Dichter und Denker aus. Die Veranstaltungsbranche war die Erste, die betroffen war und ist die Letzte die nicht mehr betroffen sein wird. Aber man muss auch sagen, dass wir in Deutschland ein funktionierendes Gesundheitssystem haben und die Maßnahmen alle sicherlich gerechtfertigt waren, um eben dieses zu schützen. Ich kenne Künstler in den USA, die haben seit zwei Jahren ihren Trailer nicht verlassen, um nicht zu sterben.
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Was ist ihre Lieblingsanekdote aus 15 Jahren Baltic Soul Weekender?
Dombrowe: Ich bin sehr dankbar, dass meine Abenteuer mich so nah an meine Idole heran gebracht haben. So wie Richard Street von den Temptations, der morgens die Zimmertür ohne Perücke und ohne Zähne öffnete, vor den Spiegel ging, „Papa was a Rolling Stone“ nuschelte und sagte: „Dan, man darf sich selbst nicht zu wichtig nehmen“. Das war das erst erschreckend, dann sehr menschlich und schlussendlich eine Lektion fürs Leben.
Baltic Soul Weekender Fr 29.4. bis So 1.5., Weissenhäuser Strand, Programm, Apartments und Tickets unter www.baltic-soul.de