Hamburg. Jan Philipp Sprick folgt als Präsident der Hochschule für Musik und Theater auf Elmar Lampson. Was er nach 18 Jahren angehen will.

„Ich war auf der Turmweg-Grundschule. Und jetzt bin ich in einer völlig anderen Funktion und einem völlig anderen Lebensabschnitt wieder ziemlich genau an dem Ort, an dem ich schon mit sechs Jahren zur Schule gegangen bin.“ Ja, das ist wirklich eine schöne Geschichte. Die Wahl zum designierten Präsidenten der Hochschule für Musik und Theater (HfMT) verbindet den Hamburger Jan Philipp Sprick noch fester als bisher mit seinen Wurzeln im Stadtteil Rotherbaum.

Aber die Gremien der Hochschule haben ihn natürlich nicht aus lokalpa­triotischer Nostalgie gerade zum Nachfolger von Elmar Lampson bestimmt, dessen Amtszeit am 30. September nach 18 Jahren endet. Sondern weil der Musiktheoretiker, Musikwissenschaftler und Musiker fachlich und perspektivisch genau der richtige Mann am richtigen Ort ist.

Neuer HfMT-Präsident studierte in Hamburg und Harvard

Jan Philipp Sprick, Jahrgang 1975, hat in Hamburg und Harvard studiert und an der Berliner Humboldt-Uni promoviert, bevor er an die Hochschule für Musik und Theater nach Rostock gegangen ist und dort die Leitung des Instituts für Musik übernahm. Seit 2018 ist er Professor für Musiktheorie an der Hochschule in Hamburg, seit 2020 einer der Vizepräsidenten. Und wenn auch die letzte Formalie – die offizielle Bestellung durch den Senat – erledigt ist, wird er zum 1. Oktober selbst in das Präsidentenbüro im schicken Budge-Palais an der Alster einziehen. „Dieser Anblick kann einen wirklich jedes Mal wieder erschlagen“, gesteht Sprick. Aber der prachtvolle Auftritt an der Milchstraße sei eben nur ein Gesicht der Hochschule, darauf legt er großen Wert. „Was ich sehr interessant finde für uns, ist, dass wir mit dem Campus Barmbek am Wiesendamm – im vergangenen Oktober eröffnet – einen vollwertigen zweiten Standort haben. Ich glaube, dass das die Hochschule noch mal stark verändert, weil es eine ganz andere Gegend ist und ein anderes Umfeld, eine alte Industriefabrik mit sehr guten Probe- und Aufführungsmöglichkeiten, etwa für unsere Schauspielabteilung.“

Durch den Campus Barmbek ist die HfMT jetzt sozusagen breiter aufgestellt. Passend zu den Vorstellungen, mit denen Sprick seine künftigen Aufgaben als Hauptrepräsentant und Cheflobbyist für die Hochschule mit ihren insgesamt rund 1500 Studierenden aus 60 Nationen angehen will. „Ich glaube, dass wir uns den gesellschaftlichen Wandlungen und Veränderungen anpassen und sie aufgreifen müssen. Es geht um Themen wie Diversity, Barrierefreiheit, natürlich auch politische Themen, Klimawandel, soziale Ungleichheit.“

Sprick will soziale Ungerechtigkeit angehen

Im Kontext der Hochschule zeigt sich die soziale Ungleichheit etwa an der Herkunft der Studierenden. Die meisten stammen noch immer aus einem Umfeld, das die hochspezialisierte Ausbildung bequem finanziell unterstützen kann. Sprick möchte diese Ausbildung noch leichter zugänglich machen und auch ethnisch und kulturell vielfältiger werden lassen, beispielsweise im Lehramtsbereich: „Was auffällt, ist: wir haben sehr wenige Studierende mit Migrationsgeschichte bei uns. Was vielleicht auch daran liegt, dass wir nach wie vor, was den Kanon an Instrumenten angeht, die man bei uns als Hauptfach oder Nebenfach studieren kann, immer noch stark in unserem westlichen Kunstmusikbereich sind. Wenn man da andere Angebote macht, bin ich ziemlich zuversichtlich, dass das auch andere Menschen für die Hochschule interessieren könnte.“

Neben solchen mittel- und langfristigen Fragestellungen hat Jan Philipp Sprick auch die akuten Probleme im Blick. Stichwort Corona-Pandemie und ihre Folgen für den Kulturbereich. „Es ist für die Studierenden natürlich eine große Belastung, mit dieser ungewissen Zukunft umzugehen. Wir müssen überlegen, ob wir da neue Szenarien entwickeln, vielleicht eine Art Übergangsjahr nach dem Ende des Studiums, in dem die Studierenden noch in der Hochschule bleiben können. Aber das ändert nichts an der realen Situation im Kulturbereich.“

Den Musiker-Alltag kennt Sprick als Bratscher sehr gut

Sprick spricht mit einer wohltuenden Mischung aus Weitblick und einer fast buddhahaft wirkenden Besonnenheit über seine Pläne und Ziele, er ist ein sehr angenehmer Gesprächspartner. In seiner ruhigen Stimme schwingt eine besondere Empathie für die Studierenden und Menschen in künstlerischen Berufen mit, deren Alltag er auch durch seine eigene Tätigkeit als Bratscher in freiberuflichen Ensembles kennt. Dass Musik in seinem Leben eine wichtige Rolle spielen wird, habe sich schon früh abgezeichnet. „Ich war erst im Knabenchor und dann im Albert-Schweitzer-Jugendorchester“, sagt Sprick, der sich dann später vor allem auf die Fächer Musiktheorie und Musikwissenschaft konzen­triert, aber nebenbei auch ein Instrumentalstudium abgeschlossen hat.

Trotz dieser engen Verbindung zum Themenkomplex Musik mit all seinen Facetten ist der passionierte Radfahrer immer in der Lage, eine kritische Distanz zu sich und seinem Tun einzunehmen. Auch durch die räumliche Entfernung. Sprick wohnt in Ottensen, in Rufweite zu den Zeisehallen – ein Glücksfall für den Kino-Fan – und in Fußnähe zur Elbe. „Ich finde diesen Kontrast zur Alster sehr wichtig und merke auch, dass da ein gewisser Abstand zur Hochschule für mein Privatleben gut ist.“