Hamburg. Der Theater-Manager Maik Klokow holte den „König der Löwen“ nach Hamburg. Ein Gespräch über die entscheidenen Momente seines Lebens.

Er war Maurer in der DDR und wurde der bekannteste Musical-Manager im vereinten Deutschland: Maik Klokows Karriere war und ist voller Überraschungen, und hat überraschende Wendungen von einem Tag auf den anderen gemacht. Der 57-Jährige gehörte zu den ersten Ostdeutschen, die am 9. November 1989 die geöffneten Grenzen in den Westen überquerten.

Er holte den „König der Löwen“ genauso nach Hamburg wie „Harry Potter“, auch, wenn es immer wieder Rückschläge gab. In der Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht Klokow über die entscheidenden Momente in seinem Leben.

Das sagt Maik Klokow über…

… den entscheidenden Tag in seinem beruflichen Leben:

„Eine Freundin hat mich zu einer Probe im Landestheater Parchim mitgenommen. Ich bin da reingegangen, und wenig später wusste ich: Du willst im Theater arbeiten. Es war das Faszinierendste, was ich bis dahin erlebt habe. Das hat mich wahnsinnig beeindruckt. Am nächsten Tag habe ich bei der Firma, bei der ich seit zwei Jahren als Maurer gearbeitet hatte, gekündigt. Am übernächsten Tag habe ich als Kabelträger im Theater angefangen, wurde dann Kulissenschieber, um schließlich eine Ausbildung zum Bühnenmeister zu machen. Ich habe auch mal vorgesprochen für die eine oder andere Rolle, aber schnell gemerkt, dass ich besser hinter als auf der Bühne bin. Mir liegt es nicht, mich zu verstellen.“

… den 9. November 1989 und „Starlight Express“:

„Am Tag der Maueröffnung bin ich mit einem Freund nach Berlin gefahren, weil wir gehört hatten, dass an den Grenzen etwas passiert. Ich hatte meine Papiere alle dabei, weil ich ausreisen wollte – und plötzlich gingen die Schlagbäume hoch. Ich war einer der ersten, der in die Bundesrepublik ging, ich gehörte zu denjenigen, deren Ausweise noch gestempelt wurden, damit die DDR sie nicht wieder reinlassen musste.

Als die Einreiseformalitäten nach drei Tagen erledigt waren, habe ich viele Bewerbungen an Theater im deutschsprachigen Raum geschickt, viele, nette Absagen bekommen – und eine einzige Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Nach Hamburg, wo der Musicalkonzern Stella seinen Sitz hatte. Man bot mir an, als Bühnenmeister bei „Starlight Express“ in Bochum anzufangen. Ich wusste gar nicht, was das ist, und als ich das in Erfahrung gebracht hatte, war ich platt und sicher, dass das für mich eine Nummer zu groß ist. Zugesagt habe ich trotzdem.“

… den „König der Löwen“:

„Der Theaterumbau und die Produktion vom „König der Löwen“ im Hamburger Hafen war eines der größten Projekte, die ich je gemacht habe. Das war eine tolle Zeit. Wir saßen mit unseren Büros im Astra-Hochhaus, am Anfang hatten wir nur die 9. Etage angemietet, am Ende die Etagen 9. bis 14. Wir sind irre schnell gewachsen. Der „König der Löwen“ ist jetzt seit mehr 20 Jahren in Hamburg, das macht mich sehr stolz.“

… Kredite:

„Viele Menschen haben Respekt davor, einen Kredit von 500.000 Euro aufzunehmen, um ein Haus oder eine Firma zu kaufen. Ab einer gewissen Größenordnung ist es egal: Ich stehe als Eigentümer sowieso mit meinem gesamten Hab und Gut gerade, mit allem, was ich habe. Ob es dann um einen Kredit einer Million, zehn Millionen oder 50 Millionen Euro geht, spielt keine Rolle.“

… die Frage, wie er seine Frau, die weltweit bekannte Musical-darstellerin Anna Montanaro, kennengelernt hat:

„Sie hat das arrangiert. Ich wurde zu einem Essen eingeladen, bei dem sie auch zu Gast war, und da ist es dann passiert. Wir kannten uns natürlich vorher, sie hatte die Donna bei unserer Produktion „Mamma Mia“ in Essen gespielt. Ihretwegen bin ich auch nach Düsseldorf gezogen. Eigentlich bin ich ein durch und durch norddeutscher Mensch. Ich bin in Wismar aufgewachsen, habe lange in Hamburg gelebt und gearbeitet, und war sehr froh, als ich hier das „Mehr Theater!“ auf dem Gelände des Großmarkts eröffnen konnte. Das war das erste Theater, das ich mit eigenem Geld gebaut habe. Mir war immer klar: Wenn ich die Lizenz für ein großes Stück haben möchte, muss ich ein Theater in Hamburg haben. Alle wollen nach Hamburg, das Ansehen der Stadt ist in den vergangenen Jahren noch einmal gewachsen.“

… „Harry Potter und das verwunschene Kind“ in Hamburg:

„Als die lange geplante Premiere kurzfristig wegen Corona abgesagt werden musste, dachte ich an meine Zeit als Boxer. Ich habe immer gedacht: Wenn man am Boden liegt, kann man nicht mehr gewinnen. Aber das stimmt nicht, man muss nur aufstehen, dann ist alles drin. Das ist eine gute Lehre für das Leben, in dem es natürlich Niederlagen gibt, die man annehmen und es beim nächsten Mal besser machen muss. Wann immer ich Rückschläge erlebt habe, habe ich mir am nächsten Tag gesagt: Versuch es noch einmal.

Natürlich war es hart, als die Premiere abgesagt werden musste, zumal wir 300.000 Karten verkauft hatten, etwas, was es lange in Deutschland nicht gegeben hatte. Heute sind wir nahezu ausverkauft. Uns hat übrigens geholfen, dass wir von Anfang an auf 2G plus gesetzt haben. Das funktioniert sehr gut, die Gäste haben sich daran gewöhnt, es gibt keinerlei Beschwerden.“

… die Kulturschaffenden in der Pandemie:

„Für die Kultur haben sich in der Pandemie existenzielle Fragen gestellt. Die Erkenntnis, dass Kulturschaffende nicht so relevant sind wie Ärzte oder Pflegekräfte, ist bitter, aber auch heilsam. Denn plötzlich wird relevant, was man in der Zeit tut, in der man nicht Kultur schaffen darf, wie man sich darüber hinaus engagiert. Mitarbeiter von uns haben zum Beispiel bei den Aufräumarbeiten im Ahrtal geholfen, unser Harry-Potter-Darsteller hat im Altenheim gearbeitet. Die Systemrelevanz eines Menschen definiert sich nicht über den Beruf, sondern über sein gesellschaftliches Engagement.“

Fragebogen: Der Mann vom Theater, der als Maurer anfing

Was wollten Sie als Kind werden und warum?

Als Kind wollte ich Profiboxer werden. Muhammed Ali hat mich wahnsinnig beeindruckt – sportlich und als Mensch. Später hat sich mein Traumberuf dann verändert: Innenarchitekt zu werden, war das Ziel. In Vorbereitung darauf habe ich den Beruf des Maurers erlernt. Etwas mit eigenen Händen zu erschaffen hat mich immer schon fasziniert.

Was war der beste Rat Ihrer Eltern?

„Was du heute kannst besorgen, dass verschiebe nicht auf Morgen.“ Dieser Leitsatz meines Vaters hat dazu beigetragen, dass ich immer schon sehr zielstrebig und engagiert war.

Wer war beziehungsweise ist Ihr Vorbild?

Ich bin ein großer Bewunderer von Mahatma Gandhi. Nachhaltig beeindruckt haben mich aber auch die ostdeutschen Bürger*innen, die seinerzeit durch die Kraft ihrer Stimme, ohne Gewalt, die Welt verändert haben.

Was haben Ihre Lehrer/Professoren über Sie gesagt?

Ich war, was die Noten betrifft, ein eher durchschnittlicher Schüler. Mir wurde von Lehrern oft gesagt, dass ich unter meinen Möglichkeiten geblieben sei.

Wann und warum haben Sie sich für Ihren heutigen Beruf entschieden?

Ich bin durch die Liebe zu einer Frau zum Theater gekommen. Und ab dem Moment wusste ich: Das ist meine Welt. Das ist es, was ich machen möchte. Ich habe dann am Theater alles Mögliche ausprobiert. Da sich mein schauspielerisches Talent in Grenzen hielt, arbeitete ich als Kabelträger, Kulissenschieber, Lkw-Fahrer, Beleuchter, Bühnentechniker, Bühnenmeister, Beleuchtungsmeister, Technischer Leiter, Produktionsleiter und letztendlich als Produzent.

Wer waren Ihre wichtigsten Förderer?

Meine wichtigsten Mentoren und Förderer waren Reinhard Thiede, Intendant des Landestheaters Parchim, Martin Tschermack, Technischer Direktor der Stella AG, und Joop van den Ende, der Gründer der Stage Entertainment.

Auf wen hören Sie?

Da meine Frau mich am besten kennt, ist sie eine wichtige Unterstützerin und Kritikerin. Dann gibt es darüber hinaus zwei sehr gute Freunde, die ich immer um Rat frage, wenn besonders wichtige Entscheidungen in meinem Leben anstehen.

Was sollte man als Chef auf keinen Fall tun?

Als Chef hat man eine geliehene Macht und sollte sich dessen immer bewusst sein. Die Ausnutzung dieser Macht zum eigenen Vorteil verbietet sich. Für ein Unternehmen zu arbeiten, ist eine bewusste Entscheidung, die zwei Parteien miteinander eingehen. Grundlage ist gegenseitiges Vertrauen sowie die Verabredung der gegenseitigen Leistungen. Man kommt zusammen, um ein Werk zu vollbringen und ein jeder bringt sich mit seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten ein. Dieses Vertrauen darf man als Chef auf keinen Fall untergraben.

Was sind Prinzipien Ihres Führungsstils?

An erster Stelle ist es das Führen durch Vorbild, durch Vertrauen und die offene klare Kommunikation von Dingen, die gut laufen oder weniger gut laufen.

Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?

Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie nach einer Gehaltserhöhung gefragt, sondern immer nach mehr Verantwortung. Mit der größeren Verantwortung ist glücklicherweise auch das Gehalt gestiegen. Anfang der 90-er Jahre war Geld für mich sehr wichtig, da ich mir ein neues Leben aufbauen musste, als ich aus dem Osten in den Westen gekommen bin. Im Laufe der Zeit und natürlich verbunden mit dem beruflichen Erfolg hatte ich dann das Glück, mich finanziell frei bewegen und verwirklichen zu können.

Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeitern?

Wir sind Gastgeber aus Leidenschaft und das müssen unsere Gäste in den Theatern und Produktionen spüren. Deshalb erwarte ich von Mitarbeiter*innen, dass sie sich mit ganzer Kraft und ihren Möglichkeiten dafür engagieren.

Worauf achten Sie bei Bewerbungen?

In erster Linie interessiert mich der Mensch und was ihn ausmacht. Das eine sind schulische Leistungen, Ausbildung und berufliche Stationen, die wichtig und prägend sind. Wirklich ausschlaggeben ist aber, ob der Mensch zu uns passt und die Arbeit zu dem Menschen.

Duzen oder siezen Sie?

Ich duze und werde geduzt.

Was sind Ihre größten Stärken?

Beharrlichkeit, Entscheidungsfreudigkeit, Direktheit, Begeisterungsfähigkeit.

Was sind Ihre größten Schwächen?

Ich kann sehr fordernd sein und das kann auch zu Überforderung führen. Sowohl meine Kolleg*innen in der Geschäftsführung als auch meine Kolleg*innen im Management sind hierbei ein sehr wichtiges Korrektiv für mich. Geduld ist leider eine Tugend, mit der ich nicht bedacht wurde, sondern die für mich harte Arbeit bedeutet.

Welchen anderen Entscheider würden Sie gern näher kennenlernen?

Ich finde Manuela Schwesig, die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, eine sehr spannende und politisch herausragende Persönlichkeit. Interessant fände ich es auch, einmal einen Abend mit Jack Ma zu verbringen, dem Gründer von Alibaba.

Was würden Sie ihn fragen?

Bei Frau Schwesig würde mich am meisten interessieren, wie sie sich in ihrer politischen Vision den Norden Deutschlands und insbesondere Mecklenburg-Vorpommerns im Jahre 2100 vorstellt. An Jack Ma ginge die Frage, wie man in einem Land, das nicht den westlichen Werten folgt, ein Unternehmen dieser Größenordnung aufbaut und was ihn zuversichtlich macht, dass der chinesische Weg ein erfolgreicher Weg sein kann.

Wann haben Sie zuletzt einen Fehler gemacht?

Ich denke mir passieren laufend Fehler alles andere wäre ja auch nicht normal. Das entscheidende daran ist, aus diesen zu lernen.

Welche Entscheidung hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?

Die Entscheidung immer wieder die Herausforderung zu suchen und mehr Verantwortung einzufordern, um das große Ganze bewegen zu können.

Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?

Meine wöchentliche Arbeitszeit verteilt sich in der Regel auf 7 Tage und durchschnittlich 8 Stunden pro Tag.

Wie gehen Sie mit Stress um?

Eigentlich habe ich äußerst selten Stress. Da ich meinen Job voller Leidenschaft und Lust mache, erfahre ich eine sehr hohe Befriedigung in dem was ich tue und habe daher meistens auch nur positiven Stress. Wenn es doch einmal vorkommt, dass ich mich gestresst fühle, ist ein ausgedehnter Spaziergang oder ein 10 Kilometerlauf eine gute Art und Weise dem entgegenzuwirken.

Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für ihren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?

Tue nur das, wofür dein Herz schlägt. Suche dir eine Arbeit, die du gerne tust oder die dir etwas bedeutet.

Was unterscheidet den Menschen von dem Manager Klokow?

Privat bin ich eher zurückhaltend und nicht der Motor für die großen Unterhaltungen und Debatten. Ich genieße es, im Privaten auch mal still sein zu dürfen.

Und zum Schluss: Was wollten Sie immer schon mal sagen?

Von Berufswegen und auch privat bin ich ein klarer Impfbefürworter. Dennoch besorgt mich die zunehmende Spaltung im Land. Daher mein Appell: Lasst uns die Brücken schlagen, die es braucht, um in diesem schönen Land friedlich und respektvoll miteinander zu leben. Hass, Gewalt, Hetze und Ausgrenzung bringen uns nicht weiter. Jeder sollte den Respekt, den er selber für seine Position einfordert, auch denen einräumen, die womöglich anders denken. Wir kommen nur gemeinsam aus dieser Pandemie – mit Mut, Zusammenhalt und Zuversicht.