Hamburg. Der türkische Nobelpreisträger Orhan Pamuk kommt im März nach Hamburg. Von welchen Autoren es außerdem Neuigkeiten gibt.

Die literarische erste Hälfte des Jahres 2022 auf eine Wendung gebracht: Sie wird ein Lied, gesungen von einem mit Lorbeerkränzen umrankten VIP-Dichter. Eine emotionale Angelegenheit. Aber das ist Literatur eh immer. Sie handelt von uns Menschen, und wir sind Gefühlswesen. Wahrscheinlich insbesondere dann, wenn wir Bücher lesen.

Am 25. März ist der Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk in der Stadt, um seinen ersten Roman seit sechs Jahren vorzustellen – „Die Nächte der Pest“ (erscheint am 14.2.) spielt vor mehr als 100 Jahren und handelt von Religion, Nationalismus und Krankheit. Naheliegend, ihm Aktualität zu attestieren. Neben dem großen türkischen Autor hat das Literaturhaus, um auf den eingangs erwähnten musikalischen Akzent der Literatur anno 2022 zurückzukommen, auch Katharina Hagena eingeladen. Am 8. Februar stellt die Hamburger Schriftstellerin und passionierte Chorsängerin ihr Buch „Herzkraft“ (erscheint am 16.2.) am Schwanenwik vor.

Bücher: Das ist im Frühjahr 2022 lesenswert

Auch darüber hinaus liest sich das Literaturhausprogramm für die ersten Quartale gut. Kurze Anreisen haben der Hamburger Anselm Neft, dessen fulminanter fünfter Roman „Späte Kinder“ eine todtraurige Geschwistergeschichte erzählt (Buchvorstellung am 3.2.), sowie die Hamburgerin Kristine Bilkau, deren dritter Roman „Nebenan“ am Nord-Ostsee-Kanal spielt und damit beginnt, dass eine Familie spurlos verschwindet. Buchpremiere ist am 9. März, vielleicht gibt es da die Auflösung des Rätsels. Weitere literarische Hamburgensien sind Marie-Alice Schultz’ Zweitling „Der halbe Apfel“ (erscheint am 10.3.), Jens Eisels auf wahren Begebenheiten beruhende Flugzeugentführer-Story „Cooper“ (10.3.) und Marion Lagodas Unterhaltungskracher „Ein Garten über der Elbe“ (28.3.).

Im Juni wartet dann Heinz Strunks neues Werk auf uns: „Ein Sommer in Niendorf“ ist eine Novelle. Prägnante Strunkprosa also, wobei „Sommer“ eine fürchterlich ferne Perspektive ist. Möge der Heinzer schneller da sein, als es derzeit erscheint. Guter Hoffnung darf man in jedem Fall bei einer anderen annoncierten Neuerscheinung sein: Rainer Moritz liefert in seinem Buch „Unbekannte Seiten“ (10.3.) sicher äußerst vergnügliche Häppchenprosa. Es berichtet davon, was passierte, als Dichter ihre Schreibstuben mal verließen.

Neue Werke von Fatma Aydemir, Monika Helfer und Eckhart Nickel

Wenn man wiederum hamburgische Gefilde verlässt, wird die literarische Ernte rein mengenmäßig noch ergiebiger. Wobei die Neu-Berlinerin Nino Haratischwili automatisch noch in Hamburg verortet wird. Ihr neues 800-Seiten-Epos „Das mangelnde Licht“ handelt von Georgien und vier Freundinnen, es erscheint am 25. Februar. Einen Tag später wird die Theaterfassung im Thalia uraufgeführt, dem Ort also, an dem Haratischwili vorher, am 30. Januar, bei den Lessing-Tagen gesprochen haben wird. Und an dem am 29. März dann auch noch die Buchpremiere (mit anschließender Aufführung des Stückes) des Stoffes stattfinden soll.

Versprochen sind neue Werke der Kühne-Preisträgerin Fatma Aydemir („Dschinns“, erscheint am 14.2.), von Monika Helfer (ihr Bruder-Porträt „Löwenherz“ ist für den 24.1. angekündigt, Lesung am 23.2. im Literaturhaus), Eckhart Nickel (Vorstellung von „Spitzweg“ am 19.5. im Literaturhaus), Helene Hegemann (der Erzählungsband „Schlachtensee“ erscheint am 9.6.), Sibylle Berg („RCE“, 5.5.), vom wunderbaren André Kubiczek, der den dritten Band seines Porträts einer Jugend in der DDR vorlegt („Der perfekte Kuss“, 8.3.).

Internationale Literatur: 2022 kann kein schlechtes Jahr werden

Bei Hoffmann und Campe erscheint der neue Brenner-Krimi von Wolf Haas („Müll“, 2.3.), Jan-Costin Wagner liefert den zweiten Teil seiner Reihe um das neue Ermittlerduo Neven/Sandner („Am roten Strand“, 10.3.). Verspätet gibt es ab Ende Januar – ursprünglich geplant war der vergangene September – Martin Suters Schweinsteiger-Roman „Einer von euch“ zu lesen. Die Verzögerung hat das Interesse eher noch wachsen lassen, so was aber auch; wie wohl ein Schweizer von den Heldentaten eines teutonischen Kickers erzählen mag?

Wenn Orhan Pamuk die Federkielspitze der internationalen Literatur in diesem Jahr ist, dann kann 2022 sowieso kein schlechtes Jahr werden. Auch sonst klingt die Importliste vielversprechend. So soll es auch auf Deutsch die neuen Romane von Gary Shteyngart („Landpartie“, 23.5.), Laetitia Colombani („Das Mädchen mit dem Drachen“, 23.2.), Ann Tyler („Eine gemeinsame Sache“, 8.3.), Karl Ove Knausgård („Der Morgenstern“, 11.4.) und Yasmina Reza („Serge“, 24.1.) zu lesen geben.

Ein Lese-Muss: „Wir wüssten, wir könnten, und fallen synchron“

Das in der westlichen Hemisphäre nächste größte Ereignis der Literatur könnte aber tatsächlich das neue Buch der seit dem Erscheinen des Romans „Ein wenig Leben“ im Jahr 2015 hochgehandelten US-Amerikanerin Hanya Yanagihara sein. „Zum Paradies“, 900 Seiten lang, umfasst als ein Buch eigentlich drei Romane. Im Stile eines Pageturners erzählt Yanagihara von den Jahren 1893, 1993 und 2093. Und vom Menschen und seinen Begierden: Ein Werk, dessen Erzählsog man sich gerade aufgrund der Maßlosigkeit tatsächlich nicht entziehen kann.

Wie stets als Abschluss des Schweinsgalopps durch Buchgestrüpp – der beste Titel. Er stammt von der in Wiesbaden und Kaiserslautern aufgewachsenen Yade Yasemin Önder und macht ihren im März erscheinenden Debütroman zum Lese-Muss. „Wir wüssten, wir könnten, und fallen synchron“: Herrlich, wirklich ganz herrlich. Mit Worten kann man ganz schön viel anstellen.