Hamburg. Der Bestsellerautor spricht über seine Schaffenskraft, eine Vorliebe für Casinos, das Single-Dasein und verrät, ob er Millionär ist.

Dies ist die Geschichte von einem, der nur dann auf Kinderspielplätze geht, wenn er interviewt wird. Von einem, der Bücher schreibt, bei deren Lektüre man sich vor Lachen biegen möchte und gleichzeitig schlucken muss angesichts der Tristesse, die einem entgegenschlägt. Von einem, der zwei Superhits hatte, aber mit mehr Hingabe von seinen angeblichen oder tatsächlichen Flops spricht. Von einem, der was sein Lebensalter betrifft, realistisch ist („Ich biege langsam in die Zielgerade ein“), aber von ganz, ganz vielen neuen Projekten berichtet.

Würde man nicht aufpassen, würde Heinz Strunk sogar ausschließlich von dem erzählen, was er derzeit tut oder was er bald zu tun gedenkt. Und deshalb ist dies vor allem die Geschichte von einem, der keine Pause kennt, kein Verzagen, keine Lethargie. So etwas wie Schreibhemmung, sagt Strunk, „habe ich nicht, das gibt es bei mir nicht“. Die Literatur, das hat er ein paar Sätze vorher an diesem schönen Tag gesagt, hat ihn einst durchaus gerettet. Das passt ja: Die Sonne strahlt, wie man so sagt. Und es wäre nun tatsächlich verfehlt, würde man behaupten, dieser Heinz Strunk, der nächstes Jahr 60 wird, zöge seine Mundwinkel nicht auch einmal nach oben. Zumal beim Schreiben.

Heinz Strunk: Einer, der Menschen zum Lachen bringt

Es kommt schon gelegentlich vor, dass er bei der Arbeit schmunzelt. Aber es soll doch, und diese Ansage drückt viel aus über die Kunst des komödiantisch veranlagten Existenztragikers Heinz Strunk, niemand denken, es gehe bei seinen Alltagsdramen und Trauriger-mittelalter-Mann-Beschreibungen ums Lachen. Im Kern jedenfalls nicht. Im Kern geht es um das Leid mit dem Leben. Strunk ist der deutsche Depri-Dichter.

Einer, der die Menschen zum Lachen bringt. Das ist es, was ihn interessant macht: Depression und Dekompression durch Humor. Mit dieser Form des Druckabbaus hat er viele Bücher verkauft. Heinz Strunk ist ein Bestsellerautor. Und dennoch ist der Mangel an Glück das, was ihn antreibt. Hier, an diesem Tag, diesem hellen Tag auf dem Spielplatz vor dem Haus, in dem er lebt (ganz oben übrigens, in einer Eigentumswohnung mit Dachterrasse, das könnte auch etwas über seinen Status aussagen), spricht er auch über seine Erfolge, vor allem aber über seine Misserfolge. Regenwetter passt, so gesehen, besser zu Heinz Strunk.

„Es langweilt mich ja selbst, dieses Griesgrämige“

Dem Mann, dem man in Sachen Kleidung wie immer Stilsicherheit attestieren kann. Hemd, Hose, alles kein billiger Stoff. Irgendwann wird es ihm trotzdem zu kühl, er legt sich dann einen Jutebeutel unter sein Gesäß. Wahrscheinlich wäre ein Buch, eines von ihm, warum nicht, bietet sich ja an, die wärmendere Alternative. Aber Strunk („Es langweilt mich ja selbst, dieses Griesgrämige“) ist nicht der Typ, der sich wärmen lässt.

Von keiner Sonne und nicht jetzt, wo man so nett zusammensitzt auf der Spielplatzbank. Okay, vielleicht hat es Strunks Seele ein wenig gestreichelt, dass ein Kita-Erzieher seinen Schutzbefohlenen vorhin unaufgefordert erklärte, dass der Fotograf wegen Strunk da sei, nicht wegen ihnen, „der ist ein berühmter Schriftsteller“. Wahrscheinlich gefällt es Strunk auch, dass der Journalist ihm seinen Respekt erweist. Aber der Stachel der Unzufriedenheit sitzt tief. Was im Falle Strunks auch gut ist: Seine literarische Produktion versiegt auch deshalb nicht.

Strunk in der Vorschlussrunde des Deutschen Buchpreises

Warum aber immer die Trübtassigkeit seiner Helden? Vielleicht eine Erinnerung an das in seinem Überraschungsbestseller „Fleisch ist mein Gemüse“ porträtierte Schützenfestmucker-Früher? Strunk war im ersten Leben ja tatsächlich Musiker, kein schlechter, aber ein erfolgloser. Tja, sagt Strunk, so isses halt nicht. Er zitiert in seinen Büchern über Verlierertypen und hartnäckig deprimierte Jammerlappen nichts, was er selbst mittlerweile abgelegt hätte. Er, der bei Kritik und Publikum gleichermaßen Anerkannte, zu dem 1000 Leute in die Elbphilharmonie kommen (Riesenpublikum für eine Lesung!). Heinz Strunk sagt: „Ich wünschte, ich würde in meinen Büchern auf Vergangenes zurückgreifen, das ist leider nicht der Fall.“

Natürlich haben seine Hauptfiguren mit ihm zu tun, sagt Strunk, der zuletzt den Roman zur Liebeskatastrophe vorlegte, „Es ist immer so schön mit dir“. Er war immerhin in der Vorschlussrunde – besser bekannt als Longlist – des Deutschen Buchpreises. Aber Strunk, der sich stets freimütig über sein Interesse an den eigenen Auflagenzahlen äußert und auch die mancher Kollegen kennt, schaffte es halt wider eigenes Erwarten nicht ins Finale. Er ist ja, Selbstqualgelüste und Unzulänglichkeitscredo hin oder her, doch überzeugt von seiner Kunst. „Totale Albernheit, Humor auf der einen Seite, großer Ernst und das Literarische auf der anderen Seite – das macht in Deutschland sonst keiner“, sagt er.

Strunk kommt aus schwierigen Verhältnissen

Das ist dann, zugegeben, vielleicht auch die klassische Nummer vom verkannten Genie. Strunk ist ehrgeizig, und bevor schlechte Laune aufkommt– warum nicht mal eine absolute Killerfrage stellen, wahlweise auch: eine eigentlich verbotene? Also, Herr Strunk: Sind Sie Millionär?

„Das kann man schon sagen, knapp kommt das hin – wenn es bei über einer Million verkaufter Bücher dazu nicht gereicht hätte, hätte ich mich wirklich ziemlich ungeschickt angestellt“, antwortet Strunk da. Es kann gar nicht anders sein: Da ist ein dezent angedeutetes Grinsen ins einem Gesicht, als er das sagt. Vielleicht, weil es die berühmten, in diesem Falle Harburger „kleinen Verhältnisse“ sind, aus denen Strunk kommt. Dass die kleinen Verhältnisse auch schwierige waren, hat Strunk nie verschwiegen, in seinem Werk eh nicht. Die Mutter, eine Musiklehrerin, zog ihn alleine groß. Später kümmerte sich Mathias Halfpape – sein eigentlicher Name steht auf dem Klingelschild – um die zeitweilig unter psychischen Problemen leidende Frau, bis sie starb, da war Strunk 36 Jahre alt. Kürzlich erklärte er in einem Interview, er habe seinen Vater, einen Historiker, erst mit 15 Jahren kennengelernt.

Schwermutphasen nicht rational erklärbar

Wer Strunks Bücher liest, „Jürgen“ etwa oder das grandios unterschätzte „Junge rettet Freund aus Teich“, der stößt auf vaterlose Söhne von speziellen Müttern. Und auf Männer, die schon abgewrackt waren, bevor es überhaupt so richtig losging mit dem Leben. „Wenn das Glückslevel bei einer rheinischen Frohnatur bei 80 Prozent liegt und die eines durchschnittlichen Hamburgers bei 50 Prozent, dann stehe ich solide bei 20, vielleicht 30 Prozent“, sagt Strunk. Rational seien seine Schwermutphasen („Meine Gegenmittel sind Alkoholverzicht und lange Spaziergänge“) nicht erklärbar.

Am uninteressantesten ist im monetären Zusammenhang die nun auf der Hand liegende Weisheit, dass Geld allein nicht glücklich mache; viel spannender ist die Einstellung Strunks („Materielle Existenzangst habe ich schon lange nicht mehr“) zum Zaster. Er legt sein Geld einerseits in Immobilien an. Andererseits verzockt er es im Casino. Kürzlich erst, beim Urlaub in Kroatien, wollte Strunk seinen Spieltrieb („Von zehn Nächten waren wir acht im Casino“) ausleben. Die Vorfreude hielt allerdings nicht ihre Versprechen, kennt man ja, „außerdem kommt man sich dekadent vor, wenn man am Abend mit 400 Miesen ins Bett geht“.

Strunk blieb kinderlos

Während des Gesprächs geht sein Blick nur einmal in Richtung spielender Kinder. Das ist ihr Revier. Strunk schaut freundlich, mittelmäßig interessiert, als ein Spielplatzbesucher mit Lautstärke glänzt. Er kann ja mit Kindern, sagt er, aber selber wollte er irgendwann keine mehr, „mein Arbeitspensum schaffe ich auch nur, weil ich keine familiären Verpflichtungen habe“.

So kann’s gehen. Mit Mitte 20 dachte Strunk noch, die Vaterschaft werde sich irgendwann ergeben, wie bei allen eben. Je älter er dann geworden sei, desto mehr habe er gemerkt: „Das ist nicht mein Modell“. Seit einem Jahr, nachdem er sich von seiner deutlich jüngeren Lebensgefährtin trennte, ist Strunk wieder alleinstehend. Sein bevorzugter Status dann wohl. Zu seinen Patenkindern hat er ein gutes Verhältnis. Aber die Manie – „Kinder sind das Größte“ – mancher will er nicht mitmachen, weil: Es gebe ja auch grässliche Exemplare.

Das Erbe ist auch schon geregelt

Strunk spricht dann auch, auf Nachfrage, ein paar große Worte aus, die er sicher nicht groß meint, er ist da ja nicht für geschaffen. Er redet über über sein Erbe („Ist geregelt“), das an drei „lebensbegleitende Personen“ gehen soll dereinst. Drei „enge Freundinnen“, „Frauen, mit denen ich mal zusammen war“. Frauen, die Kinder haben. „Man weiß, für was man etwas tut, dieses Tun bekommt eine andere Sinnhaftigkeit“, sagt Strunk.

Sinn muss sein, man könnte es sonst ja ganz lassen, ob einem nun die Sonne aus dem Allerwertesten scheint oder ob man Heinz Strunk ist, König der Tristesse. Er erwähnt, man muss ihn nur anpiksen, seine Niederlagen – eingestellte Podcastversuche, nicht verwirklichte Drehbücher, schwach verkaufte Romane – und die „Ausmusterung“ als Kolumnist bei der „Titanic“, die ihn („Ist der Männeranteil heute irgendwo zu groß, bist du halt unter Umständen schnell raus“) sehr traf.

„Menschenaufläufe mag ich nicht"

Strunk ist ein bewundernswert vielseitiger Künstler, aber er ist auch ein nüchterner Analysator seines Tuns: Wir groß ist wo sein Publikum? Nach Österreich braucht er jedenfalls nicht mehr zu fahren, „aber insgesamt hatte ich wenig echte Flops“. Und er weiß sehr gut, auch, weil er es immer wieder mitgeteilt bekommt von seinen Fans, dass seine „unterhaltsame Art der Performance“, wie er es nennt, gut ankommt; deshalb auch der Erfolg der Hörbücher, „mit meinem Sprachfehler, dem leichten Lispeln“.

Wer Strunk mal auf der Bühne erlebt hat, bei Lesungen im Schauspielhaus oder zuletzt im großen Konzerthaus, der erlebt einen Mann, der auf seine Texte und seine Bühnenqualitäten (sitzen, lesen, aber auf seine, die Strunk-Weise) vertraut. Das Rampensäuische ist aber nicht mit sozialen Selbst-Justierungen zu verwechseln. „Menschenaufläufe mag ich nicht, die lösen Beklemmung bei mir aus“, sagt Heinz Strunk.

Heinz Strunk hat „mit Amüsement eh nichts mehr am Hut“

Mit Party, rotem Teppich, Goldener Kamera und so fort könne er nichts anfangen, „mit Amüsement habe ich eh nichts mehr am Hut“, erklärt er dann noch, und das letztere ist natürlich ein ganz herrlicher Satz. Man nimmt ihn diesem Mann sogar ab und denkt doch kurz, dass Heinz Strunk eben doch auch eine Kunstfigur ist. Ein Mann der Kunst und für die Kunst, der der Corona-Isolation also mehr abgewinnen konnte als andere und längst eine fertige Novelle im Köcher hat, die im nächsten Sommer herauskommen soll.

Es gibt ein Strunk-Prinzip, das über allem steht, das der Selbstironie. Beinah überraschend ernst ist er da, wo er über seinen eigenen kulturellen Rang (immer noch: eher unterbewertet, seiner Meinung nach) spricht. Nur da fehlt ihm, scheint’s, die Distanz zur eigenen Person. Was umso interessanter ist, als Strunks Credo unmissverständlich ist. Er stellt bei anderen manchmal eine seltsame, „völlig verquere, unrealistische“ Eigenwahrnehmung fest, die, findet Strunk, „auf kindlichem Niveau geblieben ist“.

Selbstironie, sagt Heinz Strunk, der eisern der Tragik des Lebens beizukommen sucht, „ist die einzige Möglichkeit, die Welt erträglich zu gestalten“.