Hamburg. Das Kunstspiel zum Mitmachen – jeden Montag im Abendblatt. Heute: die Erzengel-Skulptur „Arcangelo II“ von Berlinde De Bruyckere.

Die belgische Künstlerin Berlinde De Bruyckere, 1964 in Ghent geboren, wo sie heute auch lebt und arbeitet, hat mit der Erzengel-Skulptur „Arc­angelo II“ ein Kunstwerk geschaffen, auf deren Erwerb die Stiftung Hamburger Kunstsammlungen und die Hamburger Kunsthalle zu Recht sehr stolz sind.

Entstanden ist die inklusive Sockel etwa drei Meter hohe Skulptur während der Corona-Pandemie, sie bezieht sich auf die biblische Figur des Erzengels. „Durch ihre hohe Positionierung auf einem Holzsockel scheint die Figur über uns zu schweben, [...] Sie beugt sich nach vorne, wodurch eine labile Pose entsteht. Ihr Gesicht, Kopf und fast der gesamte Körper sind verhüllt, die Identität somit verborgen“, beschreibt Kunsthallen-Kuratorin Brigitte Kölle, Sammlungsleitung Kunst der Gegenwart, das beeindruckende Werk.

Kunsthalle Hamburg: Berlinde De Bruyckere und die Dualität ihrer Skulpturen

Auffallend ist, dass Gesicht und Körper von einer abgenutzt erscheinenden Decke weitgehend verdeckt sind, einzig die Unterschenkel und die sehr detailliert modellierten Füße sind zu sehen. Die, so Kölle, sind „voller Schrunden und Blutergüsse und erzählen von einem rauen, schonungslosen Besuch auf der Erde“.

Tatsächlich zieht Berlinde De Bruyckere große Inspiration aus der Arbeit der Alten Meister und der christlichen Ikonografie. In einem Interview mit dem Magazin „Kulturfalter“ aus Halle erklärte sie, ihre Werke speisten sich hauptsächlich aus den existenziellen Komplexen des Lebens: „Tod, Leiden, Schmerz, Angst. Diese Themen lassen sich in allen künstlerischen Formen zu allen Zeiten finden, in der Malerei, Bildhauerei, Architektur, Musik, Literatur und auch im Film.“ Neben den ganzen visuellen Eindrücken aus der Kunst sei sie auch vom alltäglichen Leben inspiriert, von Bildern in Zeitungen und im Fernsehen. „Manchmal kann selbst ein Songtext eine starke Quelle künstlerischer Inspiration sein. Nick Cave zum Beispiel; ich liebe seine Texte und sie inspirieren mich auch.“

„Arcangelo II“ ist in den Sälen der Alten Meister zu sehen

Die Decke, die hier zu sehen ist, hinterlässt ein zwiespältiges Gefühl. Einerseits bedeutet sie einen gewissen Schutz und die Möglichkeit, sich zu verbergen, zugleich transportiert ihre Textur aber auch Leid und Angst, ein sich Verstecken vor einer unbestimmten Gefahr. Es gibt unter Kritikerinnen und Kritikern auch die Sichtweise, dass die Figur unter dem Überwurf gleichermaßen zu ersticken drohe.

Berlinde De Bruyckere hat betont, dass es ihr in ihren Arbeiten um Dualität gehe. Natürlich sei offensichtlich, wie hilflos ein Mensch, wie verletzlich sein Körper sein könne. Doch zugleich sei dies nichts, wovor man sich aus ihrer Sicht fürchten müsste, im Gegenteil wohne dem eine gewisse Schönheit inne.

In der Kunsthalle ist die Skulptur „Arcangelo II“, die aus Wachs, Holz, Tierhaar, Metall und Epoxidharz besteht, seit Ende November 2021 in den Sälen der Alten Meister zu sehen.