Hamburg. Jenny Saitzek ist in der Hamburger Kunsthalle für Besucher im Kita- und Grundschulalter zuständig. Und weiß, wie diese Kunst wahrnehmen.
Kinder und Museum – das ist eine Sache für sich. Ein Besuch mit dem Nachwuchs kann die Kleinen genauso nerven wie die Eltern. Er kann aber auch zu einem großen Gewinn für beide werden, zu einem Familienausflug, der allen Beteiligten Spaß macht, von dem sie etwas mitnehmen. Und da kommt Jenny Saitzek ins Spiel.
Die Museums- und Kunstpädagogin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Hamburger Kunsthalle und in der Abteilung Bildung & Vermittlung für Kinder im Kita- und Grundschulalter zuständig. Sie weiß, wie Kinder Kunst wahrnehmen, was sie mögen, wie man ihnen die Bilder näherbringen kann und worauf man achten muss. „Wer mit Kindern ins Museum geht, dem garantiere ich einen völlig neuen Blick auf die Werke, weil die Kinder die Kunst und auch das Haus ganz anders wahrnehmen“, sagt sie in einer neuen Folge des Abendblatt-Familienpodcasts „Morgens Zirkus, abends Theater“.
Die Kinder entdecken Feinheiten, die Erwachsene gar nicht mehr sehen, weil sie für sie alltäglich geworden sind – gerade Details. „Sie gehen meist nicht auf die bekannten Klassiker zu, oftmals zieht sie zeitgenössische Kunst besonders an – Werke, die für uns Erwachsene manchmal unverständlich sind“, sagt die Hamburgerin. Kinder sind in Sachen Kunst also moderner als wir Erwachsene.
Kinder und Kunst: Gang durchs Museum als kleine Abenteuerreise
Bei ihnen geht es weniger darum, Werke nur anzuschauen, sondern vielmehr darum, dass sie Kunst und das Museum als Ganzes mit allen Sinnen erleben. Und da bietet die Kunsthalle Programme für alle Altersgruppen an. „Kinder lieben spannende Geschichten und Rätsel, die die Fantasie anregen. Davon ausgehend, entwickeln wir Formate – wie eine kleine Abenteuerreise“, sagt die Museumspädagogin.
So ist an der Kasse beispielsweise eine kostenlose Wanderkarte erhältlich, die durch die Kunsthalle führt. Sie hat ihren Ausgangspunkt in einem speziellen Ausstellungsraum für Kinder, dem „Hamburger Kinderzimmer“. Hier können die Kinder selbst Kunst schaffen und sie ausstellen. Der Raum beherbergt darüber hinaus eine kleine Ausstellung, die jedes Jahr wechselt. „Die Wanderung startet im Kinderzimmer, von dort kann man eine Karte mitnehmen und durch die Ausstellungsräume wandern und die Kunstwerke suchen, die mit dem Thema zu tun haben.“ Vor den Werken gibt es dann kleine Impulse, mit denen die Kinder und ihre Eltern arbeiten können – „das ist wirklich etwas für die ganze Familie“, sagt Jenny Saitzek. „Alle werden abgeholt.“
Das ist ohnehin ein zentraler Rat zum Thema Kinder und Kunst: „Ganz wichtig ist es, darauf zu schauen, was die Kinder besonders interessiert.“ Man sollte nicht durch die Räume hetzen, um möglichst viel zu sehen, sondern stattdessen lieber einfach mal wiederkommen. Das wird dadurch erleichtert, dass Kinder und Jugendliche in der Kunsthalle freien Eintritt haben. „Am besten, man nimmt sich nicht zu viel vor, sondern lässt sich auch von der Stimmung der Kinder leiten und dem, was sie interessiert“, sagt Jenny Saitzek. Motto: „Zeigt uns doch mal, was ihr sehen wollt.“
Hamburger Kunsthalle: Kinder über die Sinne begeistern
Die meisten Kunstwerke, die Kinder spannend finden, haben etwas mit ihnen und ihrem Alltag zu tun. „Es gibt Kinder, die stehen lange vor den alten Meistern. Andere interessieren sich besonders für abstrakte Werken, weil diese so schöne Farben und Formen haben“, sagt die Kunstpädagogin. „Die Gegenwartskunst finden Kinder oftmals gut, weil Ton damit verbunden ist, flackernde Fernseher oder Geräusche.“ Auf Caspar David Friedrichs berühmten „Wanderer über dem Nebelmeer“ beispielsweise liefen die Jüngeren meist nicht direkt zu. Spannender sei für sie das Bild daneben, wo ein Schüler Friedrichs den Maler in seinem Atelier zeigt. „Da sehen Kinder, wie ein Kunstwerk entsteht.“
In der Hamburger Kunsthalle beginnt das Angebot mit Eltern-Kind-Kursen schon ab drei Jahren, ebenso das Kita-Programm. In Kursen ab fünf Jahren wird Kunst spielerisch, auch haptisch vermittelt. „Das geht über die Sinne – so gewinnt man das Interesse der Kleinen“, weiß Saitzek. Auch indem man Geschichten rund um die Kunstwerke erzählt, ihnen sogenanntes „Hands on“-Material mitgibt, das sie fühlen können. „Wir haben Materialien, die dazu einladen, das zu erleben, was auf dem Bild zu sehen ist. Auch mit den Kleinen kann man schon gute Gespräche führen über die Kunst, die haben eine Menge zu erzählen und viele Fragen.“
„Hands on“, also frei übersetzt „Hand anlegen“ – das ist in Museen ansonsten nicht ganz so gerne gesehen. In den Ausstellungsräumen gibt es vor den Werken eine gute Armlänge Sicherheitsabstand, die Bilder sollen natürlich nicht berührt werden. Die Kunstpädagogen erklären den Kindern, wie wertvoll die Bilder sind und warum man ihnen nicht zu nahe kommen darf. „Wir sind ein offenes Haus, wir wollen, dass die Kinder kommen, und die dürfen auch mal laut sein. Man sollte sie natürlich sensibilisieren. Oft hilft es aber schon, wenn wir als Kunstvermittlerinnen und Kunstvermittler leiser sprechen, dann werden die Kinder automatisch auch leiser.“
Im Audioguide für Kinder sprechen die Figuren selbst
Mit den größeren Kindern machen die Museumspädagoginnen und -pädagogen altersgerechte Übungen vor den Kunstwerken selbst. Ab etwa acht Jahren kann man sehr gut Audioguides nutzen. Die Kinder gehen dann mit dem speziell auf sie zugeschnittenen Audioguide durchs Haus, die Eltern parallel dazu mit dem für Erwachsene. Im Audioguide für Kinder, die auch für alle Sonderausstellungen produziert werden, erklärt nicht ein Sprecher die Bilder, sondern die Figuren aus den Bildern erzählen ihre Geschichte.
In der zweistündigen Familienzeit – immer sonnabends um 11 und 13.15 Uhr – lädt die Kunsthalle Eltern ein, gemeinsam mit ihren Kindern (von 5 bis 13 Jahren) durch die Ausstellung zu gehen und später das Ganze in den Atelierräumen selbst praktisch vertiefen. In den Künstlerateliers bekommt jeder eine große Schürze umgehängt, kann dann mit allerlei Material experimentieren und das Ergebnis mit nach Hause nehmen. Dafür ist eine Anmeldung erforderlich.
Es gibt auch eine digitale Schnitzeljagd im Außenbereich. In der Actionbound Rallye wird man von der Kunsthalle aus über 90 Minuten zu verschiedenen Kunstwerken im öffentlichen Raumrund um die Kunsthalle geführt mit kleinen Aufgaben und Impulsen.
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Die Kinder sollten selbst entscheiden, wann Schluss ist
Wie lange sollte ein Museumsbesuch mit Kindern dauern? „Das ist ganz individuell, man kennt ja seine Kinder und weiß, was man ihnen zutrauen kann“, sagt die Kunstpädagogin. „Ganz wichtig: Lassen Sie die Kinder entscheiden, die können selbst einschätzen, was sie sehen möchten und wann Schluss sein sollte. Aber: Gönnen Sie sich Pausen. Gehen sie ins Café oder lassen Sie die Kinder zwischendurch in der Wanderkarte malen. Dann kann es sein, dass Sie den halben Tag hier verbringen“, rät sie.
Für die Museen sind Kinder das Publikum der Zukunft. „Wir möchten, dass sie die Kunsthalle als einen Ort erleben, an dem es tolle Angebote gibt, wo sie Spaß haben und von dem sie viele neue Eindrücke und Ideen mitnehmen“, sagt Jenny Saitzek.