Hamburg. Der Schauspieler und Regisseur, der vor allem Kinder verzauberte, wurde 55 Jahre alt. Sein letztes Musical kommt dennoch auf die Bühne.
Er hat das Leben geliebt, und das Theater, den Auftritt, die Bühne – und seine Frau Agata und seinen Sohn Mattheus: Christian Berg, der am Montag in Cuxhaven im Alter von nur 55 Jahren überraschend gestorben ist. Wer Christian Berg, wie ich, auf Facebook gefolgt ist, und auch häufiger mit ihm telefonierte, der weiß um die Dankbarkeit, die er spürte, wieder spielen zu können, wieder obenauf zu sein nach der Zwangspause durch die Corona-Pandemie.
Er teilte öffentlich seine tiefsinnigen Gedanken, seine starke politische Meinung, seine Gefühle und auch die Abgründe, in die es ihn manchmal zog. Am 30. Dezember war der bekannte Autor und Produzent von Kinder-Musicals, Schauspieler, Regisseur und Kinderbuchautor zum letztem Mal mit seinem Ensemble auf der Bühne der Komödie Winterhuder Fährhaus zu sehen.
Christian Berg verstorben – er liebte tragisch-komische Auftritte
Das war beim Stück „Die Schöne und das Biest“ und er stand dort im Kostüm des Rumpelröschens, einem Feenjungen mit Fliegermütze und Tutu, der nicht zaubern, aber viel Gutes und die Herzen der Menschen bewegen kann. So wie Berg seit Jahren die Herzen seiner Besucher bewegt hat – vor allem der Kinder, Tausende treuer Fans, die er immer ernst genommen hat, die er auf die Bühne holte für eine kleine Zwischenpause und für die er immer eine Botschaft hatte: „Ihr seid okay, so wie ihr seid.“
Ob Christian Berg das auch für sich immer so spürte? Der 55-Jährige war ein ernster Mann, privat und auch auf der Bühne. Er liebte die tragisch-komischen Auftritte. Auch Rumpelröschen spielte er nicht lachend, sondern ernsthaft, nachdenklich, zweifelnd, ob die Welt, die sich so zeigt, nicht zu verbessern sei. Rumpelröschen war seit etlichen Jahren Bergs Kunstfigur, die er in seine letzten Familien-Musicals immer eingebaut hatte, der er zwei Bücher und ein gemeinsames Bühnenstück mit Jan-Christof Scheibe gewidmet hat.
Christian Berg ging in Hamburg auf die Schauspielschule
Vielleicht war Rumpelröschen die Weiterentwicklung des Clowns, mit dem Christian Berg seine Karriere begann. Den Clownberuf hatte der Cuxhavener sogar professionell gelernt. Während andere Jungen Polizist, Feuerwehrmann oder Astronaut werden wollten, also Helden des Alltags, wollte Berg immer schon im Zirkus arbeiten. Mit 16 Jahren beendete er die Schule und ging mit einem tschechischen Clown auf Tournee, später arbeitete er beim Schweizer Zirkus Stey, bevor er Mitte der 80er-Jahre in Hamburg auf die Schauspielschule ging.
Der Clown war eine Rolle, die er schon in der Schule innehatte, als er nach einem Schädelbasisbruch im Kleinkindalter immer wieder spastische Lähmungserscheinungen zeigte. „Bis ich 14 war, hielt das an. Ich war schlecht in Sport, unkoordiniert in den Bewegungen, aber immer mit einer riesigen Klappe ausgestattet. So wurde ich der Klassenclown“, erzählte er offen in unserem ersten Interview. Das war 2016, als wir beide übereinkamen, dass Christian Berg künftig Botschafter des Vereins „Hamburger Abendblatt hilft“ (damals hieß er noch „Kinder helfen Kindern e.V.“) werden sollte.
Christian Berg war Botschafter für den Abendblatt-Verein
Vielleicht lagen ihm aufgrund seiner eigenen Erfahrungen die benachteiligten, behinderten und kranken Kinder so besonders am Herzen. Für sie sammelte er fortan nach jeder seiner Vorstellungen in einem der Hamburger Theater Spenden, insgesamt rund 86.000 Euro kamen so in den vergangen sechs Jahren für den Abendblatt-Verein zusammen. „Mir gefällt, dass der Abendblatt-Verein so vielfältig aufgestellt ist und Einzelschicksalen, vor allem auch den Alleinerziehenden, hilft“, begründete Berg damals seine Wahl. Für uns beide war das der Beginn einer vertrauensvollen Freundschaft.
Der Vater eines 19-jährigen Sohns liebte die klassischen Kinderbücher, die er neu interpretierte und mit Musik unterlegte, gern auch gemeinsam mit Liedermacher Konstantin Wecker, mit dem er unter anderem bei „Oliver Twist“ und dem „Kleinen Lord“ zusammenarbeitete. „Mich reizt es, Kindern erste Schritte in die Literaturwelt zu zeigen“, sagte Berg. In der Musicalform sah er ein gutes Mittel, um Kinder in die Geschichte zu ziehen.
Christian Berg sprach auch über Schattenseiten des Lebens
Vor dem Stück „Die Schöne und das Biest“ stand er zuletzt mit der „Kleinen Meerjungfrau“, „Dem Gespenst von Canterville“ und in „80 Tagen um die Welt“ auf den Hamburger Bühnen und tourte mit seinen Stücken durch ganz Deutschland. Für dieses Jahr hatte er schon „Aschenputtel“ als Weihnachtsmärchen in der Komödie Winterhuder Fährhaus angekündigt.
Wenn er seine Erfolge aufzählte, schien es mir anfangs, als führte er ein Leben auf der Überholspur, immer weiter, immer höher. Doch Christian Berg sprach auch von den Schattenseiten seines Lebens, der Bruchlandung – beruflich und privat. Sein Tourneetheater ging 2013 pleite. „Ich habe unglaublich viel gearbeitet und das Geschäftliche anderen überlassen. Davon habe ich einfach keine Ahnung und war ziemlich gutgläubig“, erzählte er ganz offen. Den Tiefpunkt seines Lebens hatte auch seine zweite Ehe nicht überlebt. Zumindest verstand er sich mit seiner ersten Frau, der Mutter seines Sohnes Mattheus, gut. „Wir sind immer noch wie eine Familie und wohnen nahe beieinander.“
Christian Berg veränderte nach der Insolvenz sein Leben
Er schien darüber hinweg. Denn statt weiterhin selbstständig Stücke zu produzieren, ließ der Regisseur sich nun von den Theatern anstellen. Er hatte nach der Insolvenz sein Leben verändert. Während Christian Berg früher oft wochenlang unterwegs war, versuchte er nun, so viel wie möglich in seiner Heimatstadt Cuxhaven zu sein. So spielte Berg abgesehen von ein paar Gastspielen fast nur in seinen Hamburger Musicals noch selber mit. Es lief wieder gut bei ihm – er konnte der Krise sogar Positives abgewinnen. „Ich bin seit dieser Pleite viel mutiger geworden, auch Neues auszuprobieren. Meine Werke haben zudem mehr Tiefgang“, erzählte Berg.
Doch dann kam Corona. Sein Projekt, das „Hamburger Dschungelbuch“ musste aufgrund der Corona-Pandemie verschoben werden, es hätte am 27. März 2020 im First Stage Theater Premiere feiern sollen. Christian Berg fiel kurz in ein seelisches Loch, er vermisste die Bühne, das Publikum. Doch Glück im Unglück: Er hatte er eine neue Liebe gefunden – Agata, die er Ende Mai 2020 geheiratet hat. Und er veröffentlichte den zweiten Teil seines Kinderbuches „Rumpelröschen und die 13. Fee“.
Christian Berg tot – Diagnose kurz vor Weihnachten
„Ich bin sehr zuversichtlich, dass es auch nach Corona einen Neuanfang geben wird, der mich weiterbringt. Ideen genug habe ich ja.“ Das sagte er im Sommer 2020, als ich mit ihm darüber sprach, wie er gelernt hat, mit seinen Krisen umzugehen. „Ich gebe niemals auf oder verzweifle, dafür habe ich zu viel Liebe in meinem Umfeld, das gibt mir ganz viel Kraft“, sagte er damals.
Halt gebe ihm sein Glaube – und die feste Überzeugung, dass „der liebe Gott genau weiß, was er mit mir vorhat.“ Kurz vor Weihnachten erfuhr er von einer schweren Erkrankung. Doch die Prognose war eher positiv und Christian Berg hoffnungsvoll. Er hatte doch noch so viel vor, so viele Ideen, im Februar wollte er Lesungen für den Abendblatt-Verein im Hamburger Grundschulen abhalten.
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„Hamburger Dschungelbuch“ feiert Premiere – ohne Christian Berg
Nächste Woche wird sein Hamburger Dschungelbuch Premiere haben. Es war Christian Bergs Wunsch, dass „Das Hamburger Dschungelbuch“ zur Aufführung kommt. Aus diesem Grund wird das Ensemble und sein Team die Produktion ab dem 28. Januar 2022 wie geplant im First Stage Theater Hamburg spielen und seine künstlerische Arbeit gemeinsam weiterführen.
Doch Christian Berg wird es nicht mehr erleben – er starb nach kurzer Krankheit und dennoch überraschend am Montag. Mein tiefes Mitgefühl gilt seiner geliebten Frau Agata und seinem Sohn Mattheus, auf den er so stolz war. Danke, Christian Berg, für deine Freundschaft, deine Hingabe an die Fans, dein großes Herz und Engagement für unseren Verein „Hamburger Abendblatt hilft“. Wir werden dich so vermissen