Hamburg. Corona zwingt die Ensemble zu Flexibilität, auch an diesem Wochenende. Samuel Weiss wechselt nicht nur Rollen, sondern sogar Bühnen.

Da ist sogar die Intendantin ehrlich beeindruckt: „Es ist schon immer wieder unglaublich, wie die das können“, sagt Karin Beier. „Die“, das sind die Schauspielerinnen und Schauspieler. „Das“ sind die kurzfristigen Umbesetzungen, zu denen es im Theateralltag immer wieder kommen kann, aber selten so gehäuft wie derzeit.

Denn längst ist die Corona-Pandemie auch auf den Hamburger Bühnen angekommen. Durch ein engmaschiges Testprinzip werden Positivfälle früh entdeckt; dass Vorstellungen ganz abgesagt werden, wie es am Thalia Theater kürzlich bei Kirill Serebrennikovs „Der schwarze Mönch“ passierte (als der Intendant gewissermaßen live vor Publikum auf das PCR-Ergebnis eines Spielers wartete) oder in der Staatsoper bei „Dornröschen“, bleibt trotzdem die Ausnahme. „Der Lappen muss hochgehen“, altes Theatergesetz.

Theater Hamburg: Wie schnell Schauspieler einspringen können

So meisterte Schauspielhaus-Ensemblemitglied Lina Beckmann eine komplette Malersaal-Premiere per Liveschalte aus der heimischen Corona-Quarantäne heraus. Und der Schauspieler Samuel Weiss übernahm nun gleich an zwei Hamburger Häusern direkt nacheinander für ausfallende Kollegen. An diesem Wochenende ist er zwei Mal in Kafkas „Das Schloss“ auf der Schauspielhaus-Bühne zu sehen (das Stück ersetzt am Sonnabend dort „Günther Gründgens“), zuvor spielte er am Ernst Deutsch Theater für den erkrankten Lennart Lemster acht Vorstellungen dessen Rolle in „Harper Regan“.

„Wir waren total dankbar“, sagt Ernst-Deutsch-Theaterintendantin Isabella Vértes-Schütter – und auch sie zeigt sich von der Professionalität beeindruckt: „Vormittags haben wir den positiven Test unseres Schauspielers erhalten. Wir haben Samuel Weiss angerufen und ihn gefragt, ob er einspringen kann, weil er die Rolle vor Jahren schon einmal gespielt hatte. Die Nachmittagsvorstellung von ,Harper Regan’ hat er dann direkt schon gespielt. Es war toll.“

„Das Schloss“: Auch Josefine Israel ist neu dabei

„Wir hatten in der letzten Zeit drei oder vier kurzfristige Änderungen – gerade Umbesetzungen sind immer mit großem Arbeitsaufwand und viel Stress für alle Beteiligten verbunden“, erklärt Karin Beier. „Es zeigt sich aber auch unsere besondere Fähigkeit in der Improvisation.“ Ohne ein hohes Maß an Flexibilität beim Ensemble und in allen Abteilungen ginge es nicht, kürzlich rief die Theaterleitung eigens eine Ensembleversammlung ein, um „alle auf diese außergewöhnliche Situation einzuschwören“. Vor jeder Vorstellung werden alle Akteure mit einem Antigen-Schnelltest getestet, bislang habe es keinen direkten Ansteckungsfall auf der Bühne gegeben.

Regisseur Viktor Bodo hatte es in den Wiederaufnahmeproben für „Das Schloss“ in dieser Woche übrigens gleich mit zwei Umbesetzungen zu tun: Nicht nur Samuel Weiss musste sich in die Inszenierung und den Part von Yorck Dippe einarbeiten, auch seine Kollegin Josefine Israel ist neu dabei. Sie übernimmt für Gala Othero Winter, die allerdings nicht an Corona erkrankt ist, sondern geplant ans Theater Basel wechselte. In der letzten Probe vor der Freitagsvorstellung saß Karin Beier im Parkett: „Ich war ganz stolz und begeistert, es klappt alles.“

Theater Hamburg: „Harper Regan“ fällt aus

Das Publikum sei ebenfalls „ein sehr besonderes“ derzeit, hat die Intendantin festgestellt: „Wir merken es richtig: Die Leute, die gerade ins Theater kommen, die wollen das unbedingt und sind ganz besonders aufmerksam. Man fühlt sich wie eine verschworene Gemeinschaft. Das ist ein positiver Nebeneffekt dieser sonst so herausfordernden Situation.“

Manchmal ist eine Vorstellung allerdings auch mit viel gutem Willen nicht zu retten. Am Ernst Deutsch Theater fallen die Aufführungen von „Harper Regan“ nun doch bis einschließlich 8. Februar aus, „der Lappen“ bleibt unten. Diesmal ist die Hauptdarstellerin Anika Mauer erkrankt. Weil die Nachfrage jedoch so groß ist, wird schon jetzt eine Wiederaufnahme geplant – für den Saisonstart im Herbst 2023.